Simon Weiland im Grimm-Haus in Steinau an der Straße

Hanswerner Kruse

Steinau an der Straße (Weltexpresso) - Drei Abende lang führt der Sprachkünstler Simon Weiland seine Performance-Trilogie „Leave Paradise“ in Steinau an der Straße auf. Der Ursprung seiner Darbietungen sind Märchen der Brüder Grimm, die er kunstvoll in Szene setzt und radikal auseinander nimmt.


„Was ist, wenn der Wolf im Schafspelz sich ausgibt als der gute Hirte?“ Am ersten Abend geht es um Rotkäppchen, eine Stunde lang schlägt der Mann das Publikum im Grimm-Haus mit seinen Worten in den Bann. Mit intensiver Mimik und Körpersprache, wilden oder sanften Gesängen, Rollentausch und wechselnden Stimmen seziert er das von den Grimm-Brüdern arg gezähmte Märchen. Der Performer ist mal ein komischer, mal Gänsehaut erzeugender Sprachkünstler, der in keine Schublade passt.


Noch relativ konventionell stellt er mimisch dar, was Rotkäppchen im Wald soll, wie es plötzlich krumme Wege mit dem Wolf geht und dabei ihre Unschuld verliert. „Sah ein Knab’ ein Röslein stehn.“ Mit seinem Gesang zur Gitarre entlockte Weiland die mächtig erotische Unterströmung des Volkslieds (und Goethe-Gedichts). „Rotkäppchen, wo bist Du?“ heult der einsam zurückgebliebene Wolf, denn „Rotkäppchen wollte nicht auf der Heide bleiben, keine Heidin sein.“ Sie geht nach Rom, dort tragen die Kardinäle ebenfalls rote Kappen...


Kühne Assoziationen, Wortspiele und Gedankensprünge wechseln mit bös grotesken Sequenzen. Zwei Wölfe wohnen im Wolf, macht der Performer deutlich: Der Blumen pflückende, tierische Verführer im Wald und der grauselige Werwolf, die Mischung aus Mensch und wirklich wildem Wolf. Der frisst, in der französischen Fassung des Märchens (von Charles Perrault) blutrünstig die Großmutter, kippt ihr Blut in eine Schüssel und legt ihre Fleischreste in den Schrank. Diese Überbleibsel kann das hungrige und durstige Rotkäppchen zu sich nehmen. „Nur wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben“, kommentiert der Wolf, aus der Bibel lesend, das Geschehen.


Wie irre trappelt und trappelt Weiland auf der Stelle, keucht „Leistung bringen!“ Er umschlingt und würgt sich selbst und weiß: „Ich bin im Bauch des Werwolfs, um mich herum ein wildes Tier.“ Es ist ein ungeheurer assoziativer Parforceritt, mit dem Weiland sein gebanntes Publikum durch das Märchen treibt. Ohne sein Stück zu überfrachten stellt er mit großartiger Leichtigkeit, doch ohne Klamauk und Mätzchen, gesellschafts- und religionskritische Bezüge her. Der Performer hat eine gute Stimme und spielt hervorragend Gitarre (er hat seine Wurzeln in der progressiven Rock-Musik). Doch ob Pantomime oder Gesang, alle seine darstellerischen Mittel erweitern letztlich Weilands Umgang mit der Sprache.


Am zweiten Abend seiner One-Man-Show beschäftigte er sich mit „Hänsel und Gretel“: Die Kids kommen in ein Schlaraffenland, das sich als Hexenküche entpuppt. Samstagabend (22. Oktober)  nimmt er sich den „Froschkönig“ vor, es gibt noch Restkarten im Grimm-Haus. Dazu schreibt er selbst: „Verdrängung trifft auf Erkenntnis. Augen zu oder Augen auf? Der Glaube an die Herrschaft über die Natur hat Folgen. Doch die Königstochter weiß sich zu helfen. Der Froschkönig wird verwandelt…“


Foto: (c) Hanswerner Kruse

Info: http://www.brueder-grimm-haus.de