Mainzer Fluglärminitiative schadet unter dem Banner der Fürsorge dem Rheingau Musik Festival
Claudia Schulmerich
Oestrich-Winkel/Rheingau (Weltexpresso) – Eine Mainzer Bürgerinitiative hat namhafte Künstler im In- uns Ausland wegen angeblicher Lärmbelästigung vor Auftritten beim Festival gewarnt, woraufhin der Intendant diesen Geschäftsschädigung vorwirft und rechtliche Schritte ankündigt.
Der Vorgang ist schon pikant. Denn der Verein, die „Initiative gegen Fluglärm Mainz e.V.“ schickt beim Rheingau Musik Festival auftretenden Künstlern einen Brief zu, der im Betreff lautet: „Mögliche Störung des Rheingau Musikfestivals durch Fluglärm“ und so beginnt: „Wir freuen uns sehr, dass Sie beim Rheingau-Musik-Sommer der Rhein-Main-Region mit Ihrem Auftritt die Ehre erweisen. Kultur- und Lebensqualität waren schon immer ein besonderes Markenzeichen des Rhein-Main-Gebiets.“
So weit, so nett, so gut. Dann allerdings heißt es: „Allerdings machen wir Sie darauf aufmerksam, dass sich seit Eröffnung der neuen Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen auch der Veranstaltungsort Ihres Konzertes im Kloster Eberbach (hier folgen die weiteren Aufführungsorte, CS) unter den neuen, tiefergelegten Flugrouten befindet, sodass evtl. mit empfindlichen Störungen Ihres Konzertes zu rechnen ist. Aufgrund dieser Lärmsituation ist es leider in großen Teilen des Rhein-Main-Gebietes – als auch dem Rheingau, Wiesbaden und Mainz – nicht mehr möglich, kulturelle Veranstaltungen wie klassische Konzerte im Freien bzw. in nicht schallgedämmten Gebäuden ungestört zu genießen...“
Das nun allerdings ist eine bodenlose Übertreibung, die auch dadurch nicht richtiger wird, daß immer wieder in diesen Text Abschwächungen wie 'eventuell' oder 'beziehungsweise' eingestreut sind. Auf jeden Fall bietet dieses Schreiben das Bild eines fürsorglichen Übervaters, der auf der einen Seite von der Ehre spricht, auf der anderen aber eine ganze Region als nicht mehr lebenswert diffamiert.
Kein Wunder, daß das Rheingau Musikfestival jetzt offiziell reagiert: „Der Verein Initiative gegen Fluglärm Mainz e.V. hat namhafte Künstler im In- und Ausland wegen angeblicher Lärmbelästigung vor Auftritten beim Festival gewarnt. Das Festival hatte nun den Verein per Anwalt aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben, da die aufgestellten Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und dazu angetan sind, das RMF zu schädigen. Trotz eindringlichen Appells hat sich der Verein aber bislang geweigert, eine solche Erklärung zu unterschreiben und sowohl auf die Behauptungen als auch auf die Aktion gegenüber den Künstlern zu verzichten. Daher prüft das RMF in der Tat gemeinsam mit seinem Anwalt die Einreichung einer Klage.
Das besonders Pikante an dem Brief der Initiative ist nun - vom Festival nicht erwähnt, weil für das Festival auch nicht wesentlich - , daß dreimal eine Personenidentität und einmal eine Firmenidentität hergestellt wird zwischen denjenigen, die für den Ausbau des Flughafens gestimmt hatten und die gleichzeitig in unterschiedlicher Form mit dem Festival zu tun haben:
„Verantwortlich für diese untragbare Situation sind u.a. folgende Kuratoriumsmitglieder und Sponsoren des Rheingau Musik Festivals (RMV), die den Ausbau des Frankfurter Flughafens gegen alle Widerstände der Bevölkerung vorantreiben...“
Wir wollen nicht weiterzitieren, sondern nur die Namen Roland Koch, Stefan Schulte, Volker Bouffier und die Lufthansa nennen, die Hauptsponsor ist.
Was die Sache dann weiter interessant macht, ist die Behauptung, daß für Konzerte durch die Personen- und Gesellschaftsidentität - „personelle Verflechtungen“ - Flugrouten verlegt wurden, ein´“angenehmes Entgegenkommen“, das beispielsweise für die schwer kranken Patienten in der naheglegenen Uniklinik Mainz nicht gelte.
Das ist nun schweres Geschütz. Daß die Lärmsituation immer wieder schrecklich ist, ist völlig richtig. Wie aber hier der eine für das andere verantwortlich gemacht wird, ist eine üble Sache. Als Übeltäter steht so auf einmal das Festival da, dessen Künstler angeschrieben werden, daß sie sich an einer schlimmen Sache beteiligen, wenn sie auftreten. Sollen sie wegbleiben? Ja, das ist der Tenor des Briefes, denn fürsorglich wird ihnen ja mitgeteilt, daß ihre künstlerische Anstrengung beim Hörer gar nicht ankommmt. Auch wenn, wie gesagt, das nur evtl. so ist. Oder in der Realität überhaupt nicht.
Der Stil des Briefes erinnert an längst vergangene, perfide Zeiten. So heißt es: „Es ist deshalb durchaus möglich, dass aufgebrachte Bürgern ihren Protest gegen die menschenverachtende Rücksichtslosigkeit der Politiker und Wirtschaftsvertreter vor, während oder nach den Konzerten äußern.“
Das nun wiederum – eine echte Drohung - klingt nach einer gezielten Aufforderung an die Bewohner der Region, genau in diesem Sinne zu verfahren und wenn das durch die Initiative sogar organisiert würde, dann ist klar, daß hier das Festival zum Schutz der Gäste und zum Schutz der auftretenden Künstler dringend tätig werden muß. Das RMV hat deshalb in einer Pressemitteilung auf diese Situation aufmerksam gemacht und dabei sowohl einen der Briefe an die Künstler wie auch die vom Intendanten Herrmann geforderte Unterlassungserklärung beigefügt, in der es um die Abwehr der geschäftsschädigenden Aussagen geht, nämlich gegenüber Dritten nicht mehr zu behaupten, daß es wegen der neue Nord-West Landebahn des Flughafens „zu ernsthaften Störungen“ käme, daß ...“klassische Musikveranstaltungen“ nicht mehr ohne nachteilige Lärmbeeinträchtigung durchgeführt würden und daß „auch die ungestörte Darbietung der Künstler“ gefährdet sei.
Kommentar:
Weil sich die Initiative dazu bisher nicht verhalten hat, ist das Festival nun mit dieser Information an die Öffentlichkeit gegangen, die einen in Frankfurt und von hier aus zu den Konzerten Fahrenden überrascht, aber vor Ort für genügend Unruhe sorgt. Was ja wohl im Sinne der Erfinder und Gestalter solcher Briefe ist. Ganz und gar nicht ehrbar, wenn man derart ehrenrührig vorgeht. Im Ernst schadet sich die Initiative mehr, als sie ihrem Anliegen nützt. Ein Rohrkrepierer von Stürmer-Qualitäten.
P.S: Inzwischen erfolgte eine Reaktion der Lärminitiative, daß man auch unabhängig von einem Gerichtsverfahren ihre Aktionen weiterführen werde. Dazu Intendant Michael Herrmann:
Das zeigt schon jetzt mangelnden Respekt vor einem Gericht und seiner Entscheidung. Es sei schlimm, dass die Bürgerinitiative ihre Falschbehauptungen wiederhole: „Sie wollen einem der angesehensten Festivals der klassischen Musik Schaden zufügen und fügen ihm Schaden zu.“