Serie: Rheinromantik.KUNST UND NATUR im Museum Wiesbaden, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – Was in dieser Ausstellung so wichtig zu begreifen wird, ist, , wie und was alles in eins gehen kann. Zum Beispiel die Loreley, die ja erst Clemens Brentano nach seiner Rheintour mit Achim von Arnim als Figur einer Ballade 1802 erfand und von der wir heute glauben möchten, daß sie zum urgermanischen Schatz gehöre, weil sich in dieser Figur einfach so viele Phantasien bündeln.

 

Heinrich Heine hat sie 1824 unvergeßlich zur gefährlichen femme fatal gemacht, die Frau, nach der man sich sehnt, die aber nie zur Erfüllung wird, sondern zum Untergang führt. Die Weise „Ich weiß nicht was soll es bedeuten“, hat auch dem Komponisten Friedrich Silcher 1837 Nachruhm beschert, obwohl noch rund 40 andere Vertonungen dazukamen, darunter auch Franz Liszt und Clara Schumann!

 

Die sagenhafte Loreley ist tausendfach auf Bildern abgebildet und steht sogar auf dem Heinrich-Heine-Denkmal in New York. Daß uns die Ausstellung mit ihr als gelockter Schönheit von Wilhelm Kray entläßt, ist ein Schmankerl, das Lust auf mehr Rheinkitsch macht! Die Loreley hoch droben auf dem Felsen ist eben auch ein Symbol dafür, daß sie doch nie ganz zu fassen ist, weil sie - wie der Rheinstrom - nicht festgehalten werden kann. Die Rheinromantik feiert von daher auch den Augenblick, den unwiederbringlichen.

 

Die gehäufte Anzahl der Aquarelle - weitaus häufiger als in anderen Kunstausstellung – sind in gewisser Weise der künstlerisch adäquateste Ausdruck der Rheinromantik. Wie gut traf es sich, daß sie gleichzeitig finanziell derart verwertbar waren. An zwei Beispielen kann man das verdeutlichen. 1820 hatte Gerning in London einen illustrierten Reisebericht herausgegeben A PITORESQUE TOUR ALONG THE RHINE, FROM MENTZ TO COLOGNE, für den er Christian Georg Schütz der Vetter 24 Aquarelle anfertigen ließ, die dann von zwei Engländern für den Druck gestochen wurden.

 

Das Buch, das 1819 zuerst auf Deutsch erschienen war, wurde nicht nur erfolgreich, sondern zum berühmtesten Prachtwerk der Rheinromantik in England, das umgehend und auf längeres eine Welle des Rheintourismus auslöste. Die 24 Aquarelle, die über Gerning ins Museum Wiesbaden gelangten, hängen nun in zarter, aber durchschlagender Pracht hier an der Wand, während in der Glasvitrine Exemplare des englischen Buches aufgeschlagen zeigen, wie adäquat die Zeichnungen als Drucke umgesetzt wurden.

 

Dieser große Erfolg verhagelte gleichzeitig Turner das Konzept. Denn auch er hatte ein Buch mit gestochenen Rheinansichten herausgeben wollen, schließlich war er 1817 auf dem Rückweg von den Schlachtfeldern von Waterloo vom 18. bis 26. August am Rhein. Er wanderte von Köln bis Bingen,nahm dort das Boot nach Mainz und zeichnete so genau wie möglich, weil die Skizzen topographische Genauigkeit brauchten, die er dann bei der Umsetzung in andere Medien variieren konnte, wie in der Aquarellserie von 1817, deren Blätter in der Ausstellung in unglaublicher Fülle vorhanden sind. Sie zeigen einen dahingehauchten Rhein, dessen Konturen wie die seiner umliegenden Landschaft, den Hügeln, Felsen, Burgen und Bäumen sich im Dunst auflösen und gleichzeitig durch häufige schon dramatische Himmelsformationen von Wolkengebilden etwas Ephemeres erhalten,hier war es noch eben und schon ist es vorbei! Fast wie eine Fata Morgana muten einen diese Wasser- und Deckfarben an.

