Radier.To feel freeEine Ausstellung der Druckkünstlerin Andrea Silvennoinen

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Am Wochenende begann in der Kunststation die Studioausstellung von Andrea Silvennoinen. Die experimentierfreudige Künstlerin aus Fulda präsentiert zum Titel „Druckgraphik“ eine erstaunliche Anzahl unterschiedlicher Arbeiten.

Im Studio demonstriert Silvennoinen Gestaltungen von Druckplatten und den eigentlichen Druck mit der Presse. Interessierte leitet sie mit einfachen Mitteln - etwa Farbstempeln mit Korken oder Musterschneiden in Platten - zum Ausprobieren an. Nebenan zeichnet die Künstlerin INK in ihrer Ausstellung Dinge, die Kleinsassener gebracht haben. Eine Pianistin spielt Klaviermusik im Café, in dem viele Gäste untereinander oder mit anderen Kunstschaffenden bei Kaffee und Kuchen reden. So wird an diesem Sonntag die Kunststation wieder einmal zum Ort der Kommunikation und Begegnung - trotz strenger Einhaltung der Corona-Regeln.

Die Druckkünstlerin präsentiert in ihrer Schau zwei Werkgruppen: Zum einen Monotypien, reine Experimente mit unterschiedlichen Materialien, bei denen eher ungegenständliche Formen und Strukturen entstanden und die Fantasien der Leute anregen. Getrocknete, eingefärbte und abgedruckte finnische Birkenrinden erscheinen wie angedeutete Landschaften. Sie selbst interpretiert diese Bilder als „Igel auf Suche“ oder ein „Zwiegespräch“. Eingefärbt und abgedruckt wirken verknautschte Tücher und zerdrückte Papiere wie „Geheime Wünsche“ (Titel). Die Technik der Monotypie bietet ständig neue Überraschungen - sowohl für die Gestalterin als auch das Publikum.

Doch sie kann natürlich ihre Kreationen auch bewusst beeinflussen und erreicht dadurch einen Hauch von Realismus. Etwa druckt sie auf mehrfachen Monotypien den Fuldaer Dom mit Farbe auf. Auf Chinapapier wirkt das Motiv verschwommen wie ein Aquarell, aber das Seidenpapier zieht sich beim Drucken zusammen: „Es erschreckt sich“, spaßt die Künstlerin. Dadurch erscheint die Umgebung des Doms verkrumpelt. Ironisch könnte der Schreiber sagen, das kleine Werk symbolisiert den Zustand der Kirche im Umbruch.

Auf einer Wand zeigt die Künstlerin erkennbare Motive meist aus der Rhön mit verschiedenen Radiertechniken: Landschaften, das legendäre Rhönschaf oder den Gleitflieger („To Feel Free“). Von der Kunststation wurde die Radierung „To Feel Free“ als Etikett für den nächsten Jahrgangswein gekauft (siehe Foto oben).

Diese Tiefdrucke mit Kaltnadel, Ätzung oder Aquatinta erfordern gründliche Planungen und Vorzeichnungen. Ihre fertigen, manchmal vorher mit Cappuccino eingefärbten oder nachkolorierten Werke zeigen eigenartige Interpretationen von Landschaften und Ereignissen - keine getreue Wiedergabe der Wirklichkeit. Kuratorin Dr. Elisabeth Heil weist in einem Text darauf hin, Druckgraphik habe auch im digitalen Zeitalter als Kunstform nichts an Aktualität und Kraft eingebüßt. Übrigens hat die Kuratorin mitgeholfen, dass die Ausstellung kein Sammelsurium wird. Trotz der Vielfalt der Techniken und Experimente wirkt sie sehr in sich geschlossen.

2007 begann Silvennoinen Radierungen mit der Kaltnadel zu gestalten, „seitdem hänge ich an der Nadel“, meint sie verschmitzt. Ein Jahr später beteiligte sie sich an einer Gemeinschaftsschau in der Kunststation. „Seitdem war es ein Wunsch von mir, hier eine eigene Ausstellung zu haben“, sagt die Künstlerin. In ihrem Atelier hält sie noch eine große Anzahl von Öl- und  Acrylmalereien bereit.

 FZ Studio 4786

Info:
 www.kunststation-kleinsassen.de
„Druckgraphik“ Ausstellung von Andrea Silvennoinen bis 22. November 2020.
In der Kunststation ermuntert die Künstlerin das Publikum zum Drucken:
bis 24. Okt. jeweils 12 - 18 Uhr.
Winterzeit: 29. bis 31. Okt. / 5. bis 7. Nov. / 12. bis 14. Nov. / 19. bis 21. Nov. jeweils 13 - 17 Uhr

Foto:
Oben: Radierung "To Feel Free", (c) Andrea Silvennoinen
Unten: Die Druckkünstlerin vor dem Dom (links) (c) Hanswerner Kruse