Sven Johne »A Sense of Warmth«, 2015 bis 31. März 2019 im Landesmuseum Darmstadt
Felicitas Schubert
Darmstadt (Weltexpresso) - Vogelschwärme ziehen ihre Runden, fliegen aufeinander zu, stoßen in Reihen nach oben und in Formation den Wolken entgegen. Sven Johnes ebenso poetische wie dramatische Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind unterlegt mit dem Bericht einer Aussteigerin, die ihrem seelenlosen Job auf eine Insel und in ehrenamtliche Arbeit im Vogelschutz entflieht. Sie konnte nicht mehr schlafen, ständiges Grübeln, stete Zweifel an der eigenen Selbstverwirklichung. Vom radikalen Schnitt verspricht sie sich ein neues Leben im Einklang mit sich und der Natur. Von ihr hören wir nur ihre schöne Stimme. Sie erzählt engagiert von ihrem Paradies.
Der Titel »A Sense of Warmth« (»Ein Gefühl von Wärme«) beschreibt die Empfindung der Sonne bei der Ankunft auf der einsamen Insel und die moralische Zufriedenheit mit einer sinnvollen Aufgabe, ohne Lärm, Konsumterror, Fernsehen, Social Media oder Umweltzerstörung. Doch auch die Utopie dieses »echten« Lebens hat eine grausame Kehrseite. Der ästhetische Kontrast der Aufnahmen erfüllt sich in einer dunklen Wendung des Idealismus der studierten Psychologin, die bald anfängt, wie früher Arbeitsprozesse, nun das natürliche Gleichgewicht zu optimieren.
Ausstellungsgespräch
März 2019, 17 Uhr mit Dr. Gabriele Mackert, Kuratorin
Eintritt 6, ermäßigt 4 Euro
Videoreihe »Ozeanische Gefühle« bis Dezember 2019
In seinem neuen Videoraum stellt das Hessische Landesmuseum Darmstadt im monatlichen Wechsel internationale Filme über die Neugierde des Menschen, seine Umwelt und die Natur zu erforschen, zu verstehen und zu gestalten, vor. Der Titel »Ozeanische Gefühle« verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der die Geschichte des Darmstädter Universalmuseums seit über 200 Jahren prägt. Er beschreibt die Sehnsucht, sich als Teil der Ewigkeit und des Unendlichen zu erleben. Das Wort »ozeanisch« ist dabei nicht wörtlich zu verstehen. Es geht nicht um eine spezielle Empfindung beim Anblick des Meeres, sondern um das emotionale Einssein mit der Welt und die Zugehörigkeit zum Ganzen.
Der Wunsch der Menschen, ihr Dasein und die Welt zu verstehen, erscheint gleichsam »ozeanisch«. Unbegrenzt und schrankenlos erkunden und kategorisieren wir die Erde, eignen sie uns an oder erfinden neue Welten. Dies gilt ebenso für die Effekte der Globalisierung und die Kreisläufe des Kapitals. Angesichts gravierender Veränderungen unseres Planeten und bedrohlicher Umweltzerstörung erscheint nicht nur unser Verhältnis zur Natur, sondern auch die Existenz des Menschen gefährdet und damit jene allumfassende Emotion.
Vorschau
Ozeanische Gefühle 03
bis 28. April 2019
Ursula Biemann »Acoustic Ozean« (2018) und »Subatlantic« (2015)
Ozeanische Gefühle 04
April bis 31. Mai 2019
Julian Charrière »Iroojrilik« (2016)
Ozeanische Gefühle 05
bis 30. Juni 2019
Lisa Rave »Europium« (2014)
Ozeanische Gefühle 06
bis 31. Juli 2019
Simon Starling »Black Drop« (2012)
Ozeanische Gefühle 07
August bis 1. September 2019
Solveig Settemsdal »Singularity« (2016)
Ozeanische Gefühle 08
bis 29. September 2019
Jenna Sutela »Holobiont« (2018)
Foto:
Sven Johne, A_Sense of Warmth, 2015Courtesy of the artist and Galerie Klemm
©Sven Johne, VG Bild Kunst, Bonn_2019