Serie: Rheinromantik.KUNST UND NATUR im Museum Wiesbaden, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – In Frankfurt streitet man noch um ein Deutsches Romantikmuseum, in Wiesbaden klotzt man mit einer kulturhistorischen Ausstellung, die zeigt, warum der IMPULS ROMANTIK, zu dem der Kulturfonds für unsere Region aufgerufen hat, hier in Wiesbaden eine Heimat hat.

 

Denn diese Ausstellung findet in dem Haus statt, das seine Bestände erst einmal dem aus Frankfurt gebürtigen Johann Isaak von Gerning (1767-1837) verdankte, der als eine zentrale Figur der Rheinromantik das machte, was schon der Flußverlauf nahelegt: körperlich und geistig in Bewegung bleiben, reisen und sammeln, die Natur bewahren und sie in Kunst überführen, wo möglich: „Welch entzückendes Bild gestaltete Mutter Natur hier, wie nacheifernde Kunst nimmer zu malen vermag.“, sagte er 1813, was die Wiesbadener Ausstellung mit großer Geste in vielen Räumen widerlegt.

 

Man ist fasziniert von den vielen Aspekten der Ausstellung, die in den einzelnen Räumen nicht nur thematisch gehängt ist, sondern geradezu eine dynastische Ausbreitung hiesiger Malerfamilien wie Schütz und Schneider bringt, wo der RheinMainMensch erst einmal sieht, welche regionale Maler- und Zeichnerqualität das 19. Jahrhundert beherrschte, wo aber durch die Sammlung Gerning auch der Zusammenhang von Natur und Kultur materialisiert wird. Einfach auch ästhetisch beglückend, wenn die mit Vögelchen besetzten quasi „Bonsai“-Vogelbäume gleich zu Anfang der Ausstellung unter dem Glassturz die Natur zur Kunst machen und wenn man die vielen Schmetterlinge, 50 000 waren es insgesamt, zwar aufgespießt, aber in solcher Formen- und Farbenpracht leuchten sieht, daß das einfach schön ist. Mit mit offenem Mund entdeckt man später in den vielen Aquarellen von Joseph Mallord William Turner – selten außerhalb Londons so viele auf einen Streich - diese Farben in einem Lichtrausch wieder. Aber da sind wir schon am Schluß der Ausstellung, die also unter vielen Facetten KUNST und NATUR beleuchtet.

 

Mit der Person des Johann Isaak von Gerning fängt es also an, der als Dichter und Maler, Historiker und Naturkundler in Rom – sein von Angelika Kauffmann liebevoll gemaltes besinnliches Porträt begrüßt einen – genauso weilte wie in England, wo die Rheinromantik ihre stärksten Befürworter fand. Auf dem Weg der Grand Tour, die nicht mehr nur den Adel zu den kulturellen Schätzen des Südens führte, wurde der Rhein für das weltoffene englische Bürgertum nicht nur zu einer Station, sondern blieb für so manchen die Endstation, denn der Rheintourismus gewann einen Selbstwert, was einfach mit dem Fluß, seiner Besiedelung, den Bergen und ihren Burgen zu tun hat, die an eine Ideallandschaft erinnerte. 1827 gab es 18 000 Touristen. Im selben Jahr wurde die reguläre Dampfschiffahrt eingeführt, was die Touristen zehn Jahr später 1837 auf 150 000 steigerte.

 

Die Motive waren vielfältig. Die Sammler gingen an den Rhein. Der Naturphänomene wegen. Die Maler gingen an den Rhein. Der malerischen Landschaft wegen. Die Dichter gingen an den Rhein. Der romantischen Inspiration wegen. Wie natürlich, daß die Touristen folgen, schöpfen doch die Künstler und Wissenschaftler aus dieser Landschaft und ihrem Liebreiz einen ästhetischen Mehrwert, der durch das Beieinanderliegen von Fluß und Firmament und Höhen, auf denen Burgen stehen, einen romantischen ganzheitlichen Lebensentwurf ergeben, der die Seelen der mit der längst begonnenen Industrialisierung Beschwerten läutern sollte und eine Einheit von Leben und Natur suggerieren soll, die längst dahin ist, aber zumindest als Wunsch in den Menschen, die hierher kommen, noch vorhanden ist.

