Das Haus der Kunst in München gilt es mit vielen Ausstellungen national

zu beachten, Teil 3/3

 

Felicitas Schubert und Gerhard Wiedemann

 

München (Weltexpresso) – Gekommen waren wir der Ausstellung zum 75 Jahre Jubiläums des Hauses der Kunst wegen, aber natürlich läßt man die anderen Ausstellungen nicht links liegen. Auch nicht rechts. Hier geht es nun um eine interessante und folgenreiche Fotoausstellung, die das Politische auch politisch macht im Weiteren auch um Werke aus der Sammlung Goetz.

 

Die BILD-GEGEN-BILD Ausstellung beginnt mit kommentierten Bilderstrecken, die die zeithistorische Entwicklungen nachvollziehen, wo jeweils welche politischen Konflikte auf unserer Erde stattfanden, die die Weltöffentlichkeit tangieren. Die Auswahl der Ereignisse beruht auf den Daten des seit 1992 jährlich erscheinenden Konfliktbarometers des Heidelberger Instituts für Konfliktforschung. „Konflikte werden dann als Kriege eingestuft, wenn von den Akteuren kontinuierlich und systematisch Gewalt angewendet wird. Entscheidend bei dieser Einschätzung sind das Ausmaß der Zerstörung und die Gesamtzahl der Todesopfer und Flüchtlinge in einem Jahr.“

 

Die Ausstellung umfaßt also den Zeitraum von 20 Jahren. Das war damals der Irak-Krieg 1991 und aus unserem kulturellen Gedächtnis ragt der 11. September 2001 sowieso als Spitze empor, aber auch der Zweite Irakkrieg von 2003 ist gegenwärtig und jüngst die Ereignisse des Arabischen Frühlings 2011 und das Ende von Gaddafi. Es ist aber nicht das Ziel, das Kriegsgeschehen über die Fotos zu transportieren, sondern die Ausstellung will künstlerische Positionen vorstellen, die sich kritisch mit der Darstellung von gewalttätigen Konflikten in den Medien befassen.

 

Der geheime Lehrplan der Ausstellung ist noch ein anderer. Wir werden täglich,stündlich und sogar sekündlich mit einer Flut von Bildern überschwemmt. Dabei haben wir längst eine Art Bildergalerie im Kopf, wo wir neue Bilder auf der Leiste von gesehenen einordnen. Für einen Kunsthistoriker heißt das, in welche Bildtradition sich ein neues Bild einordnen läßt und ob es Bezüge zu anderen Bildern erkennen läßt. Beim Titel der Ausstellung geht es auch um die Konkurrenz von Bildern, die im Fernsehen erst recht stattfindet, weshalb sich ein Bild gegen ein anderes zur Wehr setzt oder ein Bild das andere Bild in Größe, Farbe, Erotik oder Gewalt oder sonstigen Inhalten übertreffen will. Bild gegen Bild also.

 

Die Ausstellung, die Videoaufnahmen einschließt, ist so umfangreich, daß wir uns jetzt auf Hans-Peter Feldmann beschränken. Der hat eine hochinteressante Sammlung ausgestellt, die allein von uns mehrere Stunden besichtigt wurde, denn sie provoziert Redebedarf, weshalb diese Ausstellung besonders gut in Begleitung besucht werden sollte. Zuvor war geklärt worden, daß die Bilder selbstverständlich die Deutungshoheit über das Geschehen vermitteln. Es geht in unserer Bilder- und Fernsehwelt darum, wer die Bilder auswählen und damit die Inhalte besetzen darf. Wie sehr die eigene Schere im Kopf dabei das Geschäft der anderen auch bei denen betreibt, die glauben, kritisch mit Bildern umzugehen, zeigen die Zeitungsausschnitte mitsamt den Bilder zum Zweiten Golfkrieg.

 

Abgesehen davon, daß alle der Kriegsberichtserstgattungserlaubnis unterlagen und sämtlich Berichte und Fotos der Freigabe durch das Militär unterworfen waren („Reports reviewed by military censors“), zeigen die Medien über Bilder das Bild eines 'sauberen' Krieges. Es werden lediglich die Aktionen und Angriffe, nicht aber die Folgen gezeigt. „Die offizielle Bildproduktion bestand vorwiegend aus distanzierten Nachtaufnahmen, Monitor- und Fadenkreuzbildern.“ Dagegen zeigen die Bilder der Angriffe auf das World Trade Center die entsetzlichen Auswirkungen der Attentate auf tausende von Menschen. Mit diesen Bildern wurden aber auch die Verwundbarkeit der USA und des gesamten westlichen kapitalistischen Systems weltweit sichtbar. Und man kann schlußfolgern, daß dies auch darum geschah.

