Abi Shek und seine Schau „Geschöpfe und Zeichen“
Hanswerner Kruse
Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Im Rahmen der Herbstausstellung der Kunststation präsentiert Abi Shek in seiner Schau „Geschöpfe und Zeichen“ auch blecherne Schilder mit eigenartigen Schriftzeichen.
ine der großen Wandinstallationen ohne Titel, aus fünf matt schimmernden, verzinkten Blechplatten, soll hier näher beschrieben werden. Selbst wenn man nichts über ihre Bedeutung weiß, geht von der Installation eine starke, man kann sagen: sakrale Faszination aus. Aber wie bei jedem (großen) Kunstwerk wird dessen Wirkung gesteigert, wenn man mehr darüber erfährt: Die Anmutung ist dann noch stärker - oder wird möglicherweise erst geweckt.
Eigentlich sollte man sich Leonhard Cohens Song „Who By Fire“ vor dem Ausstellungsbesuch anhören oder sogar in der Schau auf einem Smartphone: Er ist gleichsam die musikalische Entsprechung zum Kunstwerk und erzeugt eine bewegende Synästhesie.
Das Werk des in Israel geborenen Künstlers bezieht sich nämlich auf ein dramatisches Gebet, das - in diesen Tagen - zum jüdischen Neujahrfest und dem zehn Tage später folgenden Versöhnungsfest Jom Kippur rezitiert wird. Diese Verse des „Unetaneh Tokef“ hat Shek in hebräischer Sprache in Platten gemeißelt, die jüdischen Hausaltären in Tempelformen ähneln. Der Musiker Cohen interpretiert in seinem Song sehr frei dieses alte Gebet. Darin fragt er, wie Menschen im kommenden Jahr sterben könnten:
„Wer durch Feuer /
wer durch Wasser
/ wer im Sonnenschein /
wer in der in der dunklen Nacht / wer auf höchsten Befehl / wer durch kurzen Prozess / wer im schönen Monat Mai /
wer durch langsamen Verfall / und wer, soll ich sagen, ruft sie?“
(And who by fire / who by water / who in the sunshine / who in the night time / who by high ordeal / who by common trial / who in your merry merry month of may / who by very slow decay / and who, who shall I say is calling?)
Shek ist beeindruckt von dem „starken poetischen Pluralismus“ des Originalgebets: „Die Menschen sterben so wie sie gelebt haben“, meint er dazu. Im Gespräch verweist er auf die Legende des Rabbis Ammon, der im 11. Jahrhundert auf Geheiß eines Mainzer Bischofs zu Tode gefoltert wurde, weil er sich nicht zum Christentum bekannte. Nach dieser Erzählung konnte er die Verse „Unetaneh Tokef“ - am Vorabend von Jom Kippur - gerade noch sprechen bevor er starb.
Es geht dem Künstler nicht um Verklärung des jüdischen Glaubens, sondern um den tragischen, den zufälligen und sinnlos erscheinenden, den allzeit präsenten Tod sowie die Frage, wer denn die Menschen aus dem Leben ruft. Und um das Nachdenken über Reue und Umkehr zwischen den Festtagen angesichts eines möglichen Todes.
Jom Kippur wird in diesem Jahr am 28. September begangen.
Foto:
(c) Hanswerner Kruse
Info:
www.kunststation-kleinsassen.de
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