Serie: Rheinromantik.KUNST UND NATUR im Museum Wiesbaden, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – Da haben wir uns jetzt weit wegbewegt von dem, was wir weitergeben wollten, sind aber dicht in der Ausstellung geblieben, die aber doch noch in ihrem Verlauf geschildert werden muß. Nach den beiden Räumen zu Gerning erfahren wir überhaupt erst: EIN NIEDERLÄNDER SCHENKT UNS DAS BILD VOM RHEIN. Nicht zu glauben, was Kurator Peter Forster vom Niederländer Herman Saftleven ( 1609-1685) hier zusammengetragen hat und was nach der Spezialausstellung Gerning eigentlich eine weitere eigene Ausstellung bedeutet.

 

Der Niederländer hatte unmittelbar nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 den Mittelrhein besucht. Die hohen Berge, Burgen und Kirchen, die befestigten Städte und abwechslungsreichen Flußufer faszinierten den Flachländer derart, daß er sie zeichnen und malen mußte, so daß tatsächlich er den Typus der Rheinlandschaft entwickelte. Das wird an den vielen Gemälden, die in großer Anzahl aus den Museen der Welt herbeigeholt wurden - wobei einem das Kunsthistorische Museum Wien immer wieder auffällt – auch aufgezeigt. Als DUITS GEZICHT, wurde die Ansicht vom Rhein zum Synonym für Deutsche Landschaft.

 

Im Folgenden erleben wir dann den Wandel von der barocken Ideallandschaft hin zu einer frischen Darstellung von Natur und Wirklichkeit, was mit den Namen Schütz - hier oben im Bild - und Schneider verbunden ist. Der Frankfurter Maler Christian Georg Schütz der Ältere mit seiner Familienwerkstatt und das Mainzer Brüderpaar Johann Caspar und Georg Schneider haben den maßgeblichen Anteil am Erfolg des Sujets RHEIN und tragen den maßgeblichen Teil der Ausstellung in Breite und Tiefe. Erstaunlich auch hier, wie beides ineinanderübergeht: das Bewährte zu kopieren und immer wieder Details zu verändern und dem künstlerischem Credo der Zeit zu entsprechen. Natur und Geschichtlichkeit in Gestalt der historischen Burgen verschmolzen zur Einheit, was durch die Rheinreise der Freunde Clemens Brentano und Achim von Arnim 1802 und ihrer daraus folgenden literarischen Produktion - wie schon erwähnt – zu einer 'teutschen' Angelegenheit wurde. Die Rheinromantik wurde zur deutschen Romantik.

 

Die Ausstellung nimmt auch die Koblenzer Malerfamilie Diezler mit auf die Rheinreise sowie die Düsseldorfer Malerschule, beweist aber nicht nur die nationalen Dimensionen, sondern mit den Engländern den internationalen Furor, den die Rheinromantik auslöste und auf sie wiederum einwirkte. Ein Beweis für die Wichtigkeit der Thematik Rhein kann man den Objekten der jährlichen Ausstellungen der Roayl Academy of Arts entnehmen, wo jeweils zeitgenössische Kunst – bis heute übrigens – gezeigt wurde, die auch die Wertigkeit der Themen und künstlerischen Verfahren betont: zunehmend wurde der Rhein zu einer zeitlosen Landschaft, die eine heile Welt und unberührte Natur verewigen – im Gegenteil zum einsetzenden Schienennetz der Eisenbahnen und Straßenbauten einer lärmenden Welt.

 

Auf dem Weg durch die Ausstellung haben wir die in Tieren verdinglichte Natur verloren, die aber immer wieder eingefügt ins Konzept in der Ausstellung zur Stelle ist. Besonders schön im letzten Raum, wo ein weißer Kubus mit blauem Himmel, von dem Kurator Peter Forster als SCHATZHAUS spricht. Zehn feine quadratische Hochvitrinen lassen unseren Blick auf zarte Schmetterlingsflügel fallen, die wieder einmal in den Aquarellen ihre Entsprechung in der Farbe finden. Genau: William Turner. An der einen Wand ist fortlaufend eine Rheinansicht zu sehen, die sich also jedesmal in den Schwanz beißt. Grundlage ist eine Rheinseite in der Länge von 2064, die Dielmann fertigte und die hier animiert, auf andere Weise den Rhein ewig macht. Nahe geht einem auch der letzte Stör, der 1840 bei St. Goarshausen/Rhein gefangen wurde. Das Tier liegt unter Glas in seiner Länge von fast drei Metern und dem Ursprungsgewicht von 300 Kilogramm vor einem wie ein Kunstwerk. Außerordentlich kunstvoll seine Dreieckstruktur am Rücken und die rote Halskrause sowieso.