 

Nun hatte Turner also die vielen Aquarelle, aber nach dem erfolgreichen Werk von Gerning mit Hilfe der Schützschen Aquarelle schien ein weiterer Band ökonomisch nicht möglich. Wohl aber reiste Turner weiterhin an den Rhein, wovon hier Farbstudien, „ca. 1824-32“ zeugen, die gleich Zweierlei gegenüber den Aquarellen von 1817 verändern. Die Farbpalette wird dunkel und die Konturen lösen sich fast ganz auf. Die noch späteren Aquarelle ab 1839 werden farbiger und wieder heller und sind eigentlich nur noch als Atmosphäre wahrnehmbar, wo man die Konturen, wenn man sie kennt: Koblenz und Ehrenbreitstein aus der Ferne, noch erkennt, aber alles seinen festen Charakter verloren hat und nur noch Licht- und Farbenspiel ist. Insofern leistet diese Ausstellung auch gleichzeitig eine Kenntnis der Entwicklung von Turner, dessen weitere Wasserfarben aus den Vierzigern an abstrakte Luft- und Farbstudien erinnern, die durch Mond oder Sonne oder Hügelverlauf etwas Überirdisches gewinnen, irgendwie abgehoben aus der diesseitigen Welt.

 

 

P.S. Im Ernst, etwas mehr Rheinkitsch hätte schon sein dürfen. Die Ausstellung ist kunsthistorisch so wertvoll, daß sie mehr als ein Augenzwinkern Richtung Kitsch verträgt. So wie in den letzten Jahren der Uta von Naumburg, oder den Raffaelschen Engelchen in Dresden in den jeweiligen Ausstellungen ein eigenes Kitschkabinett zur Verfügung gestellt wurde, hätten wir ein solches auch hier in Wiesbaden goutiert. Es kann aber sein, daß dann der Platz im Museum nicht gereicht hätte, denn der Rheinkitsch ist fast grenzenlos. Vielleicht finden wir etwas davon im Museumsladen wieder, den wir nicht besuchen konnten.

 

 

Bis 28. Juli 2013

 

Katalog:

 

Rheinromantik. Kunst und Natur, hrsg. von Peter Forster u.a., Verlag Schnell und Steiner, 2013. Dieser Katalog ist wieder nicht nur in der Größe ein Klotz, sondern auch im Gewicht. Aber was soll man sich beklagen, wenn Schwergewichtiges drinnen steht. Auf den 500 Seiten wird erst einmal die Genese der Ausstellung angesprochen, die vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain angestoßen, für das Museum ein zurück zu den eigenen Wurzeln bedeutete, was in der Ausstellung in Person des Johann Isaak von Gerning (1767 – 1837, jeweils Frankfurt) in den beiden ersten Räumen zum Tragen kommt, hier aber noch einmal sehr viel ausführlicher nachvollzogen werden kann. Eine kulturhistorisch wichtige Aufarbeitung, die einem nachgerade ein schlechtes Gewissen macht, weshalb Vater und noch mehr Sohn Isaak in heutigen Diskussionen – bisher - keine Rolle spielen, bewunderter und dann verachteter Goethe aber allgegenwärtig ist.

 

In zwei Kapiteln erfahren wir also von Gerning auch, daß er der Vater des Eigennamens TAUNUS ist, dessen Hügel und Berge bis dahin schlicht HÖHE lauteten, was sich in Bezeichnungen wie Bad Homburg vor der Höhe sogar noch erhalten hat. Wir erfahren auch, daß Gerning, wie reden immer vom Sohn Isaak, zwar der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt beigetreten ist, aber daß er bedauert: „daß seine Schmetterlingssammlung nicht ein Eigenthum des Museums habe werden können, da sie nunmehr nach Wiesbaden verkauft sey...“. Von ihm selbst natürlich. Zwei weitere Beiträge vertiefen das Wirken Gernings in der Region.

 

Die weiteren elf Kapitel gehen dann einerseits mit den hiesigen Malerfamilien in die Vollen – wie sehr der IMPULS ROMANTIK des Kulturfonds für die hiesige Region überfällig ist, ist eine der bestürzenden Einsichten – und nehmen andererseits den Rhein in seiner Dualität von Strom und Naturforschung sowie Anschauungsobjekt für Maler ins Visier. Dabei sind viele kunsthistorische Entdeckungen zu machen, auf jeden Fall Vertiefungen, bei denen man für FrankfurtRheinMain wünscht, daß man diese Maler und Malerfamilien in Ausstellungen des Frankfurter Museums Giersch wiedersieht, das sich verdienstvoll der regionalen Kunst und insbesondere auch dem 19. Jahrhundert widmet.

 

www.museum-wiesbaden.de