Von der Spanischen Grippe, dem Impfen, Tod oder nahendem Tod in seinem Werk und zwei Ausstellungen im Belvedere und Leopoldmuseum in Wien
Claudia Schulmerich
Wien (Weltexpresso) – Nein, nein, das wird jetzt kein grundlegender Artikel zum Werk von Egon Schiele unter dem Gesichtspunkt des Werdens und Vergehens der Menschen auf Erden. Obwohl es naheliegt, dieses Grundlegende, denn wenige Künstler haben sich so intensiv in ihrem Werk mit dem „Tod und der Mensch“ beschäftigt wie Schiele, also mit der inneren Angst und dem äußeren Verfall des Menschen Das hier wird nur eine kurze Erinnerung an einen Künstler, der auf besondere Weise dem Menschen unter die Haut geht.
Vorgestern vor hundert Jahren starb Egon Schiele an der Spanischen Grippe, nachdem wenige Tage zuvor am 26. Oktober 1918 seine Frau Edith an der gleichen Krankheit, die in Wien besonders wütete, gestorben war, sie, die im 6. Monat schwanger war. Man kann sich das Elend heute kaum ausmalen, wie die Spanische Grippe wie ein die Massen dahinraffender Sensenmann durch die Lande zog. Die Spanische Grippe? Weltexpresso hat im vorherigen Artikel das Thema fundiert. Zum gestrigen Todestag von Egon Schiele gibt es im STANDARD eine Anzeige einer Gruppe plan:g, die mit Angabe ihrer Webseite aufrufen: „Infektionskrankheiten bleiben eine Menschheitsherausforderung“.
In dieser Anzeige, die als Todesanzeige aufgemacht ist, heißt es nach der Namensnennung und den Lebensdaten weiter: „...ist an der Spanischen Grippe gestorben. So wie 40 Millionen seiner Zeitgenossen in wenigen Monaten zwischen 1918 und 1919....Die Achtsamkeit für Krankheit und Sterben ist ein Gesellschaftlicher Auftrag – so wie die Beschäftigung mit Tod und Trauer insgesamt.“ Die Aufmachung als Todesanzeige zieht den Blick auf die Worte, die alle zudem in Großbuchstaben auf die Bedeutung des Anlasses hinweisen. Nein, daran wollen wir keine Kritik üben, wir geben gerne weiter, daß wer mehr zur Spanischen Grippe und zur globalen Gesundheit wissen will, die Webseite www.plan-g.at/grippe aufrufen soll.
Wir finden den gesellschaftspolitischen Hintergrund der Anzeige stark: „Egon Schiele ist in seinen Bildern dem Menschsein nahe gekommen. Bilder, Leben, Sterben und Tod Egon Schieles berühren die Fragen einer Zeit im fundamentalen Wandel. Das verbindet unsere Zeit mit der Zeit Egon Schieles.“ Na gut, das ist ein wenig sehr pathetisch formuliert, aber darob nicht falsch. Und wenn man auf die angesagte Webseite geht, sieht man aus einem Gemälde Schieles eine Assoziation und liest einen Text, der geschichtliche argumentiert: „Die Spanische Grippe, ein besonderer Strang des Virus, betraf 1918/19 die ganze Erde. Obwohl die USA früher betroffen waren, gab Spanien der Krankheit den Namen. Denn Spanien hatte zu diesem Zeitpunkt eine vergleichbar freie Presse. In den USA wurden kriegswichtige Nachrichten zensiert. Das Verschweigen hatte in vielen Staaten Methode.
