erhält den Hölderlinpreis 2017 in Bad Homburg
Felicitias Schubert
Bad Homburg (Weltexpresso) - Die Schriftstellerin Eva Menasse erhält den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (Stiftung Cläre Janssen). Oberbürgermeister Alexander Hetjes wird die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung am Sonntag, 11. Juni, überreichen. Den mit 7.500 Euro dotierten Förderpreis erhält Nele Pollatschek.
Das ist ein Grund zur Freude, denn Eva Menasse aus Wien und in Berlin lebend gehört zu den wachen Menschen, die auf gesellschaftliche Schieflagen mit Worten reagiert, die sie als der Aufklärung verpflichtet ausweisen. Das kann man klarer sagen: sie macht den Mund auf und redet Tacheles. Und das Talent, mit Worten Situationen und Menschen zu beschreiben, hat sie auch noch. Unvergessen, wie sie ebenfalls in Bad Homburg und ebenfalls zum Hölderlinpreis, im Jahr 2010 die Laudatio auf Georg Kreisler hielt.
Diesmal ist es die Jury-Vorsitzende Sandra Kegel (F.A.Z.), die die Laudatio auf Eva Menasse vorträgt. Benno Führmann liest einen Text der Preisträgerin. Zur Förderpreisträgerin spricht Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk). Das ist nämlich das Besondere am Hölderlinpreis. Er zeichnet nicht nur Arrivierte aus, sondern vergibt auch an junge Autoren Förderpreise, die Auftritte einschließen, und so innerhalb einer großen Zahl von jungen Schriftstellern und Schriftstellerinnen für die Ausgewählten für Aufmerksamkeit sorgen.
Die Matinee anlässlich der Preisverleihung findet in der Schlosskirche statt, Beginn ist um 11:00 Uhr. Und nun kommt die Jury zu Wort.
Wortgewaltig und zart
Die Jury begründete ihre Entscheidung für Eva Menasse wie folgt: „Eva Menasses literarisches Œuvre umfasst ganz unterschiedliche erzählerische Formen. Mit jedem Werk setzt sie neu an. Dem hinreißenden Debüt, einem Roman über eine jüdische Familie im Wien des letzten Jahrhunderts, lapidar mit ‚Vienna‘ überschrieben, folgen streng komponierte Erzählbände und ein Roman, der unter dem Titel ‚Quasikristalle‘ chemische Strukturen in multiperspektivisches Erzählen übersetzt. Eva Menasse schreibt eine unverwechselbare Prosa, die wortgewaltige und zarte Töne, Komisches und Melancholisches, einen forschenden Blick und Empathie mit ihren Figuren verbindet. Ihre Themen von der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die aktuelle Gegenwart mit den Patchworkfamilien, der Reproduktionsmedizin oder der Digitalisierung führt sie unaufdringlich zu den Fragen, was wir sind und was wir wirklich über uns wissen.“
Eva Menasse stammt aus Wien, wo sie Germanistik und Geschichte studierte. Sie arbeitete zunächst als Journalistin für die österreichische Zeitung Profil und später für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für diese begleitete sie den Prozess um David Irving, den sie in ihrem Buch „Der Holocaust vor Gericht. Der Prozess um David Irving" aufarbeitete. Dieses Buch gewinnt anläßlich der gerade angelaufenen Verfilmung VERLEUGNUNG aktuelle Bedeutung. Mit „Vienna“ erschien 2005 Menasses erster Roman. Mit dem 432 Seiten starken Erinnerungsbuch um eine Wiener Familie mit jüdischen Wurzeln gelang ihr ein fulminantes und von den Feuilletons hoch gelobtes Debut. Es folgten der Roman „Lässliche Todsünden“ (2009) und „Wien. Küss die Hand, Moderne“ (2011), mit dem sie Eigenheiten der Sprache ihrer Geburtsstadt aufgriff. Viel Lob bei der Kritik erhielt ihr 2013 erschienenes Buch „Quasikristalle“. Das jüngste Werk ist das 2017 erschienene „Tiere für Fortgeschrittene“. Eva Menasse lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Altehrwürdige Frage, originelle Antwort
Die Jury begründete ihre Entscheidung für den Förderpreis wie folgt: „Mit ihrem Debüt ‚Das Unglück anderer Leute‘ hat Nele Pollatschek einen Anti-Familienroman verfasst, der das Verhältnis von unentrinnbaren Verwandtschaftsbeziehungen und individuellem Schicksal ebenso unterhaltsam wie intellektuell reizvoll auslotet. Mit frechem Witz, erfrischender Unbefangenheit und rasanten Dialogen ist ihr eine ausgesprochen originelle erzählerische Antwort auf die altehrwürdige philosophische Frage nach der Möglichkeit von Freiheit in einer vielfach vorherbestimmten Welt gelungen. Nele Pollatschek hat einen Roman geschrieben, der mindestens so viel Spaß macht, wie er zu denken gibt.“
Friedrich-Hölderlin-Preis
Der Jury gehören an: die Vorsitzende Sandra Kegel (F.A.Z.), Oberbürgermeister Alexander Hetjes (Stadt Bad Homburg), Prof. Dr. Gerhard Kurz (Freies Deutsches Hochstift), Prof. Dr. Sabine Doering (Hölderlin-Gesellschaft), Prof. Dr. Heinz Drügh (Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Neuere Deutsche Literatur), Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk) und Christoph Peters als Vorjahrespreisträger.
Foto: Eva Menasse | © juergen-bauer.com
Info: Verleihung am 11. Juni in Bad Homburg