hwk inkEin Besuch im Atelier der Künstlerin INK

Hanswerner Kruse

Jossgrund (Weltexpresso) - Zunächst wirken INKs Bilder für manche Betrachter bloß fotorealistisch. Doch trotz der brillanten Technik will die Künstlerin mehr zeigen, als nur die von ihr, scheinbar präzise gezeichnete Wirklichkeit.

Die hölzerne Puppe im Atelierfenster signalisiert den Dorfbewohnern, kommt einfach rein und schaut mir bei der Arbeit zu. „Davon machen die auch Gebrauch, viele von ihnen habe ich schon gezeichnet“ erzählt INK, eigentlich Ingrid Sonntag-Ramirez Ponce (51). Sie ist künstlerisch europaweit unterwegs und dennoch tief in der Region verwurzelt Gerade beteiligt sie sich an einer Wanderausstellung in Steinau, Birstein und Gelnhausen zum Maler Ludwig Emil Grimm. „Ich möchte der Achtung, die mir hier entgegengebracht wird, auch gerecht werden“, meint sie.

Schon immer zeichnete sie gerne, im Unterricht bekritzelte sie kunstvoll die Ränder ihrer Hefte. Darum wurde sie einst zu INK, das stand für Ingrid und Ink (Tinte). Jedoch Künstlerin wurde sie nach der Schule noch nicht, sondern sie absolvierte eine solide Ausbildung in einer Frankfurter Bank, zeichnete und malte aber weiterhin ständig in ihrer Freizeit. „Neben der Arbeit probierte ich zwanzig Jahre lang alles aus “, meint sie, „Ich machte Material-, Pflanzen- und Tierstudien sowie zu Menschen, Stillleben und Porträts und schuf jährlich fünf bis sechs Bilder.“

Zum 40. Geburtstag schenkte ihr Mann der unermüdlichen Künstlerin eine Audienz bei einer namhaften Frankfurter Galeristin, der sie ihre Arbeiten für fünf Minuten zeigen durfte. Sie bekam bis dahin zwar viel Lob in ihrem privaten Umfeld, doch erst die professionelle Resonanz, veränderte ihr Leben. Nach dem zweistündigen (!) Gespräch mit der Galeristin meinte ihr Mann, „Jetzt weißt Du ja, was Du tun musst.“ Ja, für sie war klar, nach der Elternzeit, in der sie zwei Kinder bekam, nicht mehr in die Bank zurückzukehren.

Sehr schnell erhielt sie 2008 die erste internationale Auszeichnung, 2009, drei Jahre nach ihrem beruflichen Ausstieg, den Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises. Weitere folgten. Sie lebt mittlerweile gut von ihrer Kunst, die Hälfte des Jahres arbeitet sie an Porträts, Buchillustrationen und anderen Aufträgen, in der übrigen Zeit widmet sie sich Themen, ohne pekuniäre Absichten. Doch auch ihre Auftragsarbeiten gestaltet sie frei und individuell, ihre Porträts (übrigens mit fünf Jahren Wartezeit) sind mehr als präzise Abbilder: „Ich beschönige nichts, ich mache kein facelifting. Ich zeichne gelebtes Leben und schaffe damit ein einmaliges Individuum.“

In langen Gesprächen vor und während des Zeichnens kommt sie den Menschen sehr nahe. „Ich muss sie ja auch sehr genau ansehen, die Härchen auf den Ohren oder die Lachfältchen um die Augen.“ Ganz offensichtlich trifft sie das Innere der Menschen in ihren Werken. Fassungslos saß ein einfacher Dorfbewohner lange vor seinem fertigen Bild und meinte: „Du hast mich erkannt!“ Eine Mutter war tief berührt beim Anblick des Bildes ihrer Tochter: „Sie haben ja ihre Seele gezeichnet.“

„Für solche Momente arbeite ich“, bekennt die Künstlerin, „ich kann die Menschen nicht so mit Worten beschreiben, wie ich sie darstelle. Ich zeichne sie und dann weiß ich, wie sie sind.“ Sie entwickelte 1.700 Varianten den Bleistift zu nutzen, doch diese ausgefeilte Technik ist für sie kein Selbstzweck: „Das wäre mir zu langweilig“, meint sie. Gelegentlich malt sie auch mit Acryl sehr präzise Farbbilder. Einerseits lernt sie unermüdlich weiter ihr Handwerk, um die Menschen als Individuen zu zeigen und dabei hinter die sozialen Masken zu schauen. Andererseits sollen die Betrachter sehr nahe an die Bilder herangehen und durch das genaue Ansehen der Details zur Langsamkeit gezwungen werden: „So kann ich zur Entschleunigung der Welt beitragen.“

Foto: © privat

Info:

Am Sonntag den 27. August wird INK ab 18 Uhr über ihre Arbeit und ihre spanischen Wurzeln berichten. Sie wird auch von ihrem sozialen Engagement erzählen, denn „ich will was zurückgeben, weil mir das Leben diese späte Karriere ermöglicht.“

Veranstaltungsort Bergrestaurant in Hutten am Heiligenborn.


INKS Arbeitsweise

Sie verwendet eine Vielzahl von Bleistiften mit diversen Härten und nutzt einen Spezialspitzer, durch den sie bestimmte Winkel herstellen kann. Mit besonderem Schleifpapier bearbeitet sie die Spitze des Stiftes nach. Zum Zeichnen verwendet INK dickeres Spezialpapier mit glatter Oberfläche. Wenn sie dann loslegt, malt sie mit kleinen Bewegungen winzige Kreise, die später wie eine homogene Fläche wirken. Beispielsweise trägt sie so bis zu zehn Schichten übereinander auf, um männliche Haut gleichsam haptisch darzustellen. Manchmal arbeitet sie mehrere Stunden ohne den Bleistift abzulegen. Dabei arbeitet sie sehr fest in das Papier hinein, Radieren oder sonstiges Korrigieren ist nicht möglich.