Serie: Viele Jubiläumsausstellungen: 150 Jahre Gustav Klimt in Wien, Teil 9

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Für Auswärtige, gerade für Deutsche ist der Zusammenhang wichtig, weil das Albertinum in Dresden zwar auch einen Albert als Ahnherr hat, aber das war der Albrecht von Sachsen, Ende des 19. Jahrhunderts. Zurück zu GUSTAV KLIMT. DIE ZEICHNUNGEN, jetzt nur noch als Katalog aus dem Hirmer Verlag.



Dies war seit 50 Jahren die erste Einzelausstellungen von Klimts Zeichnungen, was verwundert, denn die ehemalige Albertina-Vizedirektorin und letztes Jahr verstorbene Alice Strobl hatte das in den 80er Jahren veröffentlichte vierbändige Werkverzeichnis mit rund 4000 Zeichnungen erstellt und die Albertina blieb immer erste Adresse in der Klimt-Forschung. Eine Pioniertat, von der heute alle zehren. Für die Massen bekannt ist Gustav Klimt eher wegen seiner originellen, meist goldgrundigen Ölgemälde, vorrangig DER KUSS oder DER BEETHOVENFRIES und die FRAUENPORTRÄTS, in der Kunstgeschichte allerdings wird er vor allem als brillanter Zeichner gewürdigt. Er zeichnete jeden Tag, das war sozusagen Alltagswerk, damit die Hand die Sicherheit im Strich – am liebsten in roter, schwarzer oder weißer Kreide, Bleistift, Feder und Tusche – behielt und auch, weil jedem Körper eben doch eine andere Linie, ein anderer Ausdruck innewohnt, den genau wiederzugeben, Klimt antrieb.



Die meisten Zeichnungen sind als Vorübungen zu Ölgemälden entstanden. Aber es gibt auch die autonome Zeichnung, in der er vor allem dem nackten Körper – überwiegend Frauen, seltener Männer, auch Kinder – huldigt, sehr gerne in erotischen Studien, zumindest Haltungen der Frauen, die man beim Anschauen sofort weiterspinnt, denn diese Haltungen sind kein Endpunkt, sondern ein Fließen in eine andere Form. Grundsätzlich muß man an dieser Stelle auch Auguste Rodin erwähnen, ja den französischen Bildhauer, von dem viel zu wenig bekannt ist, welche wunderbaren Zeichnungen er fertigte, hingewehte Frauenleiber, erotisch konnotiert, absolutes Vorbild auch für die drei Wiener: Klimt, Kokoschka und Schiele, die mit Rodin, der mehrfach Wien besuchte, in Kontakt standen.



Der Katalog geht mit Klimts Zeichnungen sehr respektvoll um und bildet sie alle (!) ganzseitig ab. Wenn man die auftretende Irritation sinnvoll nutzt, dann versteht man sofort das „System“, will sagen, alle Zeichnungen stehen für sich, werden durch keine Titel ästhetisch beeinträchtigt. Neben den fortlaufenden Seitenzahlen am äußeren Rand, sind innen die Nummern 1-170 zu sehen. Den meist in mehrseitigen Blöcken abgedruckten ganzseitigen Zeichnungen gehen auf eigenen Seiten voran – oder folgen ihnen – fettgedruckte Titel mit Jahresangabe, nummeriert nach den inneren Angaben, die auch den Kontext des Blattes, zum Beispiel „Früheste Studie für Medizin“ enthält. Darunter die Technik, die Größe des Blattes und auch die Provenienz, die hier fast immer ALBERTINA, WIEN lautet, die Inventarnummer aufweist und den Beleg bei Strobl. So steht beispielsweise auf der Seite 233 als Ziffer 130 : „Sitzender Rückenakt, 1911/12. Studie für Die Jungfrau, Bleistift, 56,5 x 36,8 cm, Albertina, Wien, Inv. 23532, Strobl III, 2201“. Auf Seite 236 mit der Blattnummerierung 130 am inneren Rand, sehen Sie dann die Zeichnung.



Das ist so sinnvoll, wie ergiebig und uns ging es so, daß wir nachdem wir 'ordentlich' alle vier Kapitel einzeln in Wort und Bild studiert hatten – und uns ausdrücklich sehr einverstanden erklären, die vierte Phase „Die späten Jahre“ zu betiteln und nicht mit 'expressionistisch' zu schwadronieren- , dann dennoch einfach herumblätterten und immer wieder an einzelnen Blättern hängen blieben, die wir uns erst selbst erklärten, uns eben auch fragten, ob wir sie aus Gemälden kennen, und erst dann uns mit Hilfe der Nummer schlau machten und gegebenenfalls auch etwas zur Erklärung und kunstgeschichtlichen Einordnung nachlasen. Beim Blättern passiert Ihnen dann Zweierlei. Auf der einen Seite sehen Sie sofort, aus welcher seiner Phasen dieses Blatt stammt, aber dann gibt es durchgängig bei den nackten Frauen auch eine so eigene Klimt- Handschrift, die nicht nach Jahreszahlen zählt, sondern dem Charakter von erotischen Frauendarstellungen von Rodin bis zum Wiener Dreigespann anheimfällt, von denen Klimt als der Ältere, auch der Erste war.



Gar nicht schlecht, wenn eine Ausstellung schon vorbei ist. Um so mehr nimmt man sich dann den Katalog vor. Gerade dieser Klimtband, mit den so gut aufbereiteten Zeichnungen, lohnt ein Leben lang.



Katalog:

Gustav Klimt. Die Zeichnungen, hrsg. Von der Albertina Wien, mit einem Vorwort von Klaus Albrecht Schröder und James Cuno, auf Deutsch und Englisch, Hirmer Verlag 2012