FASZINATION FREMDE im Museum Giersch in Frankfurt am Main, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was heute in der globalisierten Welt über Fernsehen und Internet fast wie eine einzige Welt erscheint, ist früher mit Geheimnissen behaftet - manche Länder sogar wie der Jemen bis 1980 hermetisch verschlossen -, insbesondere für das 19. Jahrhundert eine Faszination gewesen, zu der man selbst zu Abenteuerreisen aufbrach und, wenn man das nicht konnte, sich durch Bilder von der Fremde erzählen und faszinieren ließ.
Die Ausstellung bringt aus diesem Zeitraum, der sich in das 20. Jahrhundert fortsetzt, aus vielen Teilen der Welt Gemälde und Zeichnungen an die Wände, die höchst unterschiedlich mit dem Fremden umgehen. Mal wird es einverleibt, scheint ein Teil von uns zu sein, mal wird es stattdessen noch fremder stilisiert, als es eh schon ist. Warum das 19. Jahrhundert? Nein, daß das Museum Giersch ein Museum ist, daß vorwiegend Künstler der Gegend und Künstler des 19. Jahrhunderts präsentiert, ist nur der eine Hintergrund. Der andere ist, daß erst im 19. Jahrhundert für eine breitere Schicht – die waren immer noch ganz wenige, aber es war möglich geworden – das Reisen in fremde Länder und ferne Erdteile organisiert werden konnte. Die Mobilität war das eine, die Abenteuerlust das andere, die naturwissenschaftliche Erkundung ein Weiteres und das kulturelle Interesse sowieso. Die Lust an der Abbildung des Geschauten kommt für Maler und Zeichner und immer mehr auch für Fotografen hinzu.
Natürlich ist es in erster Linie ÄGYPTEN, mit dem der Kulturtourismus beginnt. Aber die Ausstellung verharrt nicht bei diesem bekannten Phänomen, wo es häufig Ausstellungen dazu gibt, weil die Masse der Bilder und Fotografien dies nahelegt, sondern zeigt breit, wohin es Hiesige trieb und was sie von der Reise mit nach Hause brachten oder in der Erinnerung – und gemäß den Skizzen – hier dann schufen. Dieses Sammelsurium können dicht beieinanderhängende Kopien aus der Ausstellung als eine Art Collage im ersten Stock als Entre zum Thema sehr schön verdeutlichen. Wir werden dort versammelten die Köpfe und Szenen dann in den drei Stockwerken wiederfinden, drum tut gut daran, wer hier schon einmal richtig hinschaut, was nachher im Rahmen eines Themas und in echtem rahmen wiederauftaucht. Forstsetzung folgt.
Bis 14. Juli 2013
Katalog:
Faszination Fremde. Bilder aus Europa, dem Orient und der Neuen Welt, hrsg. Museum Giersch, 2013, Verlag Michael Imhof
Wie immer ist die Ausstellung im Katalog hervorragend dokumentiert und die einzelnen zwölf Kapitel enthalten die entsprechenden Bilder, die schon im Inhaltsverzeichnis als Katalognummern angegeben sind. Das ist deshalb wichtig, weil ein Katalog sowohl die Ansprüche dessen befriedigen muß, der die Bilder wiederfinden will und dazu etwas nachlesen will, wie auch derjenigen, die in den Texten eine Grundeinführung erwarten – und Sie auch erhalten!
So lauten die Themen FASZINATION FREMDE – KULTURGESCHICHTLICHE ASPEKTE AUS VERGANGENHEIT UND GEGENWART, wo MYTHOS ITALIEN nicht fehlen darf, denn das 19. Jahrhundert machte das allgemeiner, was zuvor für die feinen Herren des Adels in England und Kontinentaleuropa galt: sich auf die Grand Tour zu machen und mit den Kunstschätzen Italiens sozusagen die Mannbarkeit zu vereinen. Jetzt kommen andere Schichten und andere Interessen dazu und eben auch die der Maler selbst. BARBIZON – ZENTRUM EINER NEUEN KUNSTAUFFASSUNG läßt erahnen, daß jetzt die Freiluft- und Freilichtmalerei erst recht das Reisen in die Fremde attraktiv macht. Für BERG- UND EISWELTEN dagegen ist es auch das naturwissenschaftliche Interesse und die Herausforderung, diese Gletscher und Eismassive so skulptural zu gestalten, wie sie sind, oder als Stimmungsmacher eher atmosphärisch wirken zu lassen.
FASZINATION ORIENT läßt einen sofort an eine bestimmte Farbpalette denken, die erdfarben, auch auch mit kräftigem Rot das Bunte und Sonnendurchflutete auf die Leinwand zwingt, oft mit dem Schweiß und dem Dreck, den solche Reisesituationen mit sich bringen, für einen selbst, aber auch für die Bevölkerung, denn gerne stellte man in diesen Bildern „das Volk“ dar, so wie man es wahrnahm und das gut situierte Bürgertum in Europa auch mit dem Elend der anderen die eigene sichere Situation noch mehr schätzen lernte
.
BILDER AUS DER NEUEN WELT legen den Wert dann stärker auf das Ungewohnte, wenn es um Menschen geht wie MASSIKA und WAKUSASSE, zwei farbenprächtige Indianer und das Vertraute, wenn es um Landschaften geht, wie der HUDSON RIVER von Paul Weber, der idyllisch vor uns liegt mit Bergen im Hintergrund und den weißen Wölkchen eine Ideallandschaft aus der Neuen Welt, die der alten gleicht.
FREMDE MENSCHEN IM BILD gibt auch Fotografien wieder und ist insgesamt die Porträtzusammenführung aller Regionen, vom CAMPAGNAHIRTEN (Ludwig Knaus), BILDNIS EINES MULATTEN (Georg Corneicelius) über Hans Thomas DIE ZITRONENVERKÄUFERIN und Paul Thesings KOPF EINES MANNES MIT MÜTZE, der sehr an die Farbpalette von Gauguin und Cézanne erinnert und sicher unter dem Gesichtspunkt MENSCH das interessanteste Kapitel im Buch.
Auch die weiteren fünf Kapitel führen den Ansatz von Text und Bildbeispielen fort. Hier kommen aber die neuen Strategien hinzu, mit denen die Fremde und das Fremde dem eigenen einverleibt wird, daraus Kapital geschlagen wird, Stilistisches aus deren Kunst übernommen wird, bis DIE SCHÖPFERISCHE KRAFT DES ARCHAISCHEN:WILLI BAUMEISTER UND LEO FROBENIUS Sache und Hintergrund noch einmal deutlich klarlegen, wo nämlich das müde und alt gewordene Mitteleuropa sich Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung beispielsweise, die Felsenbilder in Höhlen, in Farbe und Form zu eigenen Bildern anverwandelt.
www.museum-giersch.de