In den elf Monaten zwischen 1918 und 1919 starben wahrscheinlich mehr als 50 Millionen Menschen an dem Erreger; davon mehr als 30 Millionen in weniger als einem halben Jahr. Das ist ein Vielfaches der Opferzahlen des Ersten Weltkriegs. In dem sehr kurzen Zeitraum sind mehr Menschen der Grippe zum Opfer gefallen, als in den letzten Jahrzehnten an HIV/Aids starben. Die Besonderheit der Grippe: Weder Kleinkinder noch Greise, sondern Menschen in den besten Jahren hatten die schlechtesten Überlebenschancen. Die gesündesten und kräftigsten Menschen verfügten nicht mehr über die kindliche Immundisposition; ältere Menschen dagegen hatten - wohl aufgrund früher Infektionen mit verwandten Erregern - eine stärkere Immunität aufgebaut.“
Daß amerikanische Soldaten die Spanische Grippe nach Europa gebracht hatten, hat man jetzt lieber verschwiegen. Es geht um etwas anderes. Es geht dieser Gesellschaft um den Impfschutz, um das Impfen selbst. Das nun wiederum ruft in Erinnerung, wie jüngst beim Anlaufen am 13. September ein überschaubarer, mitnichten dämonischer, sondern liebevoll vom Selbstversuch in der eigenen Familie erzählender Film EINGEIMPFT von David Sieveking, in wütenden Protesten verteufelt wurde. Impfen und Nichtimpfen finden derzeit große Anhängerschaften. Aber gerade unter diesem Aspekt, daß das Impfen, zuvor als die große zivilisatorische Leistung der Menschheit gepriesen, nun als Gegenschlag ihre Gegner formiert, fragt man sich, warum der eigentliche Anlaß, die tödlichen Krankheiten, aus dem Blick geraten ist.
Denn in einem haben die Impfaufforderer plan:g ja recht, wir wissen um die Toten der Weltkriege sehr viel besser Bescheid, ihrer wird sehr viel häufiger gedacht als der Millionen , die durch fehlenden Impfschutz gestorben sind. Ist es Allgemeinwissen, was die Spanische Grippe überhaupt ist, die natürlich überhaupt nichts mit Spanien zu tun hat, im Gegenteil. Man kann nachlesen, daß diese Bezeichnung gewählt wurde, weil damals das neutrale Spanien im Ersten Weltkrieg noch die größte Pressefreiheit hatte und über die vielenToten berichtete, während beispielsweise die USA Berichte über das massive Sterben an dieser Krankheit unter Zensur gestellt hatte, also nichts veröffentlicht wurde. Heute weiß man, daß es sich bei dieser Pandemie um einen virulenten Abkömmling des Influenzavirus Subtyp A/H1N1 handelt.
Auch wenn man mit dem Ersten Weltkrieg gut erklären kann, weshalb die Nachrichten über diese Krankheit damals nicht durchdrangen, ist es doch nicht verständlich, warum dieses Phänomen der Spanischen Grippe, eine Geisel der Menschheit, bis heute nicht bekannter wurde.
Was Klimt – hinzuweisen ist auf seine gegenwärtige Ausstellung auf der Moritzburg in Halle! bis 6. Januar und die im Leopoldmuseum in Wien: JAHRHUNDERTKÜNSTLER, gerade noch bis 4. November! - und Schiele angeht, wurde auch Gustav Klimt aus dem tätigen Leben gerissen - durch einen Schlaganfall - und auch wenn der 1862 Geborene 28 Jähre älter als Schiele war, ist das kein Trost, zeigt aber erschreckend deutlich auf, daß Schiele wirklich nur 28 Jahre wurde. Und in den wenigen Lebensjahren ein so umfangreiches Werk hinterlassen konnte, das – so kann man das ausdrücken – immer stärker als bahnbrechend für die Moderne angesehen wird.
Abgesehen davon, daß man Schieles Werke insbesondere in zwei Museen besonders umfangreich wirklich anschauen kann: dem Leopoldmuseum und dem Belvedere, beide Wien, haben diese beiden Schiele-Heimstätten auch zum 100sten Todestag Ausstellungen möglich gemacht, die das Phänomen Egon Schiele, von dem man dachte, man wüßte, wenn schon nicht alles, so doch das meiste, auf eine neue Art uns vor Augen bringen. Damit beziehen wir uns auf die Überraschungen, die man erlebt, wenn man in der Ausstellung im Belvedere den Weg der Schielegemälde verfolgt, einschließlich des Tauschs mit dem frühen Schielesammler Rudolf Leonhard. Dazu bald mehr.
Foto:
©Webseite von plan-g.at
Info:
Leopoldmuseum
Egon Schiele. Die Jubiläumsschau Reloaded
Belvedere
Egon Schiele. Wege einer Sammlung