Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine 1850-1930. Sonderausstellung in der Städtischen Galerie in Karlsruhe
Sabine Zoller
Karlsruhe (Weltexpresso) - Die Sonderausstellung, die sich über einen Zeitraum von acht Jahrzehnten erstreckt, präsentiert daher nicht nur unterschiedliche Stilrichtungen sondern zudem Werke von 40 Künstlern, die durch die künstlerische Ausbildung in Paris ihren Malstil verändert haben.
Zu sehen ist dadurch das facettenreiche Bild einer Kunst-Metropole, die trotz deutsch-französischer Kriege immer wieder zum Sehnsuchtsort deutscher Künstler avanciert. Dass dabei nur vier Künstlerinnen zu sehen sind liegt daran, dass Frauen bis ins 20. Jahrhundert an Akademien nicht zum Studium zugelassen waren.
Auch Künstlerinnen orientieren sich an der Kunstmetropole
„Das kleine Pastell ist der Beleg dafür, dass auch Melitta 1930 nach Paris gefahren ist“, erklärt Sylvia Bieber. Die Kunsthistorikerin hat sich intensiv mit der Geschichte von Künstlerinnen im Südwesten beschäftigt und präsentiert daher stolz die 1909 Geborene, die - wie sie selbst - Pforzheim zu ihrem Geburtsort zählt. Das kleine Bild zeigt in schwarzer Pastellkreide eine perspektivisch spannende Ansicht von einer „Brücke in Paris“ mit dynamischen Brückenbögen im Vordergrund und einem freien Blick auf die Häuser der führenden Kunstmetropole Europas im Hintergrund. Paris, die Millionenstadt mit großen Boulevards, Straßencafés und pulsierendem Leben, beeinflusste viele Künstler, die aus dem benachbarten Baden anreisten, um sich Inspirationen für ihr kreatives Schaffen zu holen. Die künstlerischen Ergebnisse jener Reisen zeigt die Sonderausstellung in der Städtische Galerie bis zum 2. Juni 2019. Unter dem Titel „Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine 1850 bis 1930“ sind nach Aussage von Kuratorin Brigitte Baumstark „die Namen zweier höchst unterschiedlicher Städte vereint“, die „mit einseitiger Orientierung“ durch die bildende Kunst verbunden waren.
Künstlerinnen in Paris
Im Alter von 21 Jahren reist Melitta Auwaerter, die als Künstlerin unter ihrem Vornamen Melitta firmierte, in die Stadt der Künste und sucht nach neuen Motiven für den eigenen Stil. Während Frauen erst im 20. Jahrhundert der Zugang zum Kunststudium gewährt wurde, fanden bereits vor ihrer Zeit Künstlerinnen wie Martha Kropp, Clara Johanna Ris oder die eine Generation ältere Alexandra von Berckholtz in Paris neue Ausbildungsmöglichkeiten an Privatakademien. Obwohl sich von Berckholtz in der pulsierenden Millionen Metropole von 1848 bis 1954 bei Aktmalerei - ein für damalige Zeit an einer deutschen Akademie unerschließbares Terrain für eine Frau - schult, alte Meister im Louvre kopiert und Unterricht bei Historienmalern nimmt, bleibt ihr bei ihrer Rückkehr nach Karlsruhe der Zugang zur neu eröffneten Großherzoglich Badischen Kunstschule 1854 verwehrt. Anders dagegen Martha Kropp, die ein halbes Jahrhundert später zunächst an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe studiert und im Anschluss daran von 1908 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Kulturaustausch an der Stadt an der Seine lebt. Der Aufenthalt im Paris der Belle Epoche veränderte auch bei ihr die künstlerische Haltung, die Arbeitsweise und die Sichtweise auf das Sujet. Beeinflusst vom Spätimpressionismus gelten ihre Gemälde als Entdeckung in der Ausstellung. Lichtdurchflutete Landschaften, mit raschem Pinselstrich und pastoser Farbe aufgetragen begeistern ebenso wie Portraits, die die Besonderheiten eines Menschenschlags wiedergeben. Ihre „Bretonischen Kinder“ betonen das Kindlich-Unbeschwerte, womit sich das Bild deutlich von der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts abhebt und nach Aussage von Kulturamtsleiterin Susanne Asche beweist, dass „Kunst immer international ist“ und deutsche Künstler unvoreingenommen in die französische Metropole gereist sind, um von Kollegen zu lernen.
Melitta
Von den rund 200 Exponaten ist nur eines von Melitta zu sehen, das sich „mit Paris-Bezug erhalten hat“. Es stammt aus dem Jahr 1930 und steht am Ende der „Reisezeit“ zwischen 1850 und 1930, als nachweislich rund 120 Künstler und Künstlerinnen mit Verbindungen zur Karlsruher Kunstakademie dem Ruf an die Seine folgten. Melitta stammt aus großbürgerlichen Verhältnissen, doch 1915 verkauft ihr Vater seine Schmuckfabrik in Pforzheim und zieht mit der Familie nach Karlsruhe um. Als Stipendiatin erhält Melitta in der Kunstakademie Zeichenunterricht bei Georg Scholz und Karl Hubbuch, der bei seiner ersten Reise nach Paris 1926 noch überwiegend Architekturstudien anfertigt, aber seinen Blick bei darauffolgenden Studienreisen auf die vielfältigen Aspekte des modernen Lebens auf der Straße, in Bars und Caféhäusern richtet. Er zeigt die Menschen arbeitend, flanierend, im Café sitzend oder auf die nächste U-Bahn wartend.
Es war das soziale Gefüge der Stadt, das ihn ebenso wie sein Kollege Wilhelm Schnarrenberger, Professor für Gebrauchsgraphik an der Karlsruher Akademie, interessierte. Auch Schnarrenberger, der in den frühen 1920-er Jahren einen neusachlichen Malstil entwickelt hatte, ändert 1927 durch seine Reise nach Paris und die damit verbundenen Eindrücke impressionistischer Malerei seinen Stil. Er wendet sich der einem malerischen Realismus zu, der wiederum Melitta zu begeistern scheint. 1930, inzwischen einundzwanzigjährig, reist Melitta selbst nach Paris. Im selben Jahr wird ihr als Auszeichnung nicht nur der Karlsruher Akademiepreis verliehen. Sie besucht die Meisterklasse von Albert Haueisen, erhält ein eigenes Atelier und heiratet noch im selben Jahr ihren Lehrer Wilhelm Schnarrenberger, dessen „Boulevard du Montparnasse“ aus dem Jahr 1931 den Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, den Eiffelturm, frei gibt und damit auch den 200 Seiten umfassenden Katalog ziert. Die beeindruckende Ausstellung nimmt den Betrachter mit auf eine Zeitreise, gibt Einblicke in die legendären Stadtviertel Montmartre und Montparmasse, die noch heute Besucher aus ganz Deutschland magisch in ihren Bann ziehen.
Fotos:
Melitta
© sz
Info:
Ausstellung 23. Februar - 2. Juni 2019 :
Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine 1850-1930.
Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. – ZKM Gebäude.
Mittwoch bis Freitag, 10 bis 18 Uhr,
Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.
Katalog aus dem Michael Imhof Verlag 25 Euro