Serie: OTTO  DER GROSSE und das Römische Reich – Kaisertum von der Antike zum Mittelalter in Magdeburg, Teil 1/2

 

Claudia Schulmerich

 

Magdeburg (Weltexpresso) – Das ist nun schon das dritte Mal, daß wir Otto, des Ersten wegen in das inzwischen offiziell Ottostadt genannte Magdeburg fahren. Ja, auch dazwischen, zu den anderen wunderbaren Ausstellungen des Kulturhistorischen Museums, von denen uns insbesondere die über die GOTIK unvergeßlich ist. Dieses Jahr darf Otto der Große sein 1050stes Thronjubiläum feiern und seinen 1100sten Geburtstag und das ist allemal Anlaß für eine Ausstellung.

 

Daß sie so gewaltig ausgefallen ist und mit einem Schlag die gesamte Kaiseridee eine Rolle spielt und von Augustus hergeleitet, auch in Wort und Bild gezeigt wird, ist eine große Herausforderung, über die noch zu reden sein wird. Erst einmal das Wichtigste an der Ausstellung: es gibt eine solche Fülle von Kunstgegenständen zu sehen und zu bewundern – wie stolz ist man, hat man welche schon, auch schon in früheren Ausstellungen hier gesehen und erkennt sie wieder -, es gibt also so viel an Schönem und auch Interessantem, daß sich der Weg nach Magdeburg lohnt. Auf jeden Fall der kaiserlichen Pracht und ihrem Ausfluß in Kunstgegenständen wegen. Was die Konzeption einer direkten Konfrontation des Geschlechts der Liudolfinger, die nach der Kaiserkrönung Ottonen genannt werden, mit dem Römischen Reich und dann noch einer folgerichtig kontinuierlichen Entwicklung des Kaisertums von der Antike zum Mittelalter angeht, so sind wir vorsichtiger als die Ausstellungsmacher.

 

Überzeugend ist für den Besucher die durch kostbare Exponate drapierte Herleitung allemal, die von sich sagt: „‘Otto der Große und das Römische Reich‘ zeichnet erstmals die Entwicklung des europäischen Kaisertums im ersten Jahrtausend nach: Von den Anfängen unter Kaiser Augustus über Konstantin den Großen, Karl den Großen und Byzanz bis hin zu den Herrschern der Ottonen. In einem spannenden Rundgang durch ein Jahrtausend europäischer Kaisergeschichte dokumentiert die Ausstellung von Rom ausgehend Beginn, Kontinuität und Wandel der römischen Kaiseridee über verschiedene Epochen hinweg.“

 

Diese Idee wird konkretisiert in fünf Einheiten, die mit der kaiserlichen Herrschaft von Augustus beginnt, dann insbesondere Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert zeigt, der das Kaiserreich zum Christentum öffnete, was sich vorwiegend in Byzanz abspielte, dem Ostrom, was nach dem Zerfall des Weströmischen Reiches, hier 476 n.Chr. auch auf Byzanz beschränkt blieb. Über 300 Jahre später knüpfte der Franke Karl der Große mit seiner Krönung in Rom im Jahr 800 bewußt an das weströmische Kaisertum an, was Otto der Große erneuerte und fortsetzte. Er empfing im römischen Petersdom aus der Hand des Papstes die Kaiserkrone des später Heiliges Römisches Reich genannten Imperiums, das noch später zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurde und am 6. August 1806 vom amtierenden Kaiser, dem Habsburger Franz II. aus Angst vor Napoleon, der es als französisches Reich fortsetzen wollte, für beendet erklärt wurde.

