Bildschirmfoto 2020 02 13 um 04.52.54FANTASTISCHE FRAUEN. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo, in der Schirn Frankfurt bis 24. Mai, Teil 1/10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich ganz schön traurig, wenn in der Schirn Frankfurt im Jahr 2020 niemand von den Ausstellungsmachern mehr weiß, daß das erste Buch, das auf der ganzen Welt über Frida Kahlo erschienen ist, hier in Frankfurt im Jahr 1980 vom Verlag Neue Kritik verlegt wurde. Damit geht es diesem ersten Buch über Frida Kahlo genauso, wie es der, in jeder Hinsicht  außergewöhnlichen  Künstlerin im wirklichen Leben ergangen ist. 1954 starb sie als NATIONALE IKONE. Vierzig Jahre später kannte in Mexiko keiner ihren Namen. Und heute ist sie sozusagen als GESAMTKUNSTWERK eine Weltberühmtheit.

Es war die Verlegerin Dorothea Rein, die Klaus Schubert (Fotografien) und mich (Kunsthistorikerin) bat, uns in Mexiko nach Material über die mexikanische Malerin Frida Kahlo zu erkundigen und, was zu erwerben wäre, am besten gleich mitzubringen. Hintergrund war, daß wir uns Ostern 1980 als Reiseleiter mit zwei Reisegruppen in Mexiko aufhielten. In der freien Zeit ging es also durch sämtliche Museen der Hauptstadt und ganz schnell entwickelten wir den Frida-Kahlo-Blick. Jeder, der ihre Bilder kennt, weiß, was damit gemeint ist. Es ist eine so eigene, hintergründige, mit Mexicanidad verwobene farbenreiche Malerei, in der sie fast immer Objekt ist, also selbstreflexiv auch noch, daß man ihre Werke einfach sofort erkennt.

Ihre Gemälde optisch in den Museumssälen herauszufinden, war also kein Problem, nur gab es außerhalb des Museo de Arte Moderno keine weiteren Museen, in denen Werke von ihr hingen. Und in den Galerien der Stadt kannte man nicht mal ihren Namen. Den kannten auch meine – nach 13 Mexikoreisen – guten einheimischen Freunde nicht, die alle aus dem Künstlermilieu stammten. Die wenigsten waren geborene Mexikaner, die meisten aber Kinder von meist jüdischen Exilanten, die sich vor Hitler nach Mittel- und Südamerika hatten retten können. Künstler waren die Männer, aber die Frauen die Kosmopolitinnen, die bei den zahlreichen Treffen mit Spanisch anfingen, ins Italienische übergingen, auf Französisch fragten und auf Englisch antworteten. Doch, auch Deutsch wurde gesprochen. Sie waren alle aus ihren auoritären Exilländern nach Mexiko geströmt, weil in den Siebziger Jahren  in Mexiko eine sozialistische Regierung das Öl enteignet hatte und eine wirkliche demokratische Gesellschaft angestrebt war. 

Deutsch hatte selbstverständlich Wilhelm Kahlo, der Vater von Frida Kahlo, gesprochen, der mit 18 Jahren von Pforzheim - mit Wurzeln aus Frankfurt am Main- nach Mexiko auswanderte und sich in Mexico Ciudad als Photograph niederließ, wo in zweiter Ehe im Blauen Haus in Coyacan, heute Vorort der Hauptstadt, im Jahr 1907 Frieda Kahlo geboren wurde, die trotz fünf anderer Geschwister lebenslang das bevorzugte ‚Vaterkind blieb, was sie aus ‚psychoanalytischer Sicht ihr ganzes Leben stärkte, ihr zudem ein für ein Mädchen gewaltiges Selbstbewußtsein gab, das andere leicht verstörten konnte. Den Vornamen Frieda wandelte sie erst der Nazis wegen in Frida um. Daß sich Frida als Person selber schuf, zeigt auch ein anderer Vorgang. Wenn sie zukünftig ihr Geburtsdatum mit 1910 angab, geschah das nicht, um sich jünger zu machen, sondern um in dem Jahr geboren zu sein, in dem die Mexikanische Revolution stattfand, der Frida Kahlo ihr ganzes Leben tief verbunden blieb und für deren Ideale sie arbeitete.

Doch sind wir jetzt schon weit vorgedrungen. Aber das geht bei Frida Kahlo ganz schnell. Denn im Museum moderner Kunst hatte ich in einer kleinen Bücherecke hektographierte Blätter – Kopien gab es ja noch nicht, Vervielfältigungen wurden mit Matrizen hergestellt – über Frida Kahlo gefunden und für eine DM gekauft. Verfasserin war die aus Argentinien übergesiedelte marxistische Kunsthistorikerin Raquel Tibol. Die Blätter waren eine Sammlung von ihr veröffentlicher Zeitungsartikel. Schnell wußten wir also auch, daß wir in Fridas Geburtshaus fahren sollten, das Blaue Haus in Coyacan, das, längst eingemeindet, Teil von Mexiko-Stadt ist. Heute ist dies das vielbesuchte Frida-Kahlo-Museum, damals war es einfach das Wohnhaus, in dem Frida Kahlo zusammen mit ihrem Mann, dem berühmten Maler Diego Rivera gelebt hatte, der es bei seinem Tod 1957 dem mexikanischen Volk geschenkt hatte, wovon das mexikanische Volk und seine Repräsentanten aber in den Achtziger Jahren nichts mehr wußten.

Fortsetzung folgt

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Bildschirmfoto 2020 02 16 um 15.49.56Ist Ihnen das aufgefallen, was uns eine Leserin schrieb und auch wir als so selbstverständlich erachten, daß wir davon gar kein Aufhebens machen wollten? WELTEXPRESSO hat in seiner DNA, in seinem Personalausweis sozusagen, als das unser Logo der Zeitung: die Köpfe in der Titelleiste fungieren, schon vor über 10 Jahren FRIDA KAHLO mit in die, unsere Weltsicht bestimmenden Köpfe eingereiht. Im Ausschnitt sieht man unter ihr rechts Sigmund Freud, links Friedrich Schiller: Freiheit ,Sturm und Drang und das Unbewußte, keine schlechte Umgebung für Frida Kahlo.



Erstes Buch über und erster Ausstellungskatalog von Frida Kahlo
Raquel Tibol, Frida Kahlo, Verlag Neue Kritik, Frankfurt (Main) 1980
Frida Kahlo und Tina Modotti, o.Hrsg, Vorbemerkung Nicholas Serota, Frankfurt (Main) 1982

Katalog
Zur Ausstellung gibt es einen Katalog, den wir noch ausführlich darstellen wollen, weil auch wir ihn zur Vorstellung einiger bisher hierzulande nicht bekannten Künstlerinnen zur Information brauchen. Nicht zu vergessen die Abbildungen, die einen sofort die Ausstellung selber wieder vor Augen führen.
Fantastische Frauen. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo, herausgegeben von Ingrid Pfeiffer. Mit einem Vorwort von Phillip Demandt, Schirn...,
Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-3413-1