 

So könnte man beispielsweise – quer zur sinnvollen Ausstellungsfolge nach Künstlern und Schulen – diese Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Skizzenbücher einfach daraufhin anschauen, welche Funktion die Burgen auf ihren Bildern haben. Sind sie festgemauert in der Erden wie bei dem Frankfurter Peter Becker – eine Entdeckung! - die Burgen Stolzenfels und Eltz, eine höchst ungewöhnlich anmutende renaissancehafte Materialisierung von Stein und Natur am Rhein, festgemauert wie auch Johann Wilhelm Schirmers DIE EIFELBURG oder sind die Burgen fragile Ruinen wie vielfach in den Gemälden der Großfamilie Schütz, oder auch das in eins geschmolzene massive Gebilde wie DER AUBERG bei Geroldstein von Carl Friedrich Lessing, wo Fels und Burg nicht mehr zu unterscheiden wären.

 

Am stärksten allerdings sind die Burgen zu Ruinen geworden in den Werken der vielen Engländer wie Webb und Stanfield, die an den Rhein kamen, weil ihnen die in ihren Bildern auf Strom, Nachen, Häuser, von den Burgruinen überlagerte reduzierte Landschaft den direkten Mittelalterbezug möglich machten. Es war nicht nur ein Zurück zur Natur, sondern ein Zurück zur Menschengeschichte, als die Welt noch eine einheitliche schien. Auch dies ist Rheinromantik, aber nicht nur. Fortsetzung folgt.

 

 

Bis 28. Juli 2013

 

Katalog:

 

Rheinromantik. Kunst und Natur, hrsg. von Peter Forster u.a., Verlag Schnell und Steiner, 2013. Dieser Katalog ist wieder nicht nur in der Größe ein Klotz, sondern auch im Gewicht. Aber was soll man sich beklagen, wenn Schwergewichtiges drinnen steht. Auf den 500 Seiten wird erst einmal die Genese der Ausstellung angesprochen, die vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain angestoßen, für das Museum ein zurück zu den eigenen Wurzeln bedeutete, was in der Ausstellung in Person des Johann Isaak von Gerning (1767 – 1837, jeweils Frankfurt) in den beiden ersten Räumen zum Tragen kommt, hier aber noch einmal sehr viel ausführlicher nachvollzogen werden kann. Eine kulturhistorisch wichtige Aufarbeitung, die einem nachgerade ein schlechtes Gewissen macht, weshalb Vater und noch mehr Sohn Isaak in heutigen Diskussionen – bisher - keine Rolle spielen, bewunderter und dann verachteter Goethe aber allgegenwärtig ist.

 

In zwei Kapiteln erfahren wir also von Gerning auch, daß er der Vater des Eigennamens TAUNUS ist, dessen Hügel und Berge bis dahin schlicht HÖHE lauteten, was sich in Bezeichnungen wie Bad Homburg vor der Höhe sogar noch erhalten hat. Wir erfahren auch, daß Gerning, wie reden immer vom Sohn Isaak, zwar der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt beigetreten ist, aber daß er bedauert: „daß seine Schmetterlingssammlung nicht ein Eigenthum des Museums habe werden können, da sie nunmehr nach Wiesbaden verkauft sey...“. Von ihm selbst natürlich. Zwei weitere Beiträge vertiefen das Wirken Gernings in der Region.

 

Die weiteren elf Kapitel gehen dann einerseits mit den hiesigen Malerfamilien in die Vollen – wie sehr der IMPULS ROMANTIK des Kulturfonds für die hiesige Region überfällig ist, ist eine der bestürzenden Einsichten – und nehmen andererseits den Rhein in seiner Dualität von Strom und Naturforschung sowie Anschauungsobjekt für Maler ins Visier. Dabei sind viele kunsthistorische Entdeckungen zu machen, auf jeden Fall Vertiefungen, bei denen man für FrankfurtRheinMain wünscht, daß man diese Maler und Malerfamilien in Ausstellungen des Frankfurter Museums Giersch wiedersieht, das sich verdienstvoll der regionalen Kunst und insbesondere auch dem 19. Jahrhundert widmet.

 

www.museum-wiesbaden.de