 

Tatsächlich sprechen die Quellen erstmalig 1157 vom SACRUM IMPERIUM und 1254 vom SACRUM ROMANUM IMPERIUM, zu dem im 15. Jahrhundert der Zusatz NATIONES GERMANICAE hinzutrat. Das war ein Reich, das Mittel- und Südeuropa umfaßte. Sein Ende übrigens wurde durchaus durch einen Bruderzwist herbeigeführt. Analog dem Grillparzerschen   „in Habsburg“ könnte man ihn einen Bruderzwist „in deutschen Landen“ nennen, denn die 16 Reichsstände, die sich zum Rheinbund zusammengeschlossen hatten, hatten das mit ihrem Austritt aus dem immerhin tausendjährigem Reich eingeläutet. Damit kommen wir weit ab von dieser Ausstellung und sind doch ganz dabei. Denn wir setzen das fort, was die Ausstellung beginnt. Die Geschichte von hinten her aufzuzäumen, will sagen: wir erleben in Magdeburg eine europäische Geschichte des Kaisertums, wie sie von heute her als Konsequenz sehr logisch erscheint, deren wirkliche Grundlagen, warum Karl der Große nach Rom zog, warum Otto der Große sich in Rom krönen ließ, aber nicht mehr als Behauptungen sind.

 

Die Rolle des Papstes, die der christlichen Kirche, die des Vatikanstaats, gehört ja zu den Kaiserkrönungen genauso dazu, wie die Berufung auf Augustus. Es stimmt, daß als in prachtvoller Zeremonie am 2. Februar 962 Otto der Große und seine Gemahlin Adelheid im Petersdom von Papst Johannes XII. die Kaiserkrone empfingen, Otto in seinem Siegel die Bezeichnung OTTO IMP(erator) AUG (ustus) führte, also den Kaisertitel auch auf Augustus zurückführte. Aber dieser setzte sich einen Lorbeerkranz auf und ward gekrönt. Der deutsche Kaiser brauchte dazu den Papst.

 

Was wir in der Ausstellung vermissen, ist diese Verflechtung mit der Katholischen Kirche, die uns hier eher additiv vorkommt. Noch eine Abteilung, die auf dem Wege der Kaiser eine Rolle spielt. Warum aber die Anbindung an das doch nicht mehr vorhandene Römische Reich so wichtig war, lag nicht nur am Papst in Rom, der sozusagen den Stuhl Christi im Sitz des untergegangenen Reiches besetzte und damit auch den potentiellen Kaiserstuhl warmhielt. Seit wann spielte eigentlich die Vier-Reiche-Lehre eine Rolle? Sie basiert auf der Bibel, auf dem 2. und 7. Kapitel des Buches Daniel, in dem dieser einen Traum des babylonischen Königs Nebukadnezar deutet, der in den Interpretationen – auch denen des Mittelalters – gedeutet wurde, daß nach vier Reichen Schluß auf Erden ist, daß dann das Gottesgericht und die potentielle Wiederauferstehung kommen.

 

Vier Reiche also. Das erste Reich wurde als das der Babylonier angesehen, dem das Perserreich folgt, abgelöst vom griechischen Alexanderreich und als viertem, dem Römischen Reich. Da nach diesem der Untergang der Welt folgt, hatten die auf der Erde lebenden Christen durchaus Interesse, die Welt noch länger zu bevölkern. Deshalb war es wichtig, das Römische Reich weiterleben zu lassen. In Ostrom, in Byzanz, war das im Mittelalter gegeben. Aber wer im Westen Herrschaft anstrebte, mußte also auf eine translatio imperii Wert legen, die als mittelalterliche Theorie die Fortführung der römischen Herrschaft bis 1806 sicherte.

 

Wir sind weit abgekommen und doch ganz dabei. Denn weder von der Vier-Reiche-Lehre noch der translatio imperii lasen wir in der Ausstellung nur ein Wort. Das geht nicht, wenn tausend Jahre Kaisertum vorgeführt werden sollen, was hinreißend gelungen ist, wenn man die Anschauungsobjekte betrachtet. Denen wollen wir uns jetzt auch zuwenden und es dabei bewenden lassen, daß eine historische Ausstellung schwerlich von heute her und dem konkreten Verlauf der Geschichte die Maßstäbe ansetzen kann, die vor tausend Jahren gültig gewesen sein sollen. Fortsetzung folgt.

