Felix Semmelroth steht für eine neue Koalition in Frankfurt nicht mehr zur Verfügung

Redaktion und Felix Semmelroth


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gerade erreicht uns die Nachricht vom vorzeitigen Ruhestand des derzeitigen langjährigen Frankfurter Kulturdezernenten Felix Semmelroth (CDU). Heute stand in der Lokalausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß die Literaturjournalistin Ina Hartwig von der SPD aus als neue Kulturdezernentin vorgesehen sei, die Semmelroth Ende des Jahres verfrüht ablösen soll. Pikant, daß das in der FAZ stand, denn Ina Hartwig war bis 2010 die Literaturredakteurin der Frankfurter Rundschau (FR).


Hintergrund sind die Kommunalwahlen, die wir in mehreren Artikeln in ihren potentiellen Konsequenzen analysiert hatten. Auch zum baldigen – 2 Monate – Rücktritt von Semmelroth wird noch einiges zu sagen sein, eben auch für seine Amtsführung, der man seine intensive Beschäftigung mit Literatur anmerkte, der sich der Kunst als Chef der Museumslandschaft sehr angenähert hatte, der Theater und Oper wohlwollend begleitete und dessen, vornehm gesprochen,  Zurückhaltung gegenüber der Musik und ihren Frankfurter Institutionen außerhalb der Oper eine Fehlstelle blieb, die nun eine Nachfolge sehr viel besser machen muß, denn das Land Hessen und hier das Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat die sensationelle Konzeption eines Kulturcampus Bockenheim zwar mit Zustimmung der Stadt, aber ohne große Frankfurter Unterstützung beschlossen.

Das war die Kurzfassung. Es wird Zeit sein, auf den Chef der Museen, noch gesondert einzugehen, der nun gleichzeitig mit Max Hollein geht, den er aber nicht nach Frankfurt geholt hatte, auch wenn ihm das zugeschrieben wird. Beim Thema Museen werden wir aber auch das gebeutelte Museum der Weltkulturen näher beleuchten. Damit meinen wir nicht nur den nicht erfolgten Neubau, sondern die unglücklichen 'Beseitigungen' gleich zweiter Direktorinnen, was in Frankfurt mit - nicht vornehmen, sondern feigen - Schweigen behandelt wird. Gleichwohl bedingt die gesamte Situation, daß wir gerne die Stellungnahme von Semmelroth zu seinem Amtsverzicht im Folgenden abdrucken.
Die Redaktion




Bilanz seiner Amtszeit

„Ich habe heute Oberbürgermeister Peter Feldmann gemäß der Hessischen Gemeindeordnung gebeten, mich zum 1. Juli dieses Jahres in den Ruhestand zu versetzen. Zu diesem Schritt habe ich mich in Abwägung der Gesamtlage entschlossen. Für ein temporäres Verbleiben im Amt bis Ende dieses Jahres sehe ich keinen sachlichen Grund, wenn die Nachfolge im Juli durch eine Neuwahl geregelt wird.

Zehn Jahre als Frankfurter Kulturdezernent sind eine beachtliche Zeitspanne. Kultur hat in unserer Stadt immer eine besondere Rolle gespielt. Walter Wallmann hat sie als Ferment der Kommunalpolitik bezeichnet; ich würde weiter gehen: Sie ist das entscheidende Element für unser Zusammenleben. Kultur darf weder der Ökonomisierung unserer Gesellschaft noch dem politischen Pragmatismus untergeordnet werden. Das Unerwartete, das Verblüffende, das Kreative, das Zweckfreie sind für die Entwicklungsfähigkeit einer Großstadt wie Frankfurt unverzichtbar. Es ist die Kultur einer offenen Bürgergesellschaft, die unsere Stadt immer ausgezeichnet hat. Dieses Erbe muss unabhängig von jeglicher koalitionspolitischer Konstellation bewahrt werden.

Mit großer Freude und Dankbarkeit blicke ich auf meine Amtszeit zurück.

Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Es ist gelungen, die Kulturstadt Frankfurt weiterzuentwickeln, indem die Infrastruktur nicht nur erhalten, sondern  ausgebaut wurde. Die in die Jahre gekommenen Häuser am Museumsufer, wie beispielsweise das Deutsche Architekturmuseum, das Deutsche Filmmuseum oder das Museum Angewandte Kunst, wurden saniert und haben sich – teilweise unter neuer Direktion – auch inhaltlich neu aufgestellt. Große Summen wurden investiert: Der Neubau des Historischen Museums öffnet im Herbst 2016 erstmals seine Tore an einem Bürgerwochenende, die Wiedereröffnung des Gesamtkomplexes ist ein Jahr später, für Herbst 2017 geplant. Mit dem Caricatura Museum hat Frankfurt ein eigenes
Museum für Komische Kunst und ist mit den Karikaturen der legendären „Neuen Frankfurter Schule“ zu einem Publikumsmagneten der internationalen Satire-Szene geworden.

Während das sanierte Museum Judengasse gerade eröffnet wurde, steht die Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau des Jüdischen Museums kurz bevor. Das neue Haus wird sich mit der Geschichte und Gegenwart des Judentums aus einer europäischen Perspektive und in Wechselwirkung zu anderen Kulturen auseinandersetzen. Dem Jüdischen Museum obliegt es auch, Führungen in der neu gebauten Erinnerungsstätte an der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle anzubieten. Diese thematisieren die historischen Hintergründe der Deportationen aus Frankfurt am authentischen Ort und beziehen die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ein.

Eine wesentlich größere Ausstellungsfläche hat das MMK mit der Dependance im TaunusTurm hinzugewonnen, so dass die bedeutende Sammlung der Gegenwartskunst und noch mehr  Wechselausstellungen präsentiert werden können.

Ein kulturelles Glanzlicht der vergangenen Jahre ist der spektakuläre unterirdische Erweiterungsbau des Städel Museums, in dem auf rund 2 600 Quadratmetern zusätzlicher Ausstellungsfläche Werke zeitgenössischer Kunst vorgestellt werden. Auch das Deutsche Romantik-Museum im Großen Hirschgraben nimmt Konturen an, der Spatenstich wird im Juni erfolgen. Dieser Erfolg ist außerordentlichem bürgerschaftlichen Engagement zu verdanken, der auch Wirkung auf die unter Konsolidierungsdruck stehenden kommunalen Geldgeber hatte. Dadurch konnte die einmalige historische Chance ergriffen  und der einzigartige Sammlungsbestand der deutschen Romantik demnächst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden. Auch die Fliegende Volksbühne von Michael Quast wird im Großen Hirschgraben im Cantate-Saal eine feste Spielstätte finden.

Um die hohe Qualität und die große Vielseitigkeit der Frankfurter Ausstellungshäuser national und international noch bekannter zu machen, wurde 2008 die Dachmarke „Museumsufer Frankfurt“ gegründet. Dadurch wurden nicht nur neue Besucherschichten erschlossen, es entwickelten sich ebenfalls exzellente Kooperationen zwischen den Ausstellungshäusern. Darüber hinaus wird dank der Gründung der MuseumsBausteine Frankfurt GmbH eine fristgerechte und kostengünstige Bauweise bei kulturellen Projekten ermöglicht, wie beispielsweise beim Bau des Jüdischen Museums oder beim für die Museen vorgesehenen Zentraldepot.

Für Frankfurt als nationalen und internationalen Standort von künstlerischer Produktion und Lehre wurde ebenfalls viel erreicht. Durch den Übergang der Städelschule zum Land Hessen stehen jetzt langfristig ausreichend Mittel bereit, die Kunsthochschule adäquat auszustatten und weiterzuentwickeln. Das Renommee der Professoren, die hier lehrten und lehren sowie die Studierenden, die oftmals im internationalen Kunstbetrieb reüssieren, sind von hohem Wert für den Ruf Frankfurts als Kulturstadt.

Die Oper Frankfurt ist mehrfach zur „Oper des Jahres“ gekürt worden. Auch dem Schauspiel bescheinigen Publikum und Kritik ein qualitativ herausragendes Ensemble bei meist ausverkauften Vorstellungen. Die Alte Oper schreibt ihre Erfolgsgeschichte fort und rückt zeitgenössisches Musikschaffen in den Vordergrund. Mit „Pegasus“ hat sie ihr Programm auch auf die Allerkleinsten ausgerichtet.

