Roman Herzig
Nürnberg (Weltexpresso) - Welchem Luther-Bildnis können wir trauen? Die Frage scheint überraschend angesichts der Tatsache, dass Luther der erste Medienstar der Geschichte war. Von keiner anderen Person seiner Zeit, von keinem Kaiser oder Papst, existieren mehr Bildnisse. Bei der Verbreitung spielte Lucas Cranach d. Ä. eine zentrale Rolle. Er prägte verschiedene Images des Reformators: Luther als frommer Mönch, als Junker Jörg, als Reformator oder als Ehemann gemeinsam mit seiner Frau Katharina von Bora. Mit anhaltender Legendenbildung um den außergewöhnlichen Kirchenmann und seiner wachsenden Verehrung entstanden immer mehr Bilder. Sie verkauften sich gut. Viele wollten wissen, wie der berühmte, umstrittene, verehrte und verachtete Mann aussah, den der Papst zum Ketzer erklärt und über den der Kaiser 1521 die Reichsacht verhängt hatte.
Doch sah Luther wirklich so aus, wie auf den Bildern dargestellt? Bekannt ist, dass Cranach Studien auf Papier nach der lebenden Person anfertigte und die Gemälde dann mit Werkstattmitarbeitern seriell produzierte. Aber eine solche Studie ist für Luther nicht erhalten. Also wann und wie sind die Bildnisse von Luther überhaupt entstanden? Halten sie ihn tatsächlich in einem spezifischen Moment seines Lebens fest? Oder sind sie Zeugnisse für die nachträgliche Heroisierung und Verehrung des Reformators?
Ein von der Leibniz-Gemeinschaft mit knapp einer Million Euro gefördertes Forschungsprojekt des Germanischen Nationalmuseums (GNM) in Nürnberg, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der TH Köln wird diesen Fragen in den nächsten drei Jahren nachgehen. In Kooperation werden der Kunsthistoriker und Altmeister-Experte Dr. Daniel Hess (GNM), der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Anselm Schubert, der Informatiker Prof. Dr. Andreas Maier (beide FAU), der Restaurator und Kunsthistoriker Prof. Dr. Gunnar Heydenreich (TH Köln) sowie der Leiter des Instituts für Kunsttechnik und Konservierung (IKK) am GNM, Oliver Mack M.A., ein kritisches Werkverzeichnis der frühen Luther-Bildnisse aus der Zeit zwischen 1519 und 1530 erstellen.
Weltweit werden alle Luther-Porträts des Untersuchungszeitraums kunsttechnologisch untersucht, digital erfasst und durch spezielle Analyseverfahren in ihren relativen Ähnlichkeitsverhältnissen dargestellt. Dabei können die Projektpartner auf die Erfahrungen von Prof. Heydenreich mit dem Cranach Digital Archive (lucascranach.org) und die Spezialisierung von Prof. Maier auf Digitale Mustererkennung zurückgreifen. Physikalische Analyseverfahren und naturwissenschaftliche Methoden werden bei der Datierung helfen, um belastbarere kunsthistorische Zuschreibungen zu gewinnen. In der Verbindung von Kunstgeschichte, Kunsttechnologie, Reformationsgeschichte und digitaler Mustererkennung schafft das interdisziplinäre Projekt die methodischen und inhaltlichen Voraussetzungen, um die Authentizität der Bilder und damit auch ihren reformationsgeschichtlichen Quellenwert genauer zu bestimmen.
Denn wie in der heutigen Zeit der Massenmedien gilt es zu hinterfragen, was als authentisch gelten kann und was zu repräsentativen oder gar manipulativen Zwecken eingesetzt wurde. Welches Bild von einer Person ist echt und welches Fake? Durch diese modernen Erfahrungen im Umgang mit Bildern und Bildnissen stellen sich auch neue Fragen an die Vergangenheit: Wie echt sind die uns so vertrauten Bildnisse Luthers?
Fotos:
Wie authentisch sind die Luther-Bildnisse von Lucas Cranach? Untersuchungen machen deutlich, dass viele Porträts demselben Schema unterliegen. Das Beispiel basiert auf
Lucas Cranach d. Ä. / Werkstatt: Posthumes Bildnis Martin Luthers als Augustinermönch, nach 1546
© Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Leihgabe der Paul Wolfgang Merkelschen Familienstiftung
Info:
Kritischer Katalog der Luther-Bildnisse (1519 – 1530)
Forschungskooperation des Germanischen Nationalmuseums (GNM) in Nürnberg
mit der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und der TH Köln
Laufzeit: 2018-2020
Bewilligungssumme: knapp 1 Million Euro
Leitung: Dr. Daniel Hess (GNM), Prof. Dr. Anselm Schubert (FAU)
Eine Kooperation des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der TH Köln