 

Bis 9. Dezember 2012

www.otto2012.de

 

Katalog:

OTTO der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter, hrsg. von Matthias Puhle und Gabriele Köster, Verlag Schnell+Steiner 2012. Der Dichter schrieb „Hier lieg ich von der Lieb erschlagen“, dem Liebhaber der Geschichte und der schönen Künste bleibt nur: „Hier lieg ich von den Katalogen erschlagen“, denn 744 Seiten der eine, 425 der andere, das hat etwas von Ewigkeit. Schließlich ist es auch so, hat man den Ausstellungskatalog erst einmal zu studieren angefangen, man ja auch keine Seite, kein beschriebenes und fotografiertes Exponat und auch kein Essay hergeben mag. Ja, es ist noch schlimmer. Wir vermissen etwas. Das ging uns auch in der Ausstellung so. Welche Rolle auch immer die Vier-Reiche-Lehre der Bibel für die mittelalterlichen Kaiseridee wirklich spielten, sie gab es. Welche Rolle auch immer die translatio imperii für die Wirklichkeit des Kaiserseins bedeutete, sie gab es, wie ja auch Stefan Weinfurter mit „Renovatio imperii“ auf die Fortsetzung bei Otto III. eingeht.

Die Essays haben wir noch nicht gründlich gelesen, zuerst ist für das Schreiben über die Ausstellung eine Vertiefung in die Exponate nötig und die wird hier im Katalog exzellent geboten.

Vorausband:

Kaisertum im ersten Jahrtausend, hrsg. von Hartmut Leppin, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Wissenschaftlicher Begleitband zur Landesausstellung „Otto der Große“, Verlag Schnell+Steiner 2012. Wer sich über die Ausstellung hinaus auch mit den wissenschaftlichen Thesen und damit auch mit deren Veränderungen beschäftigen will, sollte diese Zusammenfassung in verschiedenen Essays einer wissenschaftlichen Tagung zum Komplex OTTO studieren. Dabei spielen nicht nur die europäischen Herleitungen vom Römischen Kaiserrecht, dem byzantinischen sowieso oder auch dem Weltreich der Perser als Kontrast eine Rolle, sondern selbst das Chinesische Kaisertum wird beleuchtet. Hartmut Leppin untersucht „Kaisertum und Christentum in der Spätantike“ und Stephan Freund „Traditionslinien des Kaisertums von der Antike zum Mittelalter. Eine Rolle spielen auch Kaiser Karl und dann natürlich Otto Imperator.

 

INFO:

 

Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Hotel Magdeburg

 

Zentraler kann man kaum liegen, als das MARITIM Magdeburg, das vom Bahnhof aus in eine paar Minuten zu Fuß (200 Meter!) genauso günstig zu erreichen ist – ja, mit dem Taxi geht es auch – wie vom Theater aus, von der Oper, vom Dom, dem Magdeburger Museum mit den sensationellen Ausstellungen, das den interessanten und zutreffenden Titel Kulturhistorisches Museum Magdeburg trägt und weshalb wir diesmal in Magdeburg waren.

 

Das 1995 erbaute Haus gehört in die Tradition der Hotels, die einen weiten überdachten Innenhof besitzen, um den herum sich im Inneren die Zimmer gruppieren, über Gänge erschlossen und von gläsernen Fahrstühlen bedient. Man hat unten im gewaltigen Foyer einfach das Gefühl von Großzügigkeit und gleichzeitig von Behaglichkeit. Den Raum braucht man auch, denn das Hotel ist nicht nur für die Reisenden ein guter Treffpunkt, sondern spielt für Magdeburg eine große Rolle. Das gilt auch für die Restaurants und den großen Festsaal sowie die vorzüglichen Badeanlagen.

 

Die Größe mit 514 Zimmern – davon 495 Doppelzimmer, 13 Suiten, 6 Einzelzimmer – wird gebraucht, da das Hotel auch für Tagungen sehr gut geeignet ist. Es sagt von sich selbst zu seiner Lage: „Mitten in der Altstadt, umgeben vom Dom St. Mauritius, dem barocken Rathaus und den Gründerzeitbauten von Sachsen-Anhalt unweit des Landtags liegt das Maritim Hotel Magdeburg.“

 

www.maritim.de