Peter Mennes Schau in die Vergangenheit der Eisenbahn im Waggon auf dem letzten Offenbacher Gleisstück
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Faszination der alten Dampflok lag in der Verbindung von technischem Fortschritt und Gemächlichkeit. Dies kann ein Hochgeschwindigkeitszug nicht mehr leisten. Mit jedem Fortschritt geht auch ein Stück Kultur, die Zeit erfordert, verloren. Puff Puff ist klar, dum-dum weist nach Kalkutta.
Für Jungs kann die ältere Version der Eisenbahn immer noch Interesse erregen, wenn nicht gar zum lebenslangen Hobby werden. Das dann intensiv gepflegt wird. Die Dampflok beeindruckte jeden Jungen irgendwann aufgrund ihrer Mächtigkeit. Daher musste es irgendwann auch mal eine Miniatureisenbahn sein. Diese Periode aber geht üblicherweise von dannen, sobald die Gesellschaft Vernunft und Nüchternheit einfordert. Das alte Teil verstaubt und wird von Handwerkern aus dem Speicher geklaut, vorzugsweise die -01 samt aller ihrer großen Waggons. Im Nachbau einer Miniatur-Landschaft mit Zügen liegt noch immer Faszination, nicht nur für jene, die einen nostalgischen Rückgriff in die Vergangenheit pflegen, sondern auch für alle, die wenigstens einmal im Leben eine möglichst große Modelleisenbahn bestaunen möchten. Von einem hervorgestoßenen Seufzer begleitet: Ach, schaut, so war das mal!
Peter Menne, sonst auch als Unternehmens- und Personalberater in Aktion, nimmt sich als einer, der auch den untrüglichen Blick für die Frag- und Denkwürdigkeiten unserer Zeit hat, immer wieder Bereiche vor, die das Sterben der Industriekultur oder, allgemeiner gesprochen, die Male der Zerstörung durch einen losgelassenen Fortschritt wiederspiegeln, wie etwa der Kohletagebau oder die Fehlleistungen einer europaweiten Brutalo-Architektur; und zwar vornehmlich in fotografischer Wiedergabe. Dadurch entstehen Fotografien von Kunstwert.
Am vergangenen Sonntag hatte er den schon seit einem Dezennium angesagten Güterwaggon am Offenbacher Mainufer mit Fotografien zum Gegenstandsbereich ‚Eisenbahn-Erinnerungen‘ bestückt. Der letzte Stumpf Schiene markiert hier den Endpunkt der Dekonstruktion einer Schienenkultur, die einstmals ganz Offenbach umspannte und nun als Fahrradstreifen dient.
Zuvor hatte er an anderen Orten Eindrücke für seine Arbeiten gesammelt. Dazu gehörte die alte Rangierlock der Hanauer Museumsbahn und das glorreiche Vorbild eines Bahnhofs Brighton, wo sich für das klassisch analoge Filmmaterial noch 2 Läden finden, in Offenbach aber keiner mehr; im Vergleich: zu fünf oder sechs in früherer Zeit. Eine Motorrad-Tour, die eigentlich weit in die Ferne reichen sollte, hieß ihn auch einen Halt an der Fourka-Zahnrad-Dampfbahnstrecke in den Schweizer Alpen machen, die um die Zeit des Ersten Weltkriegs gebaut worden war. Weil sie aber als zu rauchig empfunden wurde, bekam sie in den Fünfzigern eine Elektrifizierung verpasst. Da aber während der Winter-Kälte in der Gegend die Elektrizität stillgelegt werden musste, wurde sie nach Vietnam verkauft, d.h. dorthin abgeschoben. Um dort (gottseidank) wiederentdeckt zu werden und von 1990 an wieder im Sommerbetrieb zu dampfen, für Touristen und den Schulbetrieb.
Nicht ohne Reiz ist der von der Hafenbahn zurückgebliebene Waggon auch deswegen, weil hier die Konzeption des Künstler-Propheten (bedenke die 10 000 Eichen und Stelen Kassels) Joseph Beuys Pate stand. Am historischen Waggon hat sich auch die Hochschule für Gestaltung (HfG) engagiert; sie steht dafür, dass das verbliebene Gleisstück am Offenbacher Mainufer zu einer vertikalen Doppel-Helix gen Himmel gestreckt wurde. Der Verein ‚Soziale Plastik e.V.‘, der den Waggon ausbaute, erhält ihn durch seine Pflegetätigkeit. Der Waggon ist zum multifunktionalen Begegnungsort geworden. Es können hier Ausstellungen veranstaltet, Konzerte gegeben und Partys veranstaltet werden.
Fotos ©
Heinz Markert (1-3,), Peter Menne (4-5)
Info:
Peter Menne: ‚Eisenbahn-Erinnerungen‘: Titel: 'Dampflock-Re-Import: Schweiz – Vietnam – und zurück!', CH Gletsch 2018 · 'Erst abpfeifen, dann aufspringen', A – Jenbach 2003 ·'Achenseebahn, Talstation', A – Jenbach 2003 · 'Museumsbahn', UK Isle of Wight 2013 · 'Smoke on the Water – Rauch am Chiemsee', Prien 2003 · 'auslaufende Technologien', UK Dungeness 2013 · 'Einst im Regelbetrieb: englische Lilliput-Bahn', UK New Romney 2013 · 'Eisenbahn-Erinnerungen, Abstellgleis', Marburg 1997 · 'Der Lokführer steigt an Bord', A – Jenbach 2003 und: (Banner) 'unter Dampf: die Hafenbahn', Offenbach 2004. - Bild im 3 mm Dibond für 150,- Euro.
Im Bild: Peter Menne