Nüchterne Humanität und Wohltätigkeit ist ihr leitendes Motiv


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die 275-Jahrfeier der Freimaurerloge Zur Einigkeit Frankfurt am Main wurde zur Gelegenheit einer gemeinsam mit der Polytechnischen Gesellschaft und dem Kuratorium Kulturelles Frankfurt veranstalteten Podiumsdiskussion. Polytechnische wie Freimaurer verbindet einiges, wenngleich es auch Trennendes gibt.


Wir wissen, dass kleinliche Geister dem Freimaurertum etwas möglichst Despektierliches, ja Bösartiges anzuhängen versuchen. Kleine Geister adaptieren nur zu gerne Feindbilder und Verschwörungslehren, um dem von ihnen mit zu verantwortenden Übel in der Welt einen Ort und einen griffigen Namen zu verleihen. Immerhin befand sich der olympische Geist Goethes schon in gemeinsamer Gestimmtheit mit Freimaurern.


Teilnehmer in der Loge zur Einigkeit waren ‚der Meister vom Stuhl der Frankfurter Loge, Friedhold Andreas, der Kölner Sozialwissenschaftler und praktizierende Freimaurer Prof. Hans-Hermann Höhmann sowie Prof. Dr. Klaus Ring, ehemals Präsident der Polytechnischen Gesellschaft‘ Frankfurt am Main.


Den Freimaurern eigen ist die Verankerung in der Aufklärung, im praktischen Ethos ‚schlichter Humanität‘ und im Willen zur Befreiung des Menschen aus Abhängigkeit, die sich bis heute mit weltweiter Unmündigkeit und Zurückgebliebenheit verbindet. Unmündigkeit ist keine ‚selbstverschuldete‘, sondern Lebensumständen geschuldet. Die Frankfurter Loge datiert zurück auf die Londoner Loge des Johannistags 24. Juni 1717. Aus dieser Gründung heraus folgte dann die Loge Hamburg (1732), die Loge Braunschweig (1738) und die Loge Lübeck (1772). Im Frühjahr 1742, dem Jahr der ‚hochpolitischen‘ Kaiserkrönung Karls VII., kommt es zur Einsetzung der Loge "Zur Einigkeit" für Frankfurt am Main. Weinhändler, Diplomaten und Geschäftsleute sind Freunde des Logengedankens.


Die Freimauer sehen sich ebenso wie die Polytechnische Gesellschaft nicht als Konkurrenten des Staates und seiner Einrichtungen. Gründungen der Polytechnischen Gesellschaft sind auch schon in städtische Gesellschaften übergegangen. Bei den Freimaurern scheint das Motiv der Wohltätigkeit mehr von der individuellen Natur Einzelner abzuhängen, die im gesellschaftlichen Getriebe einen diesem innewohnenden Mangel wahrnehmen und ihm begegnen möchten. Individualethik ist ihre Antriebskraft. Zentrales Anliegen ist ihnen die Bildung des Menschen, ungeachtet der Herkunft, der Konfession, des Geschlechts.


Die Polytechnische ist öffentlich dauerpräsent


Die Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main trat später auf den Plan. Sie feierte 2016 ihr zweihundertjähriges Jubiläum. Im Stadtleben ist sie zunächst wahrnehmbar mit Ankündigungen zu Vorträgen unterschiedlichster Themenstellungen. Gemeinsam ist Polytechnischer Gesellschaft und Freimaurern die Verbundenheit durch das Movens der Aufklärung. In beiden Assoziationen finden sich vorzugsweise Menschen zusammen, die in gewissem Sinn auf die Aufklärung gewartet haben. Wesentlich ist beiden das Motiv der Wohltätigkeit. Über diese wird in beiden Gesellschaften kein großes Aufhebens gemacht, sie arbeitet im Stillen. Der Einsatz für die Wohltätigkeit ist in beiden Gesellschaften sehr hoch. Ein wenig erscheint es dem Außenstehenden als ob die Freimaurer sich aus Einzelgängern zusammensetzten, die aber vernetzt sind – über ein gemeinsames Band verbunden.