Zur hohen Qualität und dem internationalen Ansehen der Frankfurter Kulturlandschaft tragen vor allem ihre glänzenden Protagonisten bei. Die Institutsleiter und Intendanten haben Großartiges für Frankfurt geleistet. Kontinuität und, wo nötig, Wechsel bei den Personalien garantieren den Ausbau und die inhaltliche Fortentwicklung des kulturellen Fundaments.

Zu den Errungenschaften für die Kultur gehört ebenfalls das transparente Fördermodell für die freie Theaterszene, das in einem partizipativen Arbeitsprozess mit den Theatermachern entstanden ist. Der neu konstituierte Theaterbeirat legte im letzten Jahr erstmalig seine Empfehlungen vor und verdeutlichte die Notwendigkeit einer erhöhten Förderung für die freie Szene. Ein Garant für die künstlerisch anspruchsvolle Auseinandersetzung mit aktuellen und kritischen Themen ist das Künstlerhaus Mousonturm, das sich nach einer Sanierungs-und Umbauphase auch inhaltlich neu erfunden hat. Der Mousonturm spielt international in der ersten Liga der freien Produktionszentren.

Für die Literaturstadt Frankfurt ist es geglückt, wichtige Akteure längerfristig an Frankfurt zu binden, um mit ihnen gemeinsam das literarische Leben zu gestalten. Frankfurt beheimatet namhafte Verlage und ist zudem Standort der weltgrößten Buchmesse, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Deutschen Nationalbibliothek. Literaturhaus, Hessisches Literaturforum, Romanfabrik sowie zahlreiche weitere Veranstalter bieten ganzjährig ein abwechslungsreiches Programm aus Lesungen und Diskussionsrunden. Dieses Programm wird durch die im biennalen Wechsel stattfindenden städtischen Literaturfestivals „literaTurm“ und „Frankfurter Lyriktage“ sowie das Lesefest „Open Books“ zur Frankfurter Buchmesse ergänzt.

2008 wurde zudem ein großangelegtes Investitionsprogramm für den Zoo beschlossen, das den Borgori-Wald als neues Zuhause für die Menschenaffen, die Verlagerung und Umgestaltung der Eingangssituation sowie den Neubau der Bärenanlage umfasste. Der Zoo definiert sich in seiner Neukonzeption als Artenschutzzentrum und die neuen Tieranlagen werden modernsten tiergärtnerischen Erfordernissen gerecht. Für diesen Herbst ist der Baubeginn für die neue Pinguinanlage geplant.

Glücklicherweise ist es trotz harter Konsolidierungsmaßnahmen gelungen, den Kulturhaushalt auf seinem Niveau ohne Beschädigungen bestehen zu lassen. Die für das Funktionieren und den Ruf der Kulturstadt Frankfurt so bedeutsamen Strukturen konnten erhalten werden.

Vieles ist getan, einiges steht noch an: Von hoher gesellschaftlicher sowie kultureller Bedeutung ist die Wiedererlangung eines kommunalen Kinder-und Jugendtheaters in Frankfurt, eine der zentralen Aufgaben für die kommenden Jahre. Zudem bleibt das Museum der Weltkulturen eines der großen Desiderate.

Der große Erfolg der Kulturstadt Frankfurt, die hervorragende Qualität und Vielfalt der Programme sowie das gute Gelingen der durchgeführten Projekte ist auf die Kompetenz aller Akteure zurückzuführen. Ich bedanke mich bei den vielen Menschen, die mir großes Vertrauen entgegengebracht und meine Arbeit unterstützt haben. Besonders danken möchte ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die vertrauensvolle und fachkundige Zusammenarbeit. Hervorheben möchte ich auch das gelungene Zusammenspiel mit den Intendanten und Museumsleitern. Ich wünsche ihnen allen, dass die begonnenen Projekte erfolgreich fortgeführt und abgeschlossen werden, damit Frankfurt auch in den nächsten Jahren als Kulturstadt zukunftsfähig bleibt.

Das Ausscheiden aus der Politik ist für mich ein persönlicher Einschnitt und bietet zugleich neue Gestaltungsmöglichkeiten. Der Rückzug aus dem politischen Amt schafft Raum, Interessen nachzugehen, die bisher aus zeitlichen Gründen zu kurz gekommen sind. Ein Vorhaben ist es, mich vermehrt wieder der wissenschaftlichen Arbeit zu widmen.

Ich bitte um Verständnis für meine Entscheidung.“