7. Frankfurter Goethe-Vorlesungen über die Vorläufer des seriellen Erzählens: Vorträge unter anderem über Boccaccio, Chaucer, Goethe und Robert Gernhardt

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die 7. Frankfurter Goethe-Vorlesungen setzen im Rahmen der Bürger-Universität eine Tradition des Instituts für deutsche Literatur und ihre Didaktik fort, bei der aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen in ansprechender Weise für Studierende und die Frankfurter Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Vorlesungsreihe für das Sommersemester 2016 setzt sich dabei mit den historischen Vorläufern der derzeit so populären Form des seriellen Erzählens auseinander.

 

Die Reihe startet am 21. April und wird an zehn weiteren Abenden fortgesetzt.

 

Bereits Giovanni Boccaccio begründete im 14. Jahrhundert mit seinem „Decamerone“ und der darin durch die Flucht vor der Pest in Florenz verursachten Zusammenkunft einer Erzählgemeinschaft eine Form des wiederkehrenden Erzählens, die zu einem wahren Erfolgsmodell in den europäischen Literaturen avancierte. Neben Parallelentwicklungen in England mit den berühmten „Canterbury Tales“ von Geoffrey Chaucer wurde diese narrative Großform bis heute immer wieder aufgegriffen und in ihren Grundbedingungen – der Auswahl der Erzählerinnen und Erzähler, der kontroversen Aushandlung poetischer Standards und der Festlegung auf bestimmte Themen und Genres – verschiedentlich variiert.

 

In Deutschland hat sie um 1800 als erster Johann Wolfgang von Goethe mit seinen „Unterhaltungen Deutscher Ausgewanderten“ adaptiert und die Handlung in den Kontext der französischen Revolutionskriege übertragen. Nicht immer sind es allerdings diese Krisenmomente, die den äußeren Anlass für ein geselliges Beisammensein bilden. In der Konjunktur des Rahmenzyklus im 19. Jahrhundert finden sich auch freundschaftlich motivierte Zusammenkünfte wie in E.T.A. Hoffmanns „Die Serapions-Brüder“ oder Ludwig Tiecks „Phantasus“. Die Konflikte entstehen bei diesen Texten eher in den Rahmengesprächen als Ergebnis einer kontroversen Diskussion über die Qualität der vorgetragenen Geschichten.

 

Besonders aufschlussreich für die Entwicklung des rahmenzyklischen Erzählens ist der Umgang mit der eigenen Gattungsgeschichte, denn nicht selten werden die Vorläufer explizit erwähnt. Die Reflexionen reichen dabei von einer Haltung der Affirmation über eine Ironisierung wie bei Robert Gernhardt bis hin zu einem Experimentieren mit dem Modell in der zeitgenössischen Literatur. Die 7. Frankfurter Goethe-Vorlesungen nehmen die ganze historische Spannbreite des rahmenzyklischen Erzählens in den Blick. Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus der Germanistik, der Romanistik und der Anglistik stellen jeweils pro Vorlesung einen Rahmenzyklus vor und laden zur Diskussion über diese spannende und vielschichtige Form des Erzählens ein.

 

 

7. Frankfurter Goethe-Vorlesungen, Sommersemester 2016

 

21. April: PD Dr. Jan Söffner - Lässt der Zufall sich rahmen? Überlegungen zu Giovanni Boccaccios „Decamerone“

 

 

 

28. April: Prof. Andrew James Johnston - Den Rahmen sprengen. Geoffrey Chaucers „Canterbury Tales“ und das Abenteuer alchemistischen Erzählens

 

 

 

12. Mai: Dr. Christoph Kleinschmidt - Keine Geselligkeit. Nirgends? Johann Wolfgang Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“

 

 

 

19. Mai: Prof. Wolfgang Bunzel - Die unendliche Geschichte Clemens Brentanos „Märchenzyklen“

 

 

 

2. Juni: Prof. Stefan Scherer - Der Rahmenzyklus als romantisches Universaldrama. Zum singulären Status von Ludwig Tiecks „Phantasus“

 

 

 

9. Juni: Prof. Uwe Japp - Die Reflexion der Erzählung. Entwurf und Durchführung der Rahmen-Handlung in E.T.A. Hoffmanns „Die Serapions-Brüder“

 

 

 

16. Juni: Prof. Torsten Hoffmann - Mikroserielles Erzählen. Heinrich von Kleists „Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten“

 

 

 

23. Juni: Dr. Christine Mielke - Scheherazade auf der Couch. Heinrich Heines Zyklus „Florentinische Nächte“

 

 

 

30. Juni: Dr. Frank Estelmann - Le Sixpack. Erzählendes Kraftmeiern in Paul Scarrons „Le Roman comique“

 

 

 

7. Juli: Dr. Gabriele Rohowski, „Wer B sagt muß auch Occaccio sagen“. Robert Gernhardts „Florestan-Fragmente“

 

 

 

14. Juli: Prof. Julika Griem, Gegenwärtige Transformationen serieller Geselligkeit

 

 

Info:

 

Campus Westend, IG-Farben-Haus, Raum 411. Beginn jeweils 18 Uhr

 

 

 

Weitere Informationen: Dr. Christoph Kleinschmidt, Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik, Goethe-Universität. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!