Curt Stenvert-Ausstellung im Belvedere in Wien
von Felicitas Schubert
Wien (Weltexpresso) – Mit dem Namen Curt Stenvert können nicht alle Besucher etwas anfangen, mit den ausgestellten Werken in der Orangerie im Unteren Belvedere schon. Und so sagt der eine: „Ach, schau mal, ein Arman!“ Aber es war gar keiner, wie er feststellt, sondern ein Objekt, das gesichert Curt Stenvert zugeschrieben wird. Gewitzt dadurch sagte er das nächste Mal:“Ach, schau mal, hier tut dieser Stenvert wieder so, als ob er Arman…“, aber dann ist es einer. Dasselbe erlebt man mit Spoerri. Mal sieht es wie ein Original aus, mal ist es einer. Was ist hier los?
Ganz einfach. Curt Stenvert gibt es gar nicht, es gibt ihn schon, aber es ist ein Kunstname, den sich Kurt Steinwendner, 1920 in Wien geboren und 1992 in Köln verstorben, mitten im Kunstkampfgetümmel 1969 verpaßte und obwohl wir persönlich überhaupt nichts über seine Motive wissen, muß man bei einigen Objekten, die in der Ausstellung über einen herfallen, sofort an John Heartfield denken, der einmal Helmut Herzfeld hieß, nicht weil die künstlerische Handschrift identisch wäre, nein, aber im Verfremden des Gegenständlichen schon und vor allem, weil ein politischer Anspruch daraus spricht, dem man damals mit Anglizismen noch nachkam, es könnte auch Niederländisch oder Nordeuropäisch sein. Heute würden englisch anmutende Namen nur noch affirmativ empfunden werden, also das Gegenteil davon ausdrücken, weshalb diese Künstler damals sich so nannten..
So haben wir da einen, der mit fremdem Namen den eigenen stärker einheizen kann. Denn das tut er. Von heute aus, sieht man durchaus vergnügt, mit welchen ganz unterschiedlichen Materialien er Objekte gestaltete, die zwischen Gebrauchskunst und Nonsens, zwischen surreal anmutenden Zusammenstellungen von Gegenständen, wie Puppen, Teilen von Musikinstrumenten, Werkzeugen,, Fotos , Vogelkäfig, Kupferdraht, Brille und so vielem anderen in Assemblage genannten Verbindungen präsentierte, die dann solche Titel wie „Die fünfundzwanzigste menschliche Situation: Statt einer Frau einen Milchwagen im Bett finden (Opus 178) 1964 oder „Schaltschema einer bemannten Mondrakete „ (Opus 78) 1963-68 tragen.
Die Phantasietitel bleiben, aber die Objekte sind teils auch schlichte Collagen – aha, John Heartfield – oder bebilderte Textbausteine. Angefangen hat er als Maler, unser Curt Stenvert, der wie eine Kunstfigur in dieser Ausstellung wirkt, weil so vieles zusammenkommt, was man wie in einer Gruppenausstellung über Pop und Agitprop erlebt, über den politischen Anspruch in der Kunst, besser sollte man sagen, den Anspruch, einer Gesellschaft den Spiegel über sich selbst und vor allem über die Entwicklung dieser Gesellschaft vorzuhalten. Der Künstler also nicht nur als der, der den Spiegel hält, sondern auch als der, der in ihn die Wahrheiten abbildbar hineinzaubert, ach, insgesamt sogar spiegelverkehrt die Welt mit ihren eigenen Mitteln schlagen will.
Ganz schön kompliziert und gleichzeitig ganz einfach, so stehen sie vor uns, diese Objekte als angewandte Kunst, keine l’art pour l’art, aber eben auch nicht irgendwie und abstrakt dazu, sondern gehörig gegenständlich. Fangen wir doch wie in der Ausstellung mit dieser Pariserin von 1964 an: „Die vierzigste menschliche Situation: Eine Pariserin sein“ (Opus 199), 1964, die noch vor dem Ausstellungsraum unsere Defiliercour in Gang setzt, ihrerseits also Hof hält, wer da bei ihr vorbeikommt. Eine Schaufensterfigur, der Paris auf den ansonsten nackten Leib gemalt ist. Und warum Pariserin? Eigentlich zeigen die kein Fleisch, sondern deuten es an. Hier aber ist der ganze Körper bedruckt mit Stadtmotiven, nein die Brustwarzen sind keine Rosenknospen, sondern eine dicke rote Rose thront auf dem Zwerchfell, wo das doch auch das Shakra für Sinnlichkeit neben dem des Schambeins ruht, das nun hier wiederum – haha – als Öffnung mit Wasser dargestellt ist, auf der ein Flußdampfer hineinfährt, daneben Lilien, massiv Rosa. Es war 1966 als auf der 33. Biennale in Venedig Stenverts und andere Objektassemblagen Triumphe feierten. Und auf einmal war die Zeit vorbei. Spoerri, Wolf Vostell und Arman entwickelten sich in je andere Richtungen. Stenvert kam auf die Malerei zurück und machte Filme.
Dabei nutzte er seine Erfahrungen aus der Nachkriegszeit, wo er Motive von Duchamps und die filmischen Bewegungsabläufe für Bewegungsfiguren benutzt hatte, von denen 1947 der „Violinspieler in vier Bewegungsphasen“ ihn auf einen Schlag bekannt gemacht hatte. Seine Malerei orientiert er – das sagt er ganz offen – an dem Autodidakten Richard Linder. Aber wir haben etwas Wichtiges ausgelassen. 1977 geht er mit Ehefrau weg aus Wien, bleibt erst in Mannheim, wo seine Frau eine Galerie mit seinen Werken betreibt, wieder zwei Jahre später geht es nach Köln. Abwesend wird er in Wien durchaus wahrgenommen und mit Ausstellungen geehrt, selbst in Um findet 1987 eine Retrospektive unter dem Titel „Objekte, Collagen, Bilder“ statt.
Die Ausstellung im Belvedere ist gut geeignet, die Gegenwart mit diesem Wiener Künstler wieder so richtig bekannt zu machen. Der Ausstellungstitel tut es uns an!
www.belvedere.at