Roswitha Cousin
Frankfurt am Main (Weltexpresso) -Das Ikonenmuseum war einst eine der großen Taten des legendären Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann. Launig erzählt er in seiner Biographie, wie er nach einer Nacht mit viel Alkohol und tiefsinnigen Gesprächen zusammen mit dem Frankfurter Kämmerer dem ebenfalls legendären Arzt Jörgen Schmidt-Voigt dessen rund 800 altrussische Ikonen als Schenkung für die Stadt abschwatzte. Schmidt-Voigt hatte diese Ikonen ursprünglich als Bezahlung bekommen und wohl auch gefordert, als er jahrzehntelang die Nomenklatura der UdSSR als Herzspezialist behandelt hatte. Überdies ist die Frankfurter Sammlung die zweite in Deutschland, wo traditionell die Kunst der Ostkirche nicht sehr bekannt ist. Man muß sich also neben dem stattgefundenen Umbau auch darum kümmern, wie diese stille und tiefe Kunst den Heutigen nachgebracht werden kann.
Nach über einjähriger Umbau- und Renovierungsphase öffnet das Ikonenmuseum in Frankfurt am Main mit gänzlich neuer Ausstellungsarchitektur und inhaltlicher Neukonzeption. Kulturdezernentin Ina Hartwig überzeugt die Umsetzung des neuen Museumskonzepts: „Zum ersten Mal seit seiner Eröffnung vor 30 Jahren hat das Ikonenmuseum eine derart umfangreiche Modernisierung erfahren. Es wurde baulich, inhaltlich und digital auf den neuesten Stand gebracht und runderneuert. Mit seinem neuen Präsentations- und Raumkonzept stellt es nicht nur eine Bereicherung für die Frankfurter Museumslandschaft dar, sondern unterstützt auch die Verständigung in unserer multikulturellen Stadt."
Unter der Direktion von Prof. Matthias Wagner K und der kuratorischen Leitung von Konstanze Runge, die seit September 2019 diese Position ausübt, rückt das Museum das Verhältnis zwischen Menschen und Ikonen in das Zentrum seiner komplett erneuerten Ausstellung.
Das neue Ausstellungskonzept
Die Ausstellungsfläche konnte durch die Einbeziehung des Foyers deutlich erweitert werden. Damit bildet das Foyer sowohl in räumlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht den Ausgangspunkt für die neue Dauerausstellung. Hier werden der Ursprung, die Verbreitung und die vielfältige Materialität und Bildsprache von Ikonen anschaulich vermittelt.
Auf diese einführende Ebene folgt der Hauptraum, in dem ein tieferes Eintauchen in die Welt der Ikonen ermöglicht wird. Dies geschieht zum einen über den Aspekt der Bedeutung und Funktion der Ikonen im kirchlichen wie auch im häuslichen Raum und zum anderen über die erzählerische Inszenierung der Darstellungen des Lebens und der Passion von Jesus und Maria. Während der Hauptraum vorwiegend dem Auftreten der Ikonen im kirchlichen Kontext gewidmet ist, wird die Empore von einer intimen Atmosphäre des Privaten beherrscht. Hier begegnen die Besucherinnen und Besucher einer Vielzahl an Heiligen, wie etwa dem besonders verehrten heiligen Nikolaus oder dem heiligen Georg.
Die 130 ausgewählten Ikonen und religiösen Objekte erscheinen nach umfassender Konservierung und Restaurierung in ganz neuem Glanz. Dabei wurden die besonders charakteristischen Spuren des Gebrauchs als Zeichen der Beziehung zwischen Menschen und ihren Ikonen behutsam erhalten. Die Ikonen werden weitestgehend glaslos und auf Augenhöhe präsentiert. Besonders wertvolle Ikonen, Metallikonen und kleinteilige Objekte sind durch Glas und Hauben geschützt.
„Mit dem neuen Museumskonzept möchten wir unseren Besucher:innen die Menschen hinter den Ikonen näherbringen und ein ganz neues Erleben der religiösen Kunstwerke ermöglichen. Die von Dr. Jörgen Schmidt-Voigt begründete und um zahlreiche, exzellente Leihgaben, wie insbesondere 84 post-byzantinische Ikonen aus der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst Berlin erweiterte Sammlung, gibt uns alle Möglichkeiten an die Hand, die beeindruckende Vielfalt und Faszination orthodoxer Bildwelten von Russland, Griechenland und Rumänien bis nach Ägypten und Äthiopien einem breit gefächerten wie internationalen Publikum zu erschließen. Die Zeitlosigkeit der Ikonen wird durch die moderne Architektur unterstrichen. Bei einem Besuch in unserem neugestalteten Museum können Sie sich davon überzeugen, dass Ikonen auch heute eine Menge zu erzählen haben und uns vor allem viel über die Menschen mitteilen, die sie fertigen, verehren oder sammeln“, erläutert die kuratorische Leitung Konstanze Runge ihr Konzept.
