Claudia Schulmerich
Wien (Weltexpresso) - Im ersten Raum hängen 23 sakrale Werke und Andachtsgemälde mit den Themen CHRISTUS und...und auch Apostel-, Marien- und Heiligendarstellungen, unter denen sofort ein Bild den Blick in die rechte Ecke zieht: CHRISTUS UND DER UNGLÄUBIGE THOMAS von 1777. Kein Wunder, daß dieses großformatige Bild dem Leopoldmuseum gehört. Denn Rudolf Leonhard war einer, der Bilder geradezu fanatisch liebte und bei diesem Bild weiß man sofort, warum er es haben mußte.
Es sind nur zwei Personen dargestellt, denkt man von weitem, ein wie von innen leuchtender nackter Oberleib des Christus, in dessen Wunde der ungläubige Thomas gerade den Zeige- und Mittelfinger steckt, schließlich will er sich der Existenz der Wunde präzise versichern, wozu ihm Schmidt noch eine Brille auf die Nase setzte. Und beim Näherkommen entdeckt man „das beobachtende Volk“, erst einen Mann in der Mitte, dann zwei, dann drei...und das alles in dem sanften und dunklen Kolorit, das diesem Maler eigen ist.
Der zweite Raum hat seine Bedeutung ja nicht, weil hier das Religiöse keine Rolle spielt, sondern darin, daß auch Kremserschmidt die immer wieder geübte Tradition aufnimmt, daß Gemälde an den Wänden der Häuser und Palästen der gesellschaftlichen Oberschicht einen repräsentativen Charakter besitzen sollen. Längst waren zur Kirche als Auftraggeber ja die Aristokratie und der Geldadel hinzugekommen. Die griechischen und römischen Götter und ihre verzweigten Liebes- und Haßgeschichten kannten die Auftraggeber und ihre Gäste genau, genauso wie die Emotionen hervorrufenden Skandale aus der Bibel, die durch Salome oder Judith abgeschlagenen Köpfe, oder eine blutdürstige Medea...Frauen machten sich sowohl bei den religiösen wie den mythologischen Bildern meist besser als Darstellerinnen von tiefen Gefühlen, der Hingabe für Gott oder der Rache an einem Mann.
In diesem Raum hängt ein für den Maler Gemälde biographisch wichtig für den Maler. Das schuf er nämlich 1768 sicher schon in der Absicht, es bei der in Wien neugegründeten Kupferstecherakademie einzureichen, denn das, nämlich die Würdigung eines Gemäldes als große Kunst, war die Vorgabe, wollte man Mitglied der Akademie werden. Mit dieser Szene DAS URTEIL DES MIDAS ist der damals genau fünfzigjährige Maler, der selbst überhaupt keine akademische Ausbildung besaß, „Akademiker“ geworden und man kann sich gut vorstellen, welche persönliche Genugtuung ihm das war. Aber es ging ja nicht um seine Psyche in erster Linie. Für die anderen, für die Gesellschaft stieg er im Ansehen und damit stiegen auch die Preise für seine Werke.
Längst sind wir im dritten Raum und damit in einer Zeit, wo auch das Bürgertum nicht nur seinen eigenen Stand hat, sondern sein Haus mit Kunst schmückt. Diese Auftraggeber bedingen geradezu solche Genreszenen, die kleinformatig Geschichten aus dem Alltag erzählen – uns heute übrigens unersetzlich als bildliche Kenntnis von Handwerk, den Menschen und ihren Utensilien – und sich bestens an der Wand der Guten Stube machten. Auch hierin zeigt sich Kremserschmidt als Meister, denn die oft Ton in Ton, also sehr erdfarben gehaltenen Werke sind eigenständig und keine Kopien der niederländischen oder spanischen Vorbilder. Ein Bild ragt in diesem Raum heraus. Das große Bildnis eines Mannes (oben im Bild) , hier schwärzlich auf dunklem Hintergrund, das ein ernstes, eher junges Gesicht mit offenem, aber skeptischem Blick zeigt. Die Betrachter davor glauben erst einmal, wie wir auch, wir hätten es hier mit einem Selbstporträt zu tun. Denn es zeigt den Dargestellten derart schlicht, ohne jeden Schmuck – immerhin sind wir in der vorrevolutionären Zeit, wo noch auf die Darstellung von Reichtum und Stand großen Wert gelegt wurde – den Domherren Wödl. Ein völlig zeitloses Bild, gemalt 1768.
