Frankfurter Stifterin ist mit 102 Jahren verstorben


Claudia Schulmerich


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am gestrigen Tag haben wir noch mit Verweis auf die rührige Stifterin Dagmar Westberg über die Vorlesung berichtet, die mit ihrem Namen verbunden ist und kurz bemerkt, daß sie in der Vergangenheit vor allem das Städel überaus gefördert hat.


Und dann kommt die Nachricht, daß sie schon am Samstag verstorben ist. Zeitlos erschien einem diese kleine, feine, ganz zierliche Frau, die immer comme il faut gekleidet war, eben ein einem Stil, der kleine Kostüme mit Hut und Schal, Handschuhen und Handtasche beinhaltete, die auch von der Farbgebung her beides schaffte: farbig zu sein ohne Farbe aufzutragen.


Kennengelernt hatten wir sie vor vielen Jahren, als sie als dea ex machina vor allem Vorhaben der Kunsthistoriker am Städel Wirklichkeit werden ließ, die nicht die großen Konzepte von vieltausendfach besuchten Ausstellungen im Blick hatten, für die Finanzierungen vorliegen, sondern, meist veranlaßt von Forschungsvorhaben oder der Möglichkeit, ein fehlendes, so gut ins Œuvre  passendes Werk zu erwerben, dies in Kabinettsausstellungen den Kunstliebhabern mit Hilfe von Dagmar Westberg ermöglichen konnten. Sie war einfach eine wunderbare Mäzenin des Städel.


Als Ermöglicherin hat sie sich dann auch im Universitätsrahmen gezeigt. Und wie! Die letzten Jahre sahen wir sie immer dort und hatten den Eindruck, daß die Wissensvermittlung ihr neuer Schwerpunkt sei. Dazu hat die Universität heute eine Stellungnahme veröffentlicht, die wir unten abdrucken.
Sie war in Frankfurt lange eine Unbekannte und kommt auch nicht von hier. Tatsächlich ist sie am 8. Dezember 1914 in Hamburg geboren und aufgewachsen. Sie studierte in England und hatte beruflich in Berlin dann sofort mit der Amerikanischen Botschaft zu tun und kam 1945 nach Frankfurt, wo sie 20 Jahre lang für das US-Generalkonsulat arbeitete. Wie reich sie war, wußte keiner genau und erst, als sie als Mäzenin auftrat, wurde auch bekannt, woher das ganze Vermögen – es soll sich um 300 Millionen Euro handeln – rührt. Ihr Großonkel und Hamburger Unternehmer war Oskar Troplowitz, der die 1882 gegründete Firma Beiersdorf 1890  in Hamburg aufgekauft hatte. Der Großonkel war ein berühmter Sammler mit eigenem Picasso gewesen, wovon viele Gemälde in der Hamburger Kunsthalle noch heute erzählen.

Die Firma Beiersdorf, dieser überaus florierende Konsumgüterkonzern, hat sogenannte Dachmarken, die jedem Deutschen geläufig sind: Nivea, Tesa, Labello, 8x4, Eucerin, Hansaplast ...Übrigens soll Nivea vom Eigner selbst erfunden worden sein, eine neuartige Hautcreme auf der Basis Wasser-in-Öl, eine Fett- und Feuchtigkeitscreme, die weltweit bekannt ist. Direkter Konkurrent von Beiersdorf ist bis heute die Firma Unilever, die auch die Löschung der Farbmarke Nivea-Blau beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragten, was viele Gerichte beschäftigte, und vom Bundespatentgericht neu aufgerollt werden muß.
Dagmar Westberg selbst hatte mit den Geschäftsdingen nichts zu tun, aber genug damit, das reichliche Geld sinnvoll in Projekte der Kunst, der Bildung und der gesellschaftlichen Teilhabe von denen, die von zu Hause aus nicht genug haben, unterzubringen. In Erinnerung bleiben für das Städel – neben den Kabinettsausstellungen – zwei außer den Rahmen fallende Bilderwerbungen. Zu ihrem 94. Geburtstag – sie schenkte gerne zu ihrem Geburtstag, weil sie sich durch den Erwerb von Kunst selbst beschenkt fühlte – schenkte sie dem Städel 2008 einen altniederländischen dreiteiligen Flügelaltar. Der 'Meister der von Grooteschen Anbetung“ war auf dem Kunstmarkt aufgetaucht, nachdem er längst als verschollen galt und ist ein weiteres Juwel der bedeutenden Sammlung der frühen Niederländer im Städel.

Zum Kaufpreis – man spricht von einem ansehnlichen siebenstelligen Betrag – meinte sie nur, daß das Geld gut angelegt sei und sie selbst jetzt noch etwas davon habe. Sie war nämlich nicht nur im Städel zur Überreichung von Geschenken, sondern erfreute sich in ihren häufigen Besuchen an den Gemälden und auch der Graphischen Sammlung. Man konnte sie immer wieder bei Neuanschaffungen von dritter Seite bei entsprechenden Führungen sehen. Sie liebte die Kunst. Zu ihrem Hundertsten bekam das Städel das Gemälde DER HEILIGE JACOBUS DER ÄLTERE überreicht, gemalt vom spanischen Jusepe de Ribera (1591-1652). Das sind Bilder, die ansonsten auf dem Kunstmarkt überhaupt nicht angeboten werden und die sich vor allem Museen überhaupt nicht leisten können, weshalb auch nichts über den Preis bekannt ist und das ist gut so. Ihre hundertjährige Geburtstagsfeier im Städel richtete ihr der damalige Städeldirektor Max Hollein aus. Beide verstanden sich hervorragend. Und auch für die Graphische Sammlung kam noch ein Goya und ein Munch dazu.
Wie gesagt haben wir sie danach häufiger im IG-Hochhaus der Goethe-Universität, bwz. dessen Casino getroffen, was nicht nur den Niederschlag in der Westberg-Vorlesung fand, sondern eben auch in der Förderung von Studenten, wo es ihr wiederum darum ging, denjenigen, die aus sogenannten bildungsfernen Schichten kommen, Chancen zu eröffnen.


Was vielleicht das Auffälligste an ihr war, war ihre Unauffälligkeit und Bescheidenheit. Über die vielen Ehrungen, die sie aufgrund ihres Mäzenatentums erhielt, wollen wir jetzt nicht sprechen, sondern darüber, wie erfüllt ihr Lebensabend in Frankfurt war. Denn es ist ja auch eine Gnade, wenn man in so hohem Alter noch gehen, hören, sehen und sprechen kann. Von daher ist sie vielen Vorbild.

Foto: Dagmar Westberg und Max Hollein vor dem Geschenk (c) Redaktion