offenbacher 3819Junges Künstler-Duo erweitert die Grenzen der Bildenden Kunst

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - Die technisch wirkenden Objekte Carolin Liebls und Nikolaus Schmid-Pfählers in der aktuellen Ausstellung „KunstSpieleKunst“, stehen im Schatten einer riesigen, sich aufblasenden und erschlaffenden Skulptur von Ambech. Auf den ersten Blick scheinen ihre Arbeiten wenig mit Kunst zu tun zu haben: Eine fette kupferne Drahtspule hängt wie eine garstige Raupe von der Decke und zuckt bisweilen, andere aufgehängte seltsame Elektronikteile schnappen wie fette Käfer klackernd aneinander. Sollen die sich mal leicht, mal heftig bewegenden Gebilde etwa Assoziationen an Tiere oder menschliche Organe hervorrufen? Oder sind es lediglich mechanische Maschinen, kinetische Skulpturen, die sich spielerisch nur um sich selbst drehen?

Doch mit ihren neuen Werken verschiebt das junge Künstlerpaar aus Offenbach - wieder einmal - in der Kunststation die Grenzen der Bildenden Kunst. Vor zwei Jahren hatten sie in der Schau „Sie und Er - Wer sind Wir?“ bereits zwei kommunizierende Roboter präsentiert. Für ihre in diesem Jahr eingereichten Arbeiten braucht man etwas Zeit und Neugierde, um sich die lebendig wirkenden Gebilde zu erschließen.

„Es geht nicht um die Bewegungen an sich, jedenfalls nicht nur“, sagen die beiden. Die elektronisch gesteuerten Kunstwesen sind zwar alle bis ins kleinste technische Detail von ihnen erschaffen und programmiert, jedoch erleben sie selbst immer wieder Überraschungen. Schon deshalb, weil die Umgebung durch Temperatur, Feuchtigkeit und andere Faktoren Einfluss auf die Bewegungen nimmt. Aber auch, weil die Programmierung derartig komplex ist, dass nicht alle Handlungen der künstlichen Kreaturen vorhersehbar sind. Zudem entwickeln die Objekte eine Eigendynamik durch nicht planbare Kumulationen mechanischer Bewegungen.

Als Besucher fragt man sich, werden sie zu autonomen menschenähnliche Wesen, die sich gegen ihre Schöpfer stellen? Nein, denn die Künstler freuen sich über die, von ihnen angestrebte Unbestimmtheit der Aktionen ihrer Geschöpfe, die sie natürlich immer wieder selbst verwundern.

Für das kreative Duo sind elektronische Geräte und deren Programmierungen künstlerische Rohstoffe: „Wir gucken die Materialien an wie Maler“, meinen die beiden, „die Technik ist für uns lebendiges Material.“ Man ist eingeladen, die zufälligen Aktionen der Skulpturen neugierig zu beobachten, wie andere Kunstwerke auch, und kann eigene Assoziationen dazu entwickeln.

Hinreißend komisch sind die kleinen „Siblings“ (englisch „Geschwister“), deren Herstellung den beiden viel Spaß macht: Winzige weiße Roboter aus Gips lauern unter schwarzen Bechern darauf Licht zu bekommen. Werden die Becher angehoben setzen sie sich in Bewegung, je heller es ist umso schneller rasen sie herum: Ein Hütchenspiel. Man kann zunächst kaum glauben, dass diese komischen Geschöpfe ebenfalls von Liebl und Schmid-Pfähler kreiert wurden. Mit ihren, einander wie Geschwister ähnlichen Wesen, also mit elektronisch-figurativen Objekten, beschreiten die beiden neues Terrain. Derzeit arbeiten sie mit einem Bildhauer zusammen, um weitere neue Wege zu erkunden.

Interessant ist, dass die beiden Kreativen (fast) alles lernen und selbst machen, was sie zur Realisierung ihrer künstlerischen Ideen benötigen. In der Offenbacher Hochschule für Gestaltung hat die Professorin Ulrike Gabriel sie dazu ermuntert, „hinter die Technik zu schauen“; sie sieht darin eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

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Foto:
Hanswerner Kruse
Carolin Liebl & Nikolaus Schmid-Pfähler vor ihren "Siblings" (oben) bzw. neben "They" (unten)

Info:
Kunstation Kleinsassen/Rhön "KunstSpieleKunst" noch bis 25. August 2019
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13 - 18 Uhr, Sonn- und feiertags 11 - 18 Uhr
http://kunststation-kleinsassen.de