Eine Ausstellung der Videoarbeit von Katrin Heydekamp im Gerhard-Marcks-Haus, Bremen, Teil 2/2
Thomas Adamczak
Bremen (Weltexpresso) - Das Hotel als Ort des Kommens und Gehens, eines Zwischenaufenthalts sozusagen, als Verkörperung der ungezügelten Mobilitätssucht unserer auf schnelle Ortswechsel fixierten Gesellschaft. Eine Mobilität, die so lange gesellschaftlich akzeptiert wird, wie die Reisenden kurzzeitig bleiben und nicht aus Orten der Zuflucht einen dauerhaften Aufenthaltsort machen wollen.
Katrin Heydekamp zeigt mit ihren Videosequenzen, dass an einem solchen Zufluchtsort kein Gefühl des Wohlbefindens aufkommt, wie es das vertraute Heim, die eigene Wohnung oder lieb gewordene Plätze ermöglichen. Das Hotel als Gegenbild zu einem Ort, an dem sich Heimatgefühle regen.
Szenen aus der Videoarbeit: Der Kamerablick aus dem Hotelzimmer auf die ernüchternde Kulisse der Außenbezirke Bremens. Die Künstlerin auf dem Bett des Hotelzimmers, wie sie sich ein Stück Pizza aus der Verpackung nimmt, wie sie im TV eine typische Werbesendung mit deren maximalistischen Versprechungen sieht, wie sie, eine verblüffende Idee der Künstlerin, vor dem Spiegel steht und sich eine aus Zeitungspapier gefertigte Krawatte bindet, ohne dabei die Miene zu verziehen.
Halbnackte, tanzende Frauen als Sexobjekte werden eingeblendet. Dieser Frauenrolle widerspricht die Künstlerin in einer Einstellung, die sie als peitschenschwingende Domina zeigt.
Des Weiteren enthält die Videoarbeit in die Szenenfolge montierte Ausschnitte aus Horror-, Science Fiction- und Kinderfilmen. In Erinnerung blieb mir wegen der außerordentlichen Brutalität eine wilde Prügelszene mit Terence Hill und Bud Spencer, die, weil jeglicher Kontext ausgespart wird, nur abschreckend wirkt.
Einen Fluchtweg aus bei solchen Gewaltszenen mitschwingenden Albträumen könnte die Künstlerin mit den sorgfältig aneinander gefügten einzelnen Toilettenpapierblättern andeuten. Verknotete Betttücher ermöglichen ein Abseilen aus dem offen stehenden Fenster des Hotelzimmers.
Die Bildhauerin erkennt der Betrachter an der Vielzahl der aus Zeitungspapier gefertigten Gegenstände: diverse Kopfbedeckungen, bei der neben Zeitungspapier auch die Klobürste Verwendung fand, ein sich durch den Hotelflur vorantastendes Schwert, ein überdimensional großer Hammer, den ein hüfthohes, gesichtsloses Gespenst schwingt, allerlei Fantasiewesen und überdimensional lange Fingerhüllen, mit deren Hilfe in der Zeitung geblättert wird.
Dass der Schutzraum Hotelzimmer keinen wirklichen Schutz bietet, verdeutlicht zudem die mit Dauer des Films immer bedrängender und bedrohlicher wirkende Begleitmusik. Ein solches Hotelzimmer ist, das ist gewiss eine Botschaft der Videoarbeit, kein Ort der Geborgenheit, sondern ein Ort, an dem man mit typischen Albträumen der gegenwärtigen Welt konfrontiert wird: mit Einsamkeit, Heimatlosigkeit, Kommunikations- und Sprachlosigkeit und mit der Selbstverständlichkeit medial vermittelter Gewaltorgien, die in auffälligem Kontrast zu den gängigen Klagen über Gewalt auf den Straßen stehen.
Diese Videoarbeit der Künstlerin Kathrin Heydekamp beunruhigt, doch sie beunruhigt in heilsamer Weise, denn sie hilft, sich mal wieder mit der Frage zu konfrontieren, wie wir eigentlich leben wollen, und das ist genau die Frage, die wir uns viel öfter stellen sollten.
Shelter 3© martha
Shelter 4© martha
Info:
https://marcks.de/de/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen/
Vom 24. Juni 2018 bis 16. September 2018 sind im Gerhard-Marcks-Haus in Bremen 4 Ausstellungen zu sehen. Außer der besprochenen von Katrin Heydekamp noch die Ausstellung »Idyllen und Katastrophen« des Rostockers Wolfgang Friedrich und zwei Ausstellungen (»Gute Unterhaltung« und »Kosmos Marcks«), die dem Namensgeber des Hauses gewidmet sind.