
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine Frau sollte man schon sein, wenn man sich traut, das nachzumachen, was die dänische Twerk Queen Louise mit ihrem Hintern in dem 13minütigen Video vormacht, das die ebenfalls aus Dänemark kommende Liesel Burisch uns als Abschlußarbeit präsentiert: ein ausladendes Hinterteil, das mal im Stehen, auf allen Vieren, beim Tanzen oder im Handstand derart ins Vibrieren gebracht wird, ins Schaukeln, ins Wackeln, ins Schwingen, ins Schütteln, ins Rütteln, ins rhythmische Wiegen, Wedeln, Zappeln, Schlackern, Schlingern, Wedeln, Flattern und Zuckeln, daß es nur eine Lust ist.

Kommen wir lieber zu den zwei Backen, die müssen zwei sein, weil ja die Nase auch als vertikale Trennungslinie im Gesicht gesehen werden kann, wie bei den Bildern des Rohrschachtests, die aufeinandergedrückt und auseinandergenommen spiegelbildlich zu lesen sind. Längst gehört es ja zum Allgemeingut, daß unsere Gesichtshälften eben nicht identisch sind, sondern nimmt man die linke oder rechte Seite und ergänzt sie um ihre eigene, uns ein Gesicht entgegenkommt, das nie und nimmer unser eigenes ist. Und das Twerken? War doch klar, warum wir diese Assoziationen hatten, schnell aufgezählt, zwei Arme nebst Händen, Brüste, Beine, Füße – ja und nochmal zwei Backen, aber hinten und unten. Die Hälften des Hinterns! (Ja, ja, jedem sein eigener Himmel.) Die Sprache ist doch schlauer als wir. Die Pobacken sind einfach ein fester Begriff. Und diese beiden vibrieren und schleudern sich zu Gottes Absicht hin. Aber es geht so schnell, daß wir nicht genau erkennen können, welche individuellen Abweichungen die linke und die rechte Hälfte besitzen, auf daß erst der Gesamthintern über die göttliche Intention etwas aussagen könnte. Aber welche ist die überhaupt, die Intention?

Aber es ist schon hilfreich, mehr zu wissen, vor allem, wenn wie hier: Twerken einem völlig unbekannt war. Das mehr Wissen leistet zudem auch der kleine Katalog, der alle 31 ausgestellten Absolventen, darunter mindestens 15 Frauen, auf je zwei Seiten und einem zweiseitigen Foto aufführt. Das ‚mindestens‘ bezieht sich darauf, daß ich bei ausländischen Namen leicht ob ihrer Geschlechtszugehörigkeit ins Schwimmen komme. Wir haben die Herkunftsländer mal durchgezählt: 14! Australien, Argentinien (2), Kanada(2), USA (4), Deutschland (8), Dänemark (3), Frankreich, United Kingdom (3), Schweden, Israel, Italien, Irland (2), Rußland, Südkorea. Das könnte unser Oberbürgermeister Peter Feldmann, der gerne von den 177 Nationalitäten, die in Frankfurt am Main zu Hause sind, spricht, womit er gut tut, denn die leben ganz schön gut hier miteinander, das könnte also der OB in sein Repertoire übernehmen, diese internationale Zusammensetzung der Städelschule.
Miriam Bettin hat den Text über Liesel Burischs Werk im kleinen Katalog verfaßt, in dem sie die Körperkünstlerin vorstellt: „Die Dänin Louise Kjølsen ist selbsternannte Twerk-Queen. Und ‚Twerk Hard, Play Hard-Feministin‘ (Zit.Kjølsen ). In zahlreichen Auftritten in der dänischen Medienlandschaft, in Workshops und Publikationen vertritt sie die These, daß Twerk eine emanzipatorische, feministische Geste sei. Durch die Rückgewinnung des eigenen Körpers durch diese Art des Tanzes verspricht sie sich Kontrolle, Macht und Unabhängigkeit. Auf ihren Social-Media-Kanälen begegnet man vor allem ihrem wackelnden Hintern in engen, glitzernden oder pinkfarbenen Hot Pants. In Interviews zitiert sie Judith Butler und Michel Foucault.“ (S.31)

Liesel Burisch bringt das jeweilige Powackeln unterbrochen von Interviewszenen, die den Kontext der Twerk-Queen klären, aber ansonsten ohne eigene Kommentierung bleiben. Was richtig und wichtig ist. Was sollte sie auch dazu noch sagen? Dies zu zeigen ist ein Kommentar. Wenn dann noch im Katalog hinzugefügt ist: „Am Ende bleibt ein mulmiges Gefühl und die Verantwortung der Betrachter‘innen sich selbst zu positionieren“, kann ich hinzufügen: bei mir nicht. Ich meine das ‚mulmige‘ Gefühl. Ich fand das nicht peinlich, nicht zum fremdschämen, ich fand das spannend, interessant und auch lehrreich. Wenn ich viel jünger wäre, würde ich damit sofort beginnen. Das ist doch hoffentlich Kommentar genug.

Fotos:
© staedelmuseum.de
Info:
After Rubens. Absolventenausstellung 2018 · 11. Juli – 5. August 2018 · Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt. Es wird ein Absolventenpreis verliehen.