 

Feldmann hat nun 151 Titelseiten (nicht die Originale, sondern die wie Originale wirkenden Drucke) von internationalen Tageszeitungen, die am Tag nach dem Angriff in New York und auf das Pentagon in Washington D.C. am 12. September erschienen sind, nebeneinander gehängt und daraus eine Serie gemacht. Sie glauben gar nicht, wie spannend das ist. Wir sind die Wände mehrmals abgeschritten. Zuerst interessiert einen nämlich, welche Zeitungen er dabei hat und ob eine wichtige Zeitung fehlt. Da man die deutschen Blätter natürlich am besten kennt, schaut man erst einmal die an. Dann wundert man sich, aus welchen weiten Gegenden Feldmann Zeitungen rekurrierte. So gehen Intellektuelle vor, die mit diesem Blick auch gleich die Richtung der Berichterstattung in Worten aufnehmen und interpretieren wollen. Dazu gleich noch mehr. Spätestens der zweite Blick gilt aber den Bildern selbst und da sieht man im Nu, daß es ganz wenige Aufnahmen sind, die auf den Titeln der Zeitungen jeweils wiederkehren.

 

Aha. Natürlich hat die Frankfurter Rundschau keinen eigenen Bildkorrespondenten in New York auf der Lauer, daß dort was passieren könnte und dieser dann sogleich original und originell die Bilder zu Ereignissen liefert. Aber auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat sie nicht, diese eigenen Bildkorrespondenten, sondern diese Bilder werden über heimische oder internationale Agenturen in die ganze Welt geschickt, so daß die ganze Welt ein komplexes Ereignis über wenige Bilder erfährt, die sich hier auf den 151 Titeln in erschreckender Weise wiederholen. Aber wir sind erneut die Titel abgeschritten und haben die Texte zu den Bildern studiert. Und diese sind dann doch sehr unterschiedlich. Zum Glück. Man sieht, daß manche Länder kritischer berichten als andere und was Deutschland angeht, freut man sich über die ehrliche Berichterstattung der FR gegenüber schwülstigen Ergüssen von anderen.

 

Werke aus der Sammlung Goetz gibt es mehrfach in Haus der Kunst und dazu noch in halbjährig wechselnden Räumen. Wir lieferten uns dem Luftschutzkeller aus, dessen Eingang auf der Rückseite liegt und von Anfang an vom Architekten eingeplant war. Ehrlich gesagt sind die original belassenen Räume auch ohne jegliche Ausstellung eine tiefe Erfahrung von Isolation, technischer Aufrüstung – so gab es die Möglichkeit der Lautsprecherdurchsagen und Rundfunkübertragungen – und von vom täglichen normalen Leben abgetrennten Einheiten.

 

Dort war es, wenn der Luftschutzraum benutzt wurde, besonders laut, dann rasten ja die Flieger und es donnerten Bomben, wobei die Kenner sagen, daß Bomben heulen und Granaten zischen, bevor sie einschlagen, was dann einen zusätzlichen gewaltigen Krach ergibt. In diesen Räumen hier findet die Ausstellung KLAND UND STILLE statt, die uns außerordentlich beeindruckt hat und deren Video- und Klangobjekte ebenfalls aus der Sammlung Goetz kommen.

Foto: Titelseite der Zeitungen von Hans-Peter Feldmann

 

 

Bis 8.7. Werke aus der Sammlung Goetz

 

Bis 16.9. BILD-GEGEN-BILD

 

Bis 13. 1. 2013 Geschichten im Konflikt

www.hausderkunst.de

www.gdk-research.de

 

Katalog zum Haus der Kunst:

 

Dieser wird erst Anfang des Jahres 2013 erscheinen, denn es werden die Ergebnisse des begleitenden Symposiums vom 9./10. Juni 2012 miteingearbeitet.

 

 

Info:

 

Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Hotels München, das dicht am Hauptbahnhof gelegen ebenfalls als idealer Ausgangspunkt für die Museumsbesuche dient. Das Museumsangebot mit Sonderausstellungen in München ist zu jeder Zeit umfangreich, so daß der Besuch der Museen oft unterbleibt, was man nur ändern kann, indem man mehrmals hinfährt. Dazu ist es günstig, die Pauschalangebote anzuschauen, von denen wir beim Stadtbesuch diesmal die Kombination mit dem Biergarten nutzten.

 

Übernachtung: Das Maritim-Hotel in der Goethestraße liegt in einem ruhigen Innenhof in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, zum Stachus und zur Theresienwiese. Das Arrangement „200 Jahre Biergarten“ beinhaltet zwei Übernachtungen inklusive Biergartenpass ab 189 Euro pro Doppelzimmer (nicht buchbar während des Oktoberfestes).

 

 

www.muenchen.de

www.maritim.de.