Die Ausstellung zum Kremser Schmidt im Belvedere gehört zu denen, die auf einen Blick – und so heißt ja auch das gemeinsame Programm dieser Kabinettsausstellungen – einen Künstler in seiner Zeit erfahrbar machen – und erklärbar eben auch. Denn wir wollen heute in Museen nicht nur Kunst genießen, das auch, aber ebenso um die Bedingungen von Kunst in ihrer Zeit erfahren und darum beides mit nach Hause tragen: das Gefühl von Schönheit und dem, was frühere Zeiten das Erhabene nannten, eigentlich also etwas, was nur Bilder und nicht Worte in uns erzeugen können, darüberhinaus aber auch einem gesicherten Wissen über die Zeit der Entstehung der Bilder und den Maler, der diese Emotionen zum Ausdruck bringen konnte. Da ist dem Kurator Georg Lechner wirklich eine gute Ausstellung gelungen, weshalb wir ihn unbedingt noch einiges fragen mußten.
FORTSETZUNG FOLGT
Fotos:
© belvedere.at
Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.
Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018
Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.
Der zweite Raum hat seine Bedeutung ja nicht, weil hier das Religiöse keine Rolle spielt, sondern darin, daß auch Kremserschmidt die immer wieder geübte Tradition aufnimmt, daß Gemälde an den Wänden der Häuser und Palästen der gesellschaftlichen Oberschicht einen repräsentativen Charakter besitzen sollen. Längst waren zur Kirche als Auftraggeber ja die Aristokratie und der Geldadel hinzugekommen. Die griechischen und römischen Götter und ihre verzweigten Liebes- und Haßgeschichten kannten die Auftraggeber und ihre Gäste genau, genauso wie die Emotionen hervorrufenden Skandale aus der Bibel, die durch Salome oder Judith abgeschlagenen Köpfe, oder eine blutdürstige Medea...Frauen machten sich sowohl bei den religiösen wie den mythologischen Bildern meist besser als Darstellerinnen von tiefen Gefühlen, der Hingabe für Gott oder der Rache an einem Mann.
In diesem Raum hängt ein für den Maler Gemälde biographisch wichtig für den Maler. Das schuf er nämlich 1768 sicher schon in der Absicht, es bei der in Wien neugegründeten Kupferstecherakademie einzureichen, denn das, nämlich die Würdigung eines Gemäldes als große Kunst, war die Vorgabe, wollte man Mitglied der Akademie werden. Mit dieser Szene DAS URTEIL DES MIDAS ist der damals genau fünfzigjährige Maler, der selbst überhaupt keine akademische Ausbildung besaß, „Akademiker“ geworden und man kann sich gut vorstellen, welche persönliche Genugtuung ihm das war. Aber es ging ja nicht um seine Psyche in erster Linie. Für die anderen, für die Gesellschaft stieg er im Ansehen und damit stiegen auch die Preise für seine Werke.
Längst sind wir im dritten Raum und damit in einer Zeit, wo auch das Bürgertum nicht nur seinen eigenen Stand hat, sondern sein Haus mit Kunst schmückt. Diese Auftraggeber bedingen geradezu solche Genreszenen, die kleinformatig Geschichten aus dem Alltag erzählen – uns heute übrigens unersetzlich als bildliche Kenntnis von Handwerk, den Menschen und ihren Utensilien – und sich bestens an der Wand der Guten Stube machten. Auch hierin zeigt sich Kremserschmidt als Meister, denn die oft Ton in Ton, also sehr erdfarben gehaltenen Werke sind eigenständig und keine Kopien der niederländischen oder spanischen Vorbilder. Ein Bild ragt in diesem Raum heraus. Das große Bildnis eines Mannes (oben im Bild) , hier schwärzlich auf dunklem Hintergrund, das ein ernstes, eher junges Gesicht mit offenem, aber skeptischem Blick zeigt. Die Betrachter davor glauben erst einmal, wie wir auch, wir hätten es hier mit einem Selbstporträt zu tun. Denn es zeigt den Dargestellten derart schlicht, ohne jeden Schmuck – immerhin sind wir in der vorrevolutionären Zeit, wo noch auf die Darstellung von Reichtum und Stand großen Wert gelegt wurde – den Domherren Wödl. Ein völlig zeitloses Bild, gemalt 1768.
Die Ausstellung zum Kremser Schmidt im Belvedere gehört zu denen, die auf einen Blick – und so heißt ja auch das gemeinsame Programm dieser Kabinettsausstellungen – einen Künstler in seiner Zeit erfahrbar machen – und erklärbar eben auch. Denn wir wollen heute in Museen nicht nur Kunst genießen, das auch, aber ebenso um die Bedingungen von Kunst in ihrer Zeit erfahren und darum beides mit nach Hause tragen: das Gefühl von Schönheit und dem, was frühere Zeiten das Erhabene nannten, eigentlich also etwas, was nur Bilder und nicht Worte in uns erzeugen können, darüberhinaus aber auch einem gesicherten Wissen über die Zeit der Entstehung der Bilder und den Maler, der diese Emotionen zum Ausdruck bringen konnte. Da ist dem Kurator Georg Lechner wirklich eine gute Ausstellung gelungen, weshalb wir ihn unbedingt noch einiges fragen mußten.
FORTSETZUNG FOLGT
Fotos:
© belvedere.at
Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.
Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018
Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.