Der elfjährige Neil Tarabulsi hat sich durch Abschauen und Abhören von Youtube-Ausschnitten Beethoven beigebracht


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Talente gibt es immer wieder, auch unter Geflüchteten, die noch gar nicht einreisen durften. Ein elfjähriger Junge durfte doch rein, nachdem die Fachwelt auf ihn aufmerksam geworden war. Er wurde im Dezember letzten Jahres aus Syrien eingeflogen und kann jetzt in einer friedvollen Umgebung sein Talent entfalten.

 

In Syrien war er, wie andere Kinder und Jugendlichen, einer mörderischen und menschenfeindlichen Umgebung ausgesetzt, die ihm auf Dauer zur Gefahr geworden wäre. Die Lage für die Schwächsten ist dort furchtbar.


In Syrien hatte er keine Lehrer. Er übte auf einem Plastikklavier. Youtube ermöglichte ihm sein Lehrsystem. Lehrer aus dem Worldwide Net wurden für ihn Maurizio Pollini, Evgeny Kissin, Martha Argerich, Daniel Barenboim, deren Spiel er genau verfolgte und sich abschaute. Seine musikalischen Meister sind Beethoven und Chopin, wenn auch nicht allein. Der Türkische Marsch entzückt ihn besonders. Ein dritter Satz von Beethoven und eine Passage von Chopin haben es ihm ganz besonders angetan.


Seine Spielweise ist die eines 25-Jährigen. Sie zeugt von Kraft und Wille, hat einen Ausdruck, der bei einem Elfjährigen selten zu finden ist. Seine neuen Lehrerinnen und Lehrer bilden ihn in Harmonielehre aus, erteilen ihm eine fachgemäße Gehörausbildung, obwohl das musikalische Wissen schon in ihm beschlossen ist. 


Auf ihn und seine Familie, die nachgeholt wird, wartet eine Vierzimmerwohnung, die noch gesucht wird, in oder nahe München, der Stadt auch der Hochschule für Musik und Theater, Sektion Begabtenförderung. Mit dem Nachzug wird die Familie ihren Jungen, der alle, die ihn mittlerweile kennen, durch seine Klugheit, Albernheit und einen unbeschwerten Ernst für die Musik becirct und betört, auf seinem Weg begleiten können.

 


Dem alltäglichen Schrecken entkommen


Neil und seine Familie entstammen Homs, aus dem sie in ein kleines Dorf auswichen. Dort schaute Neil sich stundenlang Musikausschnitte aus dem Internet an, stets 3 Tage lang, dann war erstmal wieder keine Verbindung möglich. Notenlesen ist für ihn selbstverständlich. Er gilt als ‚wahnsinnig fit‘, wie sein Entdecker Stephan Schoffer bekundet. Durch seine Kontakte in die arabische Welt stieß er auf Neil. Umgangssprache war zunächst Englisch, nach 14 Tagen aber unterhielt Neil sich bereits in Deutsch mit seinen neu gewonnenen musikalischen Freundinnen und Freunden, die ihn herzlich aufgenommen haben, ja er parliert inzwischen sogar auf hohem Niveau.


Martina Bauer von der Musikhochschule wurde zu seiner musikpädagogischen Mentorin, die adpianum-Musikhochule München hat ihn unter ihre Fittiche genommen und lässt ihm die praktisch-technische Ausbildung angedeihen. Unter kundigen Blicken wurde bei Neil eine außerordentliche Begabung für die Musik festgestellt. Er hat ein sehr gutes Gehör, erfasst vierstimmige Akkorde wie im Flug, erkennt deren Aufbau präzis; Passagen merkt er sich ohne Schwierigkeit, einmal Sehen oder Gezeigtbekommen – schon hat er die Akkorde erfasst und kann sie umsetzen.


Drücken wir Neil die Daumen, dass er sich auf die für ihn beste Weise verwirklichen und seinen auf so ungewöhnliche Weise begonnenen Weg durch die Zeit machen kann.

 

Foto: (c) youtube

Info:
https://www.br.de/mediathek/video/video/klickklack-neil-tarabulsi-132.html