Bildschirmfoto 2020 08 18 um 09.02.09LEBENSMENSCHEN - Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, verlängert bis 23. August im Museum Wiesbaden, Teil 3/5

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – Nein, wir wollten nichts Persönliches mehr über das Verhältnis von Jawlensky zur Werefkin und umgekehrt, schreiben. Aber natürlich muß man wissen, daß dies Künstlerpaar fast wia im richtigen Leben eine ungleiche Beziehung hatte. Dreißig Jahre lebten und arbeiteten sie zusammen in Sankt Petersburg, München, in der Schweiz), aber sie lebten nicht zu zweit. Helene, die Bedienstete der Werefkins war als Zehnjährige 1895 ins Haus gekommen und ging zur persönlichen Betreuung von Marianne mit nach München.

Man weiß wenig über das Leben zu dritt und ich persönlich will das auch gar nicht wissen. Daß aber 1902 der gemeinsame Sohn von Alexej und Helene geboren wurde, Andreas, muß man dann wieder wissen, genauso, daß Jawlensky, als er sich von der Schweiz und Marianne verabschiedete, mit beiden nach Wiesbaden ging, wo er dann 1922 Helene heiratete. In der Ausstellung ist dieses anrührende, wirklich wunderschöne Kinderbildnis Andreas von 1907 zu bestaunen, das so französisch daherkommt, daß es eine Freude ist. Daß er als Siebzehnjähriger ein veritables Damenporträt malt, hängt am Ende der Ausstellung an der Wand. Man staunt, weiß aber nicht, wie es mit dem Sohn weiterging.

Und ob Jawlensky dem Menschen Marianne gut tat, bezweifelt man, wenn man das strahlende Bildnis betrachtet, daß Repin 1888 von seiner Schülerin malte und das dem Museum Wiesbaden gehört, wie man zur Kenntnis nimmt und sich freut. Eine gelöste, auskunftsfreudige Marianne. Daß Jawlensky aber der Malerin von Werefkin gut tat, das ahnt man, wenn man ihre Entwicklung aus dem russischen Realismus der Anfangsjahre – brave Bilder – betrachtend, zum Selbstbildnis mit Matrosenbluse kommt, 1893 und schon mit aufgelöster Oberfläche.

München bringt nach und nach eine andere Farbpalette, einen ausdrucksstarken Expressionismus, wobei beide viele Porträts malen, aber Marianne sehr viel mehr Landschaften als Stimmungsbilder. Wie In die Nacht hinein oder Tragische Stimmung, während Jawlensky mit Nikita 1910 sozusagen ein expressionistisches Modellporträt fertigt. Zuvor aber haben wir in der Ausstellung wieder ein Aha-Erlebnis. Wieder hängen zwei Porträts der beiden nebeneinander. Aber diesmal hat beide Jawlensky gemalt. Er nach links gewendet ist in pointillistischer Art – van Gogh läßt grüßen – ein eleganter Herr mit Zylinder, selbstbewußt, mit direktem Blick in unser Auge. Das Selbstporträt von 1904 hat was vom Flaneur und die Leichtigkeit des Auftrags konterkariert die Strenge des Mannes. Sein Bildnis der Marianne von 1905 zeigt sie nach links gewendet im Profil und als Büste. Die vorherrschend gelbe Farbe eines bunten Tuches auf dem Kopf, im gleichen Muster das Kleid bildet den auffälligen Kontrast zum blauen inhomogenen Hintergrund. Entscheidend ist aber der Eindruck von Durchsetzungsvermögen, der von der 45jährigen ausgeht, deren Entschlossenheit aus jeder Pore hervorströmt. Entschlossen zu was, gegen wen, für wen? Auf jeden Fall will sie was, das drückt das Porträt aus, bei dem wir uns vornehmen, nachzuschauen, ob sie denn sonst auch die vorgeschobene Unterlippe zeigt, die ja ein Merkmal des Hauses Habsburg ist.

Auch im Porträt von ihr ein Jahr später, zeigt uns Jawlensky eher eine Gouvernante, erst recht wenn man – überrascht – mit dem Porträt Madame Curie I von 1905 vergleicht, eine schöne, eine nachdenkliche, eine blühende Frau. Nun gut, die 1867 geborene ist sieben Jahre jünger, damals also 38 Jahre alt.

Es folgen eine Menge von Frauenporträts, die schon für sich diese Ausstellung wert sind und wo man im großen Saal gar nicht anders kann, als verblüfft festzustellen, daß die Damen alle nach links gewendet uns im Dreiviertelprofil zwar farbenstark, aber auch leicht demütig, den blick gesenkt, die Hände gefaltet oder aufgestützt ins Auge fallen. Rot, rot, rot, das ist die Farbe der Frauen und der Jahre 1909 folgende, bis dann aus den schwarz umrandeten Augen der Porträtierten 1913 eine dunkle Farbpalette der Frauenbildnisse vorherrscht. Bestes Beispiel die Spanierin, die heute dem Lenbachhaus in München gehört, aber auch eine strengere Version von ihr, die dem Wiesbadener Museum gehört.

Im Jahr 1912 malt er mit dunkler, aber sehr farbiger Palette frontale Porträts. Das hatte er schon mit Nikitas Mutter 1909/1910 begonnen, wo die Farben nicht mehr Ausdruck von etwas sind, sondern farbenstark durchaus realistisch, wenn die roten Flecken auf den Wangen das Rouge der Damen oder ihre gute Durchblutung zeigt. Aber das mit dem Realismus muß man sofort zurücknehmen, wenn die farbenbunten Frauenköpfe von 1912 weitergehen. Die Augen sind so dunkel umrahmt, daß man gut hinschauen muß und dann auch sieht, daß die eine sie niedergeschlagen hat. Längst also hat Jawlensky seinen Stil entwickelt, ein Stil, der sich dann durch ihn und die Zeit weiterentwickelt.

Höchste Zeit, nach den Bildern der Marianne von Werefkin zu schauen.

Fortsetzung folgt.

Fotos:
© Redaktion

Info:
Verlängert bis 23. August.
Ein wichtiger Katalog, auch für danach: LEBENSMENSCHEN – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, hrsg. Von Roman Zieglgänsberger, Annegret Hoberg und Matthias Mühling, Prestel Verlag 2020