Serie: Viele Jubiläumsausstellungen: 150 Jahre Gustav Klimt in Wien, Teil 8
Claudia Schulmerich
Wien (Weltexpresso) – Tatsächlich! Wir hatten uns schon gewundert, wo im Reigen der derzeitigen Klimtausstellungen in Wien die Zeichnungen der Albertina bleiben, dieser wunderbaren graphischen Sammlung. Aber mit Klaus Albrecht Schröder an der Spitze ist die Albertina immer etwas schneller und so ist die Ausstellung GUSTAV KLIMT.DIE ZEICHNUNGEN schon am 10. Juni abgelaufen, aber der gleichnamige Katalog aus dem Hirmer Verlag kann uns entschädigen.
Dort sind, das sehen wir gleich, auch die gleichen Einteilungen wie in der Ausstellung vorgenommen worden. Gustav Klimt wird chronologisch und also in seiner künstlerischen Entwicklung vorgestellt. Nach dem HISTORISMUS UND FRÜHER SYMBOLISMUS, 1882-1892, kommt AUFBRAUCH ZUR 'MODERNE' UND SECESSION, 1895-1903, es folgt DER GOLDENE STIL, 1903-1908, und die SPÄTEN JAHRE, 1910-1918, die also nicht als EXPRESSIONISTISCHE PHASE gekennzeichnet sind. Dazu gleich mehr.
Denn zuerst einmal ist zu vermelden, daß es Gründe gab, die Klimt-Ausstellung früh anzusetzen, denn sie zog leicht reduziert ins Getty-Museum, Los Angeles weiter, wo Klimt zum ersten Mal in den USA in einer Einzelausstellung gewürdigt – wurde, muß man sagen, denn auch diese ist am 23. September zu Ende gegangen, was den Blättern, die das Licht aus guten Gründen scheuen müssen, nur gut tut. In der Albertina wurden 160 Zeichnungen gezeigt; von den insgesamt 170 Werken aus dem Sammlungsbestand wurden 130 ausgewählt und mit 30 internationalen Leihgaben aufgehübscht, zum Beispiel mit zwei hinreißenden Rückenakten, einer Studie für das Gemälde GOLDFISCHE von 1901, aus dem Getty-Museum. Aha.
Oder auch dieser „Auf dem Bauch liegende Halbakt“, 1910, eine ängstlich-lustvoll-herausfordernde, stark geschminkte Frau, eigentlich Bleistift, aber mit rotem (Mund!) und blauem (gekringeltes Haar) Farbstift akzentuiert, die so in die eigenen Arme geschmiegt, und in sich - dramatisch fließenden - bauschenden Spitzentüll gehüllt, ihren 'kleinen weißen Hintern zeigt', hätte Anna I aus Brecht/Weills 7 Todsünden gesagt, „mehr wert als eine kleine Fabrik“. Dabei wird das Gesäß von dem wogenden Stoff eingebettet, liegt aber so erhöht, als ob ein Kissen unter ihrer Scham den nackten Hintern nach oben drückt, uns direkt vor Augen. Eigenartig auch die Körperlage: Wir schauen von der unteren rechten Seite auf den nackten Hintern, ihr durch den Stoff nicht sichtbarer Körper muß aber gedreht sein, denn ihr Kopf wendet sich uns zu und sie liegt auf ihrer linken Schulter. Konstruiert, aber höchst kunstvoll. Ein tolles Bild, das E.W. Bern gehört.
Aber wir müssen noch einmal zur Albertina zurück, die für jeden Wiener eine Institution ist und in den letzten Jahrzehnten zum renommierten Ausstellungshaus wurden, obwohl der Bestand ursprünglich nur aus graphischen Material bestand: 65 000 Zeichnungen und über eine Million Druckgraphik. Mit dieser Sammlung hatte Herzog Albert von Sachsen-Teschen gest. 1828 begonnen, der als Schwiegersohn der Maria-Theresia sein Palais – heute so mitten in der Stadt, hinter der Oper an den Volkspark angrenzend – schon zu einem Kunsttempel umbaute, in den jeder hineindurfte, „der Schuhe besaß“, was für damals ein halbdemokratisches Verfahren war, denn ansonsten war Kunst nur der Oberen Gesellschaft zugängig, Schuhe aber wiederum hatte nicht jeder. Sein Besitz geriet dann 1919, als Österreich Republik geworden war, durch Enteignung des Habsburger Besitzes in die öffentliche Hand. Und blieb. Da sei nur gesagt, weil ja seit damals die Namensbezeichnung 'von', erst recht weitere adlige Benennung, verboten sind. Eigentlich.
Katalog:
Gustav Klimt. Die Zeichnungen, hrsg. Von der Albertina Wien, mit einem Vorwort von Klaus Albrecht Schröder und James Cuno, auf Deutsch und Englisch, Hirmer Verlag 2012