Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Hessischen Staatsballett

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Ganz im Geiste Shakespeares präsentiert das Hessische Staatsballett mit „Ein Sommernachtstraum“ choreografisch herausforderndes und dennoch unterhaltsames Tanztheater.


Bei den Menschen dürfen Verliebte sich nicht lieben, ein Mädchen soll zwangsverheiratet werden. In der Parallelwelt der Elfen streitet König Oberon mit seiner Frau Titania. Puck, des Herrschers Hofnarr, soll Titania maßregeln und richtet gewaltiges Chaos an. Am Tag nach der rauschhaften Nacht, „in der man den Busch für einen Bären hielt“, sind alle Beteiligten irgendwie verwandelt.


Tim Plegge, Ballettdirektor des fusionierten Balletts Darmstadt/Wiesbaden, hat Shakespeares Erzählung in die Gegenwart verlegt. Die Liebenden sind Teenies, die in ihren Tänzen den ganzen Übermut aber auch die Unsicherheit ihrer Generation zeigen. Da küsst der Junge seine angespannten Muskeln, zeigt stolz seinen Waschbrettbauch, das Mädchen windet sich um seine Beine, an denen er sie cool herabgleiten lässt. Dann fällt er vor seiner Angebeteten auf die Knie.

Den durchaus derben Humor des Dichters hat Plegge behutsam auf das Ballett übertragen, ohne ins Läppische abzugleiten. Seine Elfen sind fremde andersartige Wesen, keineswegs sich anbiedernde Püppchen mit Flügeln. Neben ihren akrobatischen und bizarren Bewegungen vollführt diese Horde wilder Geister mitunter Spitzentänze, die gar nicht antiquiert wirken. Zuweilen fügen sie sich hinter ihre Gebieter Oberon oder Titania zu lebenden Bildern.

Der kraftvoll männliche Elfenkönig (Pablo Girolami) und seine erotisch verträumte Königin (Carolinne de Oliveira) bedienen sich im Pas de Deux mitunter noch klassischer Ballettfiguren. Doch unermüdlich lösen sie deren konventionelle Form mit freien Tänzen wieder auf.


Die Begegnungen der narzisstischen Teenies werden meist von der romantischen Ballettmusik „Ein Sommernachtstraum“ Felix Mendelssohn Bartholdys begleitet. Die Elfen dagegen agieren im eigenartigen Bretter-Bühnenbild (Frank Schlössmann) bei farbigem Licht zu seltsamen Klängen. Für sie spielt das großartige Orchester (Leitung Michael Nündel) Neue Musik von John Adams oder Bernd Alois Zimmermann. Die dient nicht als Vorlage für Tanzschritte, sondern kreiert eigenartige Stimmungen, welche die Handlung unterstreichen.


Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist eins seiner meist gespielten Stücke und wird gerne sehr gefällig auf die Bühne gebracht. Doch durch die Konfrontation der vermeintlich alltäglichen mit der absonderlichen Welt gelingt Plegge mit seinem Ensemble eine außerordentlich spannende Inszenierung. Sie zeigt uns „die bildungsreiche Fantasie, die wahrnimmt / was nie die kühlere Vernunft begreift“ (wie es beim Dichter heißt). Das exzellente, vielschichtige Tanzstück weist nur wenige Schwächen auf, etwa den langweiligen Puck (Masayoshi Katori). Ansonsten macht es sogar Mut zum Träumen und Gewohntes neu zu sehen.

 

Foto: Elfenherrscher Oberon und Titania © Regina Brocke

Info:

Weitere Aufführungen
„Ein Sommernachtstraum“
Darmstadt am 2., 8., 15., 19. und 29. 4., 5. 5. 2017
Wiesbaden am 3. und 7. 6. 2017