Anna von Stillmark
Wien (Weltexpresso) - Weltexpresso ist schon ausführlich darauf eingegangen, daß anläßlich des dreihundertsten Geburtstags von Martin Johann Schmidt, genannt „Kremser Schmidt“, das Belvedere dem bekannten Barockmaler eine IM BLICKAusstellung widmet, wie die Reihe heißt, die in Kabinettsausstellungen Künstler aus unterschiedlichen Gründen in den Mittelpunkt stellt. Der „Rembrandt Österreichs“ gilt neben Paul Troger und Franz Anton Maulbertsch als einer der wichtigsten Vertreter der Kunst des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa.
Werke von seiner Hand stellen einen wesentlichen Teil der Barocksammlung des Belvedere dar. Auf der Eröffnung hatte Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere, betont: „Das Œuvre des Kremser Schmidt fasziniert, weil es von einer unglaublichen thematischen Vielfalt geprägt ist. Neben seinen sakralen Arbeiten geben uns einige weniger bekannte Spätwerke Einblick in die Lebenswelt des Barock. Auf diese Werke wird in der Ausstellung ein besonderer Fokus gelegt.“
Was dann bei der Sichtung der Bilder besonders auffällt, ist der immer freier werdende Umgang des Künstlers mit dem Pinsel, der insbesondere bei den Skizzen das Flüchtige der Moderne schon vorwegnimmt, ein Flirren der Farbtöne, die ohne Begrenzung ineinanderübergehen, wie es spätere Zeiten hinhauchen werden. In seiner Arbeitsweise wurde der Künstler außer von Troger und Maulbertsch wie die meisten Maler Europas besonders von Rembrandt beeinflusst. Das charakteristische Helldunkel in seinen Werken brachte ihm deshalb die Bezeichnung „Rembrandt Österreichs“ ein. Durch seine Form der Lichtregie und den Verzicht auf allzu viel Beiwerk gelang es dem Kremser Schmidt, sich vor allem auf die Bilderzählung zu konzentrieren. Er konnte in manchen Bildern dadurch eine Innigkeit erzielen, die eigentlich im Gegensatz steht zu barockem Getöse, weshalb Schmidt auch dessen Ende miteinleitet.
Der Tod des Kremser Schmidt im Jahr 1801 wird oftmals als spätes Ende der langen Ära des Barock angesehen. Sein Einfluss strahlte über seine Schüler noch weit in das 19. Jahrhundert hinein, und seine Kompositionen erfreuten sich großer Beliebtheit. Deshalb kann der Kurator der Ausstellung, Georg Lechner für Österreich betonen: „Der Kremser Schmidt ist keine Neuentdeckung, weil er bereits zu Lebzeiten eine Legende und ein Klassiker war. Wir zeigen hier einen Künstler, der über die Jahrhunderte hinweg seinen Status als DER letzte bedeutende Barockmaler halten konnte und gleichzeitig mit seinen Arbeiten weit in die Zukunft wies.“ Daß dies in Deutschland und auch in der Schweiz nicht zutrifft, hatten unsere ersten Artikel in WELTEXPRESSO aufgezeigt, weshalb wir unsere Berichterstattung hiermit abrunden.
Für den heutigen Kunstkenner ist das Werk des Kremserschmidt einfach mit dem Namen Rupert Feuchtmüller verbunden. Das von ihm 1989 publizierte Werkverzeichnis umfasst gut 1 100 Nummern, die tatsächliche Zahl der Werke liegt jedoch höher. In der Barocksammlung des Belvedere befinden sich 18 eigenhändige Gemälde von Martin Johann Schmidt, daneben Zeichnungen, Druckgrafiken und Bilder von Mitarbeitern seiner Werkstatt. Ergänzt werden diese in der Ausstellung durch Leihgaben, viele davon aus privaten Sammlungen, in denen sich bis heute zahlreiche Werke des Kremser Schmidt befinden.
Weltexpresso hatte zur heutigen Einschätzung dieses Werkverzeichnisses ebenfalls den Kurator Georg Lechner befragt, der antwortete: „Das Werkverzeichnis von Feuchtmüller 1989 hat nach wie vor Bestand! 2001 kamen ein paar (teils kleine) Publikationen anlässlich des 200. Todestages heraus (Alte Galerie Graz, Seitenstetten, St. Peter in Salzburg und insbesondere Stift Göttweig), daneben noch ein paar wenige Aufsätze. Jüngst – anlässlich der Ausstellung im Diözesanmuseum St. Pölten – der Katalog „Out of the dark“ mit guten Beiträgen."
Will man noch einmal zusammenfassen, weshalb der Besuch der Ausstellung ein solcher Gewinn ist, dann muß man von der kunsthistorischen Bedeutung her nichts mehr hinzufügen. Aber für den Besucher, der, wie wir sehen konnten, einfach hineinspaziert, weil er eine Karte für das Obere Belvedere erworben hatte, der hat hier Gelegenheit, konzentriert, also auf einen Schlag ein Zeitalter mitsamt der Bildinhalte anzuschauen, die für die damalige Welt vor und nach der Französischen Revolution von Bedeutung war.
Die sakrale Kunst bleibt das Hauptgewicht, in den Klöstern und Kirchen sitzen auch die Hauptauftraggeber, der Adel kommt hinzu. Und man sieht, daß sich aus der religiösen Malerei ein Genre herausgestaltet, das ja schon im Rokoko Bildinhalt und formale Gestaltung in Eins setzt: mythologische Darstellungen, die zeigen, daß man gelehrt ist und die Antike und das alte Testament mit seinen Geschichten kennt, dann aber auch die Szenen aus dem Alltag – nicht aus dem Alltag der Gutsherren oder feinen Damen, sondern aus dem Alltag der Handwerker, die auf einmal zum Bildinhalt werden. Ein weiter Weg von der Auferstehung Christi zum Zahnzieher in der Vorstadt! Das genannte Gemälde heißt offiziell Der Zahnbrecher, aber Der Sägfeiler ist auch nicht schlecht. Sie vermitteln einen Einblick in den Alltag im 18. Jahrhundert, als die Zahnmedizin in ihren Anfängen steckte und noch viele heute ausgestorbene Handwerke existierten.
Fotos:
© belvedere.at
Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.
Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018
Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.
Fotos:
© belvedere.at
Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.
Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018
Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.