„Bilder waren nie allein Sache der Religion, sondern immer auch Sache der Gesellschaft, welche sich in und mit der Religion darstellte“, schrieb der Kunsthistoriker Hans Belting in seinem Buch „Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst“. „Die damit ausgelöste kontroverse Debatte über religiöse und ästhetische Erfahrungen erfährt mit der Neukonzeption des Ikonenmuseums in Frankfurt am Main eine aktuelle und gewichtige Auseinandersetzung“, sagt Prof. Matthias Wagner K. Und weiter: „Die von Konstanze Runge und ihrer Assistentin Simone Seyboldt entwickelte Konzeption ermöglicht ein Verständnis der Besucher:innen für die Stellung des religiösen Bildes im kunst- und kulturhistorischen Zusammenhang wie auch einen Zugang zu dessen Bedeutung und Anwendung im religiösen Leben von Menschen – was die Verbindung mit dem Museum Angewandte Kunst erklärt.“
Das neue Präsentations- und Raumkonzept
Die Ikonen und weiteren religiösen Objekte aus Russland, Griechenland, Rumänien oder Äthiopien können die Besucherinnen und Besucher in einer völlig neuen Ausstellungsarchitektur entdecken, die für das unmittelbare Erleben der sakralen Kunstwerke entwickelt wurde. Das auf die Belange der neuen Dauerausstellung abgestimmte Raum-in-Raum-Konzept greift die Quadraturen der postmodernen Architektur von Oswald Mathias Ungers aus dem Ende des 20. Jahrhunderts auf und verlängert sie in der Horizontalen und Vertikalen. Durch Aussparungen, unterschiedliche Höhenmaße, Neigungen und Vorsprünge bleibt eine Änderung dieser Architektur vorstellbar. Freistehend finden sich keine direkten Wandanschlüsse, sind sowohl die historische Architektur als auch die moderne von Ungers teilweise sicht-, immer aber spürbar. Die sich nicht zurücknehmende, im Gegenteil intensive monochrome Farbgestaltung der Ausstellungsarchitektur und der neu konzipierten glaslosen Vitrineneinschübe steht im deutlichen Kontrast zum Weiß der Gebäudearchitekturen. Höchstpigmentiert, bildet die Farbe eine bewusst glanzlose, dafür aber äußerst körperhafte Oberfläche, die die religiösen Kunstwerke in den Vordergrund rückt – sie nahezu schweben lässt – und mit dem eigens entworfenen Lichtkonzept und modernster LED-Technik eine ästhetische Grundlage für die Inszenierung der neuen, inhaltlichen Ausrichtung der Dauerausstellung bildet.
Baugeschichtlicher Hintergrund
Mit dem Ikonenmuseum im Barockbau des Deutschordenshauses fand das von Hilmar Hoffmann initiierte Museumsufer im März 1990 seinen östlichen Abschluss. „Der Bau dieses Museums“, so der damalige Stadtrat und Baudezernent Hanskarl Protzmann, „stand unter dem Generalthema der architektonischen Bewältigung historischer Bausubstanz durch neues Bauen.“ Mit dem Architekten Oswald Mathias Ungers fand sich ein Gestalter, dem mit Respekt vor dem historischen Baukörper und klarer Trennschärfe eine Synthese zwischen Modern und Alt gelang, um die umfangreiche Ikonensammlung der Stiftung von Jörgen Schmidt-Voigt aufzunehmen. Nach dem 30-jährigen Bestehen des Museums wurde dieses erstmalig einer umfassenden Sanierung und Renovierung unterzogen. Die Haus- und Klimatechnik sind nunmehr grundlegend erneuert, um den für klimatische Schwankungen anfälligen Ikonen ein optimales Präsentationsumfeld zu bieten. Die Sicherheitstechnik des Gebäudes erfuhr ebenso eine Erweiterung, wie auch die nutzbare Ausstellungsfläche.
„In einer Stadt mit mehr als 14 christlich-orthodoxen Gemeinden und geprägt von reicher kultureller Diversität möchte das Ikonenmuseum daher nicht nur ein Ort des Bewahrens kulturellen Erbes sein, sondern darüber hinaus einen Raum der Begegnung eröffnen, der alle einlädt und zu einem gelingenden Miteinander von Menschen mit verschiedenen kulturellen, religiösen wie auch nicht-religiösen Hintergründen beiträgt. Die Aufgaben eines Museums haben sich seit der Gründung des Frankfurter Museumsufers Ende des 20. Jahrhunderts stark verändert. Mit seinem rundum erneuerten Konzept reagiert das Ikonenmuseum auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen“, sagte Hartwig.
Fotos:
©Ikonenmuseum
Unter der Direktion von Prof. Matthias Wagner K und der kuratorischen Leitung von Konstanze Runge, die seit September 2019 diese Position ausübt, rückt das Museum das Verhältnis zwischen Menschen und Ikonen in das Zentrum seiner komplett erneuerten Ausstellung.
Das neue Ausstellungskonzept
Die Ausstellungsfläche konnte durch die Einbeziehung des Foyers deutlich erweitert werden. Damit bildet das Foyer sowohl in räumlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht den Ausgangspunkt für die neue Dauerausstellung. Hier werden der Ursprung, die Verbreitung und die vielfältige Materialität und Bildsprache von Ikonen anschaulich vermittelt.
Auf diese einführende Ebene folgt der