hwk Manrique 8645César Manrique - der Künstler, der Lanzarote prägte, Teil 1/2

Hanswerner Kruse

Vor einem Vierteljahrhundert starb César Manrique, der als Künstler, Architekt und Umweltaktivist das Antlitz der kanarischen Insel Lanzarote gestaltete und dessen Einfluss immer noch allgegenwärtig ist.

hwk Manrique 1060332Nicht erst seit Juli Zehs Lanzarote-Roman „Nullzeit“ sprechen Touristen von der „Mondlandschaft“ auf der Insel, an dessen düstere Anmutung man sich erst gewöhnen muss, aber in die man sich auch verlieben kann. Die scheinbar lebensfeindliche Umwelt Lanzarotes prägte den dort aufgewachsenen Manrique - und er prägte die Insel, die vor einigen Jahrhunderten aufgrund mächtiger Vulkanausbrüche und Erdbeben so unwirtlich wurde. Durch die künstlerisch-architektonischen Projekte des Künstlers lässt sich die friedvolle Verbindung von Natur, Tourismus und Kunst erleben - auch wenn sich oft Hunderte von Besuchern in seinen eigenartigen Sehenswürdigkeiten drängeln.

Zunächst fallen bei Fahrten durch die schwarz-rote Landschaft die strahlendweißen Dörfer auf. Die höchstens zweistöckigen Häuser ducken sich zwischen die Lavafelsen, es gibt zwischen ihnen und auf den Landstraßen keine Werbetafeln. Stattdessen sieht man große Windspiele, fröhliche Figuren aus Stahl oder abstrakte Skulpturen - mittlerweile nicht nur von Manrique. Er wollte die Insel für den Tourismus erschließen ohne das Charakteristische der „Mondlandschaft“ zu zerstören und die Kunst der Natur unterordnen. Das ist ihm gelungen und heute noch zu spüren.

Sein erstes Gesamtkunstwerk war die Gestaltung der Höhle „Jameos del Agua“, welche die Besucherin Rita Hayworth - die „Liebesgöttin aus Hollywood“ - als „Weltwunder“ bestaunte. In der riesigen, zunächst noch halboffenen Kaverne herrscht eine erstaunlich kontemplative Stimmung. Um einen See sitzen immer Menschen, die zu sanfter New-Age-Musik mit den blinden weißen Minikrebsen im Wasser zu meditieren scheinen. Wieder im Freien schließt sich am Ende dieser gewaltigen Grotte ein großer türkisfarbener Swimming Pool an, in dem Baden nicht erlaubt ist. Er stellt im gesamten Ensemble lediglich einen konfrontativen Farbfleck dar. Dahinter kann man einen unterirdischen Saal mit beeindruckender Akustik besuchen, in dem oft Konzerte stattfinden.

Innerhalb dieses Höhlen-Ensembles faszinieren die fast unmerklichen Übergänge von vorgefundener Natur zur künstlerischen Gestaltung, für die meist natürliche Materialien verwendet wurden: Steinmosaike in Verbindung mit Pflanzen und Wasserspielen. Kunstvoll angeordnete kalkweiße Treppen, die in tiefer gelegene Höhlenabschnitte oder nach oben führen. Aus Steinen wachsendes Grünzeug, Licht- und Schattenspiele oder zu autonomen Kunstwerken arrangierte Fundstücke. Die Anlage ist der ausgebaute Teil einer drei Kilometer langen Höhle vom Atlantik bis ins Landesinnere. Sie ist eine überraschende Oase im Einklang mit der Natur und wirkt, wie alle Werke Manriques, nie kitschig oder süßlich folkloristisch.

Scheinbar wesentlich natürlicher ist der „Jardin de Cactus“, ein riesiger Kakteengarten, den der „Inselheilige“ in einem alten Steinbruch anlegen ließ. Wie in einem Amphitheater wachsen baumhohe Kakteen neben kugeligen, langgestreckten oder buschigen Stachelpflanzen. Die Kunstwerke nehmen sich zwischen den 1200 verschiedenen Kakteen eher bescheiden aus, dennoch ist der Garten Naturmuseum und Kulturgarten zugleich. Die alte Steinmühle am Rand wurde restauriert, darin bietet ein Restaurant preiswerte Tapas an. Dem sinnenfrohen Manrique waren die kulinarischen Angebote innerhalb der von ihm gestalteten Artefakte wichtig - ebenso wie das Design der Einrichtung bis zu den Toiletten, die er ebenfalls immer kunstvoll gestaltete.

Im gleichen Geist - und dennoch jedes Mal völlig anders - sind die weiteren touristischen Attraktionen Manriques: Das „Mirador del Rio“, etliche Restaurants, seine zwei einstigen Wohnhäuser und am Hafen von Arecife ein Kunstmuseum.

ZITATE

„Ich wartete, wer als Erstes „wie auf dem Mond“ sagen würde. „Wie auf dem Mond“, sagte Jola. „Erhaben“, sagte Theo. „Wenn man Geröll mag“, sagte Jola. „Du hast keinen Sinn für die Ästhetik des Erhabenen“, erwiderte Theo...“ (Juli Zeh „Nullzeit“).

Fotos:
Hanswerner Kruse