DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
Claudia Schulmerich
Mannheim (Weltexpresso) – Besorgen Sie sich ruhig den Katalog zuerst und studieren auf der ersten Umschlagseite unter DIE MEDICI deren 'Hauptdarsteller'. Denn tatsächlich wird der Bogen dieses Geschlechts, vom Gründungsvater Giovanni di Bicci (1369-1428) bis zur letzten Medici, Anna Maria Luisa (1667-1743), der Kurfürstin von der Pfalz, in vielen Räumen des rem mit rund 200 Exponaten geschlagen.
Eigentlich galt die Aufmerksamkeit der heimischen Kurfürstin, die am Eröffnungstag der Ausstellung, 27. Februar, ihren 270sten Todestag hatte und deren Exhumierung im Oktober 2012 von einem interdisziplinären Team der Universität Florenz und der Reiss-Engelhorn-Mussen durchgeführt wurde, dessen Ergebnisse ganz am Schluß der Ausstellung auch entdeckt werden können. Aber die Ausstellung selbst ist den großen Männern der Medici gewidmet, wobei neben der Darstellung ihrer Person und Taten auch immer Ergebnisse neuer forensischer und bioarchäologischer Untersuchungen an exhumierten sterblichen Überresten verschiedener Familienmitglieder in Schaukästen aufblinken, die aufzeigen, an welchen Krankheiten diese gelitten hatten und ob sie eines natürlichen Todes starben oder Arsen vielleicht eine Rolle spielte...
Es gibt eine solche Fülle von Personen und Ereignissen, daß es unmöglich ist, diese in einer Ausstellungsrezension unterzubringen. Wir schlagen deshalb auch einen Bogen und fassen unsere Eindrücke zusammen, die durch Bilder, Texte, Fotografien, Objekte und eben auch die eigenen Erinnerungen an Florenz gespeist sind, wobei wiederum die Maler eine besondere Rolle spielen. Nicht nur Raffael für Leo X. und Botticelli für so viele Medicis. Das der Name übersetzt: die Ärzte heißt, was sich im Familienwappen zeigt, hat eigentlich keine Relevanz für die Geschichte, die die Familie durch Bankgeschäfte und politisches Gespür als Patriziergeschlecht auszeichnet.
Daß diese Geschichte einer Familie nur im strikt bürgertumbewußten Florenz so verlaufen konnte, muß man hinzufügen, denn die Florentiner hatten keine obrigkeitsstaatliche Gesinnung, sondern sahen sich als freies Gemeinwesen, dem es zukam, daß mit Masaccio aus der Frührenaissance der Erste da war, der die Dreidimensionalität des Seins in Bildern durch eine gestochene Schärfe und Tiefe wiedergeben und die Menschen in voller Körperlichkeit plastisch darin darstellen konnte. Er wurde zum Vorbild aller späteren berühmten Florentiner Maler und Bildhauer wie Leonardo oder Michelangelo oder Architekten wie Alberti und Brunelleschi. Letzterer war auch Goldschmied und Ingenieur, Bildhauer und Zeichner, denn das zeichnet die Zeit auch aus, daß solche Menschen vielseitig waren. Aus Neugier vor allem.
Mit Giovanni di Bicci beginnt die Ausstellung. Er selbst ist ein Neffe des auch schon aktenkundigen Vieri di Cambio, mit dem die Existenz einer Medici-Bank beginnt. Man ging von Florenz erst mal nach Rom, kam erfolgreich nach Florenz zurück. Sein Bildnis zeigt ihn als einen bescheidenen Mann, der nüchtern die Wirklichkeit sieht wie sie ist und schon mit 60 Jahren im Jahre 1420 seinen Söhnen Cosimo und Lorenzo d.Ä. die Geschäfte übergibt und mit 68 Jahren als der reichste Mann von Florenz stirbt. Fortsetzung folgt.
bis 28. Juli 2013
BEGLEITBAND zur Ausstellung:
DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft; hrsg. von Alfried Wieczorek, Gaelle Rosendahl, Donatella Lippi, Publikation der Reiss-Engelhorn-Museen Band 54, Schnell + Steiner 2013. Wir haben ja schon vorgeschlagen, diesmal den Katalog vor der Ausstellung zu verinnerlichen – und danach noch einmal, weil die Stoffülle der Ausstellung hinsichtlich des Medici-Personals dies sinnvoll macht. Aber, wie immer, interessiert man sich einfach nach der Ausstellung noch stärker für diese im heutigen Sprachgebrauch politisch erfolgreiche „Ausnahmefamilie“,die wenn man ihre Anfänge bedenkt, wenig vom Glanz und mehr von der Hingabe an die gesellschaftspolitische Aufgabe geprägt ist.
Der 414 Seiten lange Katalog wirft in elf Kapiteln Schlaglichter auf die Personen, aber auch auf übergreifende Themen, die sich an bestimmten Personen festmachen lassen, wie im dritten Kapitel PRUNK, MACHT und VERSCHWÖRUNG an Lorenzo il Magnifico oder Guiliano di Piero, die Pazzi Verschwörung, die Medici-Päpste Leo X. Und Clemens VII u.a.Es beginnt mit der Kurfürstin von der Pfalz, wie dieses Florenz, Mannheim und Düsseldorf verbindet und wie sie zu einer ungewöhnlichen Kooperation ihrer Leichenbearbeitung beitrug, aber auch deren Fernsehbearbeitung DIE MEDICI bei ARTE.
Wen die Medici interessieren, für den ist das ein Buch fürs Leben, denn es interessieren nicht nur die familienrelevaten Angaben und Ausführungen, sondern auch deren Eingebundenheit in die Zeit in Kapiteln wie DIE MEDICI BANK (Seite 55 ff), Wirtschaftsdenken im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (65ff) oder REISEN IN DER RENAISSANCE (159 ff) oder HUMANISMUS UND NATURWISSENSCHAFTEN- Der Aufstieg der Medizin in der italienischen Renaissance( 175 ff) oder gar SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND WOCHENBETT (185 ff).
Auch das Unglücklichsein von so vielen Familienmitgliedern wird zum Thema, die keine glückliche Familie darstellen, sondern Mord und Totschlag, Krankheit und Siechtum die andere Seite des gesellschaftlichen Glanzes darstellen. Insbesondere die Frauen, hier die jungen Frauen. Werden als tragische Existenzen begründet. Das Ende der Dynastie mit der pfälzischen Kurfürstin ist nun auch etwas Besonderes. Die Kunstsammlungen der Medici vermachte sie als letzte Medici dem Ursprungsort der Medici, der Stadt Florenz, wogegen keiner etwas sagen kann, wenngleich die Überlegung, sie hätte sie in die Pfalz gegeben, schon etwas hat! Nun werden also Teile davon im Mannheimer rem gezeigt und in diesem Katalog bewahrt.
Vergleiche unsere drei Vorberichte, die stark auf die Exhumierungen eingehen
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/819-fluch-und-segen-eines-familienclans-der-renaissance
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/820-florenz-und-mannheim-sowie-exhumierungen
www.rem-mannheim.de