DIE FARBEN DER HEILIGKEIT im im Ikonen- und Dommuseum in Frankfurt am Main, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auf eine Besonderheit stößt man auch: Die stillende Gottesmutter. Die kennen wir in der Westkunst gut als MARIA LACTANS, weniger in der Ostkunst, wo sie als Galaktrotrophousa im Byzantinischen die Tradition aufgreift, auf die auch MARIA zurückgeht, sowohl auf ägyptische Vorbilder wie auch römische als Caritas. Die Nährerin war die Rolle der Frau als Mutter, aber auch darüberhinaus als Gottheit.

 

Wobei wir wieder bei dem Thema sind, wie interessant es wäre, man könnte die Symbole der Religionen in ihren Bildprogrammen direkt vergleichen und Abhängigkeiten genauso sinnlich wahrnehmen wie ihre Unterschiede. Und dabei geht uns der gerade im Ikonenmuseum geäußerte Vorschlag von August Heuser vom Dommuseum wieder durch den Kopf. Meint er mit einem kirchlichen oder Museum der Religionen auch so etwas? Wir hätten als Fragen viel beizutragen. So konnte uns bisher noch kein Experte des Alten Testamentes erklären, wieso Moses auf dem Nil ausgesetzt wird und von der ägyptischen Königstochter gerettet wird, er dann aber einen Bruder Aaron hat, mit dem ihn sogar die Oper vereint.

 

Da sind wir aber weit abgekommen und wenden uns wieder der Ikone zu, die wir im übrigen die ganze Zeit betrachtet haben. Denn sie nimmt abschweifende Gedanken nicht übel. Unsere stillende Gottesmutter hier ist aus dem 17. Jahrhundert und ihr blank geputztes Gesicht wirkt wie aus Bronze gegossen. Das ist ein starker Eindruck angesichts der Lieblichkeit ihrer Züge und des so grafischen Blätter- und Bäumemusters als Hintergrund. Daß das kleine Jesulein so greisenhafte Züge trägt, paßt in den Kontext ihrer Herleitung.

 

Über uns sind diese herrlichen Ikonen auch deshalb gekommen, weil wir noch im deutsch-russischen Freundschaftsjahr 2012/2013 sind, das sich zum Titel wählte: „Gemeinsam die Zukunft gestalten“, was angesichts der gewaltigen Referenzausstellung, die nach Moskau nun in Berlin gezeigt wird, ein einsichtiger Appell wird, denn geschichtlich verbindet Rußland und Deutschland eine Menge. Meist einseitig, indem man Deutsche nach Rußland holte, um von ihnen zu lernen. Nach Deutschland fuhr man dann auch zum Studium oder zum Glücksspielen. Aber hier sind wir die Lernenden, denn noch immer gilt Ikonenkunst vielen als hermetisch. Leider. Dabei hat sie ein letztlich einfaches Bildprogramm, das nur voraussetzt, daß man die Ikone auf sich wirken läßt, was – wie schon ausgeführt – Zeit braucht.

 

Zeit aber auch, im Dommuseum noch einmal vorbeizuschauen, wo die zwei ja vielleicht doch schönsten Ikonen nebeneinander hängen. Fast eingeengt und von der gegenüberliegenden Vera Ikon, dem Christusgesicht, das fast wie ein Comic wirkt, wohl verzückt angestarrt. Es sind zwei Ikonen direkt aus Moskau aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert. Das ist also die Zeit, wo in Florenz die Frührenaissance neue Wege öffnete und wo die Wandmalerei als öffentliches Lesebuch fungierte und die Geschichten der Welt und der Kirche erzählte. Auch diese beiden Ikonen waren zugänglich und nicht in Palästen verborgen. Sie kommen aus einer Ikonostase – das ist diese Bilderwand als Trennung zwischen den Gläubigen und dem Heiligen und Klerus – einer kleinen Kirche. Diese Ikonostasen sind generell horizontal gegliedert. Diese beiden nun entstammen der dritten Reihe, das ist die Festtagsreihe und beschreiben im Bild einmal „Einzug Christi in Jerusalem“ und ein andermal „Christi Himmelfahrt“.

 

Das sind ja geläufige biblische Themen und so geht es auch nicht um Sensationelles bei der Darstellung, sondern um die Feinheit und Schönheit, die in diesen beiden Tafeln von den Ereignissen Christi künden. Kein Wunder, daß sich - auf Nachfrage - der Direktor des Andrej-Rubljow-Museums, Genadi Popov, zu diesen beiden Ikonen als seinen Lieblingsstücken bekennt. Er wird sie ja wieder zurückerhalten. Aber wir Besucher müssen uns beeilen. Während im Ikonenmuseum genug Zeit bleibt, die Ausstellung anzuschauen, muß im Dommuseum schon am Ostermontag die Kunst als Fracht verpackt und nach Amsterdam geschafft werden.

 

Es gibt nämlich auch ein diesjähriges Holland-Rußland-Jahr, wobei das Frankfurter Ikonen-Museum die Rolle des Kulturvermittlers übernommen hat und eine Brücke von Moskau über Frankfurt nach Utrecht gebaut hat. Alle die Ikonen, die nach Utrecht weiterwandern, hat man deshalb im Dommuseum ausgestellt, weshalb also der Besuch durchaus eilt. Und ein andermal mehr zu einem Museum der Kirchen oder Religionen, das uns jetzt im Kopf herumspukt, weil August Heuser ein Samenkorn legte. Demnächst hoffentlich mehr.

 

 

P.S. Es wäre schön, wenn irgendwo in Frankfurt in der Zeit der Ausstellung auch der so beeindruckende Film ANDREJ RUBLJOW gezeigt werden könnte, den 1969 der russische Regisseur Andrej Tarkowski – man möchte sagen: kongenial – schuf.

 

Ikonenmuseum: 3. März – 11. August 2013

Dommuseum: 3. März – 1. April, da diese Ikonen nach Utrecht weiterreisen.

 

 

www.domuseum-frankfurt.de

www.ikonenmuseumfrankfurt.de