 

Sowieso ein Lob den Gestaltern der Ausstellung. Zuerst hat uns gefallen, wie im ersten Raum die fünf Fenster mit romantischem Grundbestandteil überzogen sind: Mond, Mondschein, glitzerndes Wasser, finstere Bäume, dunkle Felsen und Burg sowie Ruine. Sie entsprechen in gehöriger Vergrößerung dem in der Ausstellung hängenden Gemälde von Johann Wilhelm Schirmer MONDNACHT AM WALDSEE und sind Sinnbild dessen, was die Romantik zwischen heimelig schön und schwarz unheimlich ausmacht. Immer wieder wird. dem Thema angemessen, 'bürgerlich' gehängt, d.h. es wird an einer Wand vollgehängt gezeigt, über was das Haus alles verfügt. Schlösser allerdings hängen als Supraporten. Es war zudem eine gute Entscheidung, mit Gerning und weißem Grund anzufangen und die folgenden Räume in einem erdigen braunen Ton zu streichen, auf denen sich die goldglänzend gerahmten Gemälde wie Schmuckstücke abheben und man die rheinische Erde und die strahlende Sonne wiederfindet. Sowohl erdverbunden wie abgehoben in die Höhe. Eine beeindruckende Ausstellung.

 

 

Bis 28. Juli 2013

 

Katalog:

 

Rheinromantik. Kunst und Natur, hrsg. von Peter Forster u.a., Verlag Schnell und Steiner, 2013. Dieser Katalog ist wieder nicht nur in der Größe ein Klotz, sondern auch im Gewicht. Aber was soll man sich beklagen, wenn Schwergewichtiges drinnen steht. Auf den 500 Seiten wird erst einmal die Genese der Ausstellung angesprochen, die vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain angestoßen, für das Museum ein zurück zu den eigenen Wurzeln bedeutete, was in der Ausstellung in Person des Johann Isaak von Gerning (1767 – 1837, jeweils Frankfurt) in den beiden ersten Räumen zum Tragen kommt, hier aber noch einmal sehr viel ausführlicher nachvollzogen werden kann. Eine kulturhistorisch wichtige Aufarbeitung, die einem nachgerade ein schlechtes Gewissen macht, weshalb Vater und noch mehr Sohn Isaak in heutigen Diskussionen – bisher - keine Rolle spielen, bewunderter und dann verachteter Goethe aber allgegenwärtig ist.

 

In zwei Kapiteln erfahren wir also von Gerning auch, daß er der Vater des Eigennamens TAUNUS ist, dessen Hügel und Berge bis dahin schlicht HÖHE lauteten, was sich in Bezeichnungen wie Bad Homburg vor der Höhe sogar noch erhalten hat. Wir erfahren auch, daß Gerning, wie reden immer vom Sohn Isaak, zwar der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt beigetreten ist, aber daß er bedauert: „daß seine Schmetterlingssammlung nicht ein Eigenthum des Museums habe werden können, da sie nunmehr nach Wiesbaden verkauft sey...“. Von ihm selbst natürlich. Zwei weitere Beiträge vertiefen das Wirken Gernings in der Region.

 

Die weiteren elf Kapitel gehen dann einerseits mit den hiesigen Malerfamilien in die Vollen – wie sehr der IMPULS ROMANTIK des Kulturfonds für die hiesige Region überfällig ist, ist eine der bestürzenden Einsichten – und nehmen andererseits den Rhein in seiner Dualität von Strom und Naturforschung sowie Anschauungsobjekt für Maler ins Visier. Dabei sind viele kunsthistorische Entdeckungen zu machen, auf jeden Fall Vertiefungen, bei denen man für FrankfurtRheinMain wünscht, daß man diese Maler und Malerfamilien in Ausstellungen des Frankfurter Museums Giersch wiedersieht, das sich verdienstvoll der regionalen Kunst und insbesondere auch dem 19. Jahrhundert widmet.

 

www.museum-wiesbaden.de