hwk marchen oblander 1Dorle Obländers Märchenzyklus in der Kunststation KLEINSASSEN

Hanswerner Kruse

Kleinsassen (Weltexpresso) - Es war ein Traum der vor zwei Jahren gestorbenen Künstlerin Dorle Obländer, irgendwann in der Kunststation Kleinsassen auszustellen. Post mortem erfüllen sich nun die Wünsche der weit über Osthessen hinaus bekannten Malerin und Bildhauerin aus Schlüchtern, über die und ihren Tod Weltexpresso berichtet hatte .
Rotkäppchen posiert mit dem hechelnden Wolf als Schal um ihren Hals. Als erotisches Luder glotzt die böse Stiefmutter Hänsel und Gretel von oben herab an. Entsetzt rennt die alt gewordene Prinzessin davon, doch sie kann den - wollüstig auf ihrem Hintern hockenden - Froschkönig nicht abschütteln. Die Kunststation präsentiert Dorle Obländers unvollendeten Märchenzyklus, mit ihren bizarren und spitzen Interpretationen der Grimmschen Erzählungen. Deshalb heißt die Salonausstellung der Künstlerin auch „Märchen - zugespitzt“.

Nicht alle der in der Schau präsentierten Arbeiten, im gleichen Format von 60 mal 60 Zentimeter, legen den Kern der Märchen bloß. Manchmal fehlen auch die Heldinnen: Schlecht gelaunt hängen die sieben Zwerge ohne Schneewittchen herum. Immer noch hochmütig lehnen sich die blind gewordenen Halbschwestern Aschenputtels aneinander. Die Malerin hatte ein Herz für die Verlierer in den Märchen der Brüder Grimm. Ihre Werke scheinen zu fragen, was denn aus den Taugenichtsen oder Bösen wird? Schon vor langer Zeit zeigte sie im Steinauer Grimm-Haus die Ausstellung „Grimms Little Loser“. Ihre einsamen Betonzwerge warten noch heute im Garten des Museums auf ihre Gebieterin Schneewittchen.

hwk marchen oblander2015 begann Obländer für eine Ausstellung in Husum dreißig gleichgroße Märchenbilder mit kräftigen Acrylfarben zu malen. Wie immer heben sich ihre Figuren deutlich vom unbestimmten Hintergrund ab. Sie sind nicht realistisch gemalt, sondern leicht verzerrt und etwas ironisiert. Der emotionale Ausdruck der Akteure ist recht deutlich aber nicht übertrieben. Obländers Gemälde sind zwar immer humorvoll, jedoch gleiten sie nie ins Lächerliche oder Karikaturistische ab. Sie sind keine Illustrationen., das macht ihre Werke so spannend! Durch die tödliche Krankheit der Künstlerin blieb der Zyklus mit den 19 ausgestellten Bildern unvollendet.

Nicht nur diese Arbeiten der Kulturpreisträgerin des Main-Kinzig-Kreises (2005), sondern fast ihr gesamtes Oeuvre besteht aus klaren, aber traumhaften, letztlich märchenartigen Werken. Ihre Malereien machen neugierig darauf, was gleich passieren wird? Es sind immer Situationen vor dem Knall, vor kleinen oder großen Katastrophen, welche die Künstlerin interessierten. Eitel stolziert die Frau des Fischers, die bald wieder arm sein wird, noch als Königin am Strand herum. Die Figuren agieren ahnungslos vor den kommenden Unbilden oder sie tun unverdrossen so, als wären sie nicht betroffen. Das ermöglicht auch bei ihren Märchenbilder grotesk-politische Assoziationen.

Tagtäglich las Obländer lustvoll mit ihrem Mann die Bild-Zeitung, eine unerschöpfliche Inspiration für überhebliche oder geschwollene Charaktere. Doch niemals denunzierte sie die Abgebildeten persönlich, sondern führte sie in ihren Arbeiten als soziale Prototypen vor.


Fotos:
© Werner Obländer (Montage Hanswerner Kruse)

Info:
HINWEIS:
Märchenlesung von Margot Dernesch (Steinau) am 14. April um 19 Uhr in der Kunststation.
„Märchen - zugespitzt“, Salonausstellung bis zum 19. April 2018 in der Kunststation Kleinsassen. Geöffnet Di. bis Sa. 13 - 18 Uhr, sonn- und feiertags 11 - 18 Uhr, Winterzeit 13 - 17 Uhr.