Freimaurer sind nicht über einen Kamm zu scheren, sie sind unterschiedlich; sie leiten sich von drei Ursprungsquellen her: einer mythischen, einer esoterisch-armenischen oder einer gnostisch-christlichen. Mit diesem Rückbezug sind sie von der Polytechnischen Gesellschaft unterschieden. Wesentlich ist den Freimaurern das Rituelle und Symbolische ihrer Herleitung und die daraus hervorgehende Praxis - die „Tempelarbeit“ ist Teil ihres Ritus. Mit dieser Rückbindung ist ein Korrektiv zur Aufklärung verknüpft, die auch leerlaufen, zum Kahlschlag werden kann, wie in der „Dialektik der Aufklärung“ von Adorno und Horkheimer ausgeführt. Professor Dr. Alfred Schmidt, ein Schüler dieser beiden, gehörte der Loge Zur Einigkeit an.


Ethisches Motiv, wohlverstandenes Eigeninteresse eingeschlossen


Zum Programm ethischen Handelns gehört: in die Welt hinaus zu gehen, treu zur Sache und zu den eigenen Brüdern zu stehen - mittlerweile gibt es auch die Initiation von Frauen -, sich aktiv und engagiert in der Welt zu bewegen, sich darum zu kümmern, dass es anderen Leuten so geht, ‚wie ihr es könnt‘, wie ‚es euch möglich ist‘. Ein Freimaurer möchte Brücken bauen und die Gesellschaft zusammenführen, Dialoge befördern, wozu maßgeblich auch das multikulturelle Selbstverständnis gehört. Menschen sind aus einem gemeinsamen Urstoff geschaffen und nur phänotypisch vereinzelt.


Klaus Ring schilderte für die Polytechnische Gesellschaft – und bei dieser Schilderung mag es dann belassen bleiben – das laufende Projekt „Deutschsommer“. Es erfolgt in Zusammenarbeit mit den Grundschulen und geht von jener berüchtigten Entscheidung nach der vierten Klasse aus. Durch diese wird vielen Kindern die Chance auf Bildung verwehrt, einfach mal so, nicht nur Migrantenkindern, sondern auch ‚deutschstämmigen‘.


Im Deutschsommer werden Kinder nominiert, um ihr noch nicht entwickeltes Potential zu heben. Unmündigkeit ist, betont Klaus Ring noch einmal, keine ‚selbstverschuldete‘, sondern Umständen des Umfeldes geschuldet. Die Deutschsommerkurse finden außerhalb Frankfurts, meist in Jugendherbergen, statt. Auf andere, nicht alltägliche Weise werden sie mit ‚dem Deutschsprachlichen‘ vertraut gemacht. Sie lernen, mit diesem und mit ‚den Deutschen‘ umzugehen.


Nachdem sie von findigen Kräften mit Texten vertraut gemacht wurden, können sie das Erworbene bald in eigene Worte und Wortbeiträge übertragen. Gegen Ende der nicht alltäglichen Schule müssen sie anhand der Lektüren ein Theaterstück schaffen und präsentieren, d.h. für die Bühne einproben. Die Eltern werden eingeladen. Aufgrund des Erworbenen ist es ihnen möglich, selbstbewusst die Bühne zu besteigen und aufzutreten. Die vorher fragwürdig gebliebene Sprache ist jetzt überwunden. Schullehrer sagen, sie hätten das kaum für möglich gehalten. Eine Empfehlung für die weiterführende Schule ist nun die Regel. Sie werden auf ihrem Lebensweg weiterverfolgt und begleitet und zu Weihnachten eingeladen.


Zuerst werden die Mütter eingeladen, dann die Väter. Dann wird auch zusammen unterrichtet, im gemeinsamen Lernen. Die Kinder lernen dann weiter noch, wie auch die Eltern mit der Situation umgehen. Alle Unternehmungen gehen auf Kosten der Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft, zumal alle Fahrten. Stellvertretend für die weiteren Angebote und Möglichkeiten wäre schließlich das Diesterweg-Stipendium zu erwähnen, das auf den berühmten Reformpädagogen (1790-1866) zurückverweist, der seiner Zeit weit voraus war.


Es gibt nach dem Deutschsommer kaum noch Kinder, die scheitern. Zu bedenken ist, dass auch Kinder mit ‚rein deutschen‘ Wurzeln nicht selten noch ‚wenig reüssiert‘ sind, wie Klaus Ring betonte.

 

Foto: © Freimaurerloge Zur Einigkeit Frankfurt am Main

Info:
http://www.freimaurerloge-zur-einigkeit-frankfurt.de

http://www.polytechnische.de

Deren Stiftung:

https://www.sptg.de