FASZINATION FREMDE im Museum Giersch in Frankfurt am Main, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Unseren großen Rundgang unternehmen wir in diesen Artikeln allerdings durch den ausgezeichneten Katalog – siehe unten - und wollen nur einige Objekte gezielt vorstellen. Diese sind von Siegfried Shalom Sebba (1897-1975) und Erna Pinner (1890-1987) gefertigt.
Bei Erna Pinner hat uns die Herkunft DEUTSCHES EXILARCHIV 1933-1945 der DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK Frankfurt am Main elektrisiert. Sie war Graphikerin und „bereiste in den 1920er und 30er Jahren gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem expressionistischen Autor Kasimir Edschmid (1890-1966) Südeuropa, Nordafrika, die Sahara, den Kongo sowie Zentral- und Südamerika.“ (134). Bleistift und Aquarell läßt ihr BAROTSEMÄDCHEN wie eine Skulptur erscheinen und überhaupt sind es Frauen, die sie mit Grazie und in der Starrheit so bewegt, wie in der Bewegung verharrend zeigt. Auch ihre Lithographien gefallen uns in der Reduktion auf einige Striche hervorragend.
Wir nehmen uns vor, beim Exilarchiv einmal nachzuforschen, was uns in anderem Zusammenhang sowieso gerade unterkam. DIE KOFFER DES HERRN SPALEK ist ein Film, der seine Premiere im gerade ablaufenden LICHTER FILMFESTIVAL hatte und in dem ein Amerikaner Exildeutsche aufsucht und sie zu gewinnen versucht, ihren Nachlaß dem Deutschen Exilarchiv zukommen zu lassen, wobei er dann mit ihnen die Dokumente aussucht und in Koffer packt und sie nach Frankfurt schickt, wo sie die Leiterin des Archivs auspackt. Dort also sind auch die Bilder der Erna Pinner. Es gibt Führungen, an einer hatten wir teilgenommen, aber damals diese Erna Pinner noch nicht gekannt.
Das gilt auch für diesen Sebba, den die Ausstellungsmacher eher zufällig fanden und den wir spannend finden. Er ist ein in Ostpreußen geborener Jude und Zeichner , der für die FRANKFURTER ZEITUNG und den SOCIÄTÄTSVERLAG zeichnete, worauf die im Gegenzug ihm Reisen finanzierten. Er selbst ist eigentlich Künstler, den sein Strich und die Gestaltung als einen Modernen ausweisen, dessen hier hängende Zeichnungen aus einem ganz anderen Kontext herrühren. Er begleitete als zeichnerischer Dokumentarist die Nubieenexpedition des Ethnologen Leo Frobenius (1873-1939) .
„Sebba hat sich gegen 70 Mitbewerber durchgesetzt“, sagt der Katalog auf Seite 133 und führt überhaupt Interessantes zu diesem Künstler aus, von dem wir hier neben den Zeichnungen auch ein Gemälde namens SAPHIS finden, bei dem man durch die längliche Form der Leinwand und die kantigen Formen der in Rot und Grün und Weiß lagernden drei Menschen sofort an Max Beckmann denken müssen. Das Bild ist von 1932 und aus dem Stadtmuseum Hofheim am Taunus.
Ottilie W. Roederstein und Mathilde Battenberg müssen heute auf uns verzichten, gehören aber auch zu den ganz interessanten, großen Nummern in dieser sehenswerten Ausstellung!
Bis 14. Juli 2013
Katalog:
Faszination Fremde. Bilder aus Europa, dem Orient und der Neuen Welt, hrsg. Museum Giersch, 2013, Verlag Michael Imhof
Wie immer ist die Ausstellung im Katalog hervorragend dokumentiert und die einzelnen zwölf Kapitel enthalten die entsprechenden Bilder, die schon im Inhaltsverzeichnis als Katalognummern angegeben sind. Das ist deshalb wichtig, weil ein Katalog sowohl die Ansprüche dessen befriedigen muß, der die Bilder wiederfinden will und dazu etwas nachlesen will, wie auch derjenigen, die in den Texten eine Grundeinführung erwarten – und Sie auch erhalten!
So lauten die Themen FASZINATION FREMDE – KULTURGESCHICHTLICHE ASPEKTE AUS VERGANGENHEIT UND GEGENWART, wo MYTHOS ITALIEN nicht fehlen darf, denn das 19. Jahrhundert machte das allgemeiner, was zuvor für die feinen Herren des Adels in England und Kontinentaleuropa galt: sich auf die Grand Tour zu machen und mit den Kunstschätzen Italiens sozusagen die Mannbarkeit zu vereinen. Jetzt kommen andere Schichten und andere Interessen dazu und eben auch die der Maler selbst. BARBIZON – ZENTRUM EINER NEUEN KUNSTAUFFASSUNG läßt erahnen, daß jetzt die Freiluft- und Freilichtmalerei erst recht das Reisen in die Fremde attraktiv macht. Für BERG- UND EISWELTEN dagegen ist es auch das naturwissenschaftliche Interesse und die Herausforderung, diese Gletscher und Eismassive so skulptural zu gestalten, wie sie sind, oder als Stimmungsmacher eher atmosphärisch wirken zu lassen.
FASZINATION ORIENT läßt einen sofort an eine bestimmte Farbpalette denken, die erdfarben, auch auch mit kräftigem Rot das Bunte und Sonnendurchflutete auf die Leinwand zwingt, oft mit dem Schweiß und dem Dreck, den solche Reisesituationen mit sich bringen, für einen selbst, aber auch für die Bevölkerung, denn gerne stellte man in diesen Bildern „das Volk“ dar, so wie man es wahrnahm und das gut situierte Bürgertum in Europa auch mit dem Elend der anderen die eigene sichere Situation noch mehr schätzen lernte
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BILDER AUS DER NEUEN WELT legen den Wert dann stärker auf das Ungewohnte, wenn es um Menschen geht wie MASSIKA und WAKUSASSE, zwei farbenprächtige Indianer und das Vertraute, wenn es um Landschaften geht, wie der HUDSON RIVER von Paul Weber, der idyllisch vor uns liegt mit Bergen im Hintergrund und den weißen Wölkchen eine Ideallandschaft aus der Neuen Welt, die der alten gleicht.
FREMDE MENSCHEN IM BILD gibt auch Fotografien wieder und ist insgesamt die Porträtzusammenführung aller Regionen, vom CAMPAGNAHIRTEN (Ludwig Knaus), BILDNIS EINES MULATTEN (Georg Corneicelius) über Hans Thomas DIE ZITRONENVERKÄUFERIN und Paul Thesings KOPF EINES MANNES MIT MÜTZE, der sehr an die Farbpalette von Gauguin und Cézanne erinnert und sicher unter dem Gesichtspunkt MENSCH das interessanteste Kapitel im Buch.
Auch die weiteren fünf Kapitel führen den Ansatz von Text und Bildbeispielen fort. Hier kommen aber die neuen Strategien hinzu, mit denen die Fremde und das Fremde dem eigenen einverleibt wird, daraus Kapital geschlagen wird, Stilistisches aus deren Kunst übernommen wird, bis DIE SCHÖPFERISCHE KRAFT DES ARCHAISCHEN:WILLI BAUMEISTER UND LEO FROBENIUS Sache und Hintergrund noch einmal deutlich klarlegen, wo nämlich das müde und alt gewordene Mitteleuropa sich Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung beispielsweise, die Felsenbilder in Höhlen, in Farbe und Form zu eigenen Bildern anverwandelt.
www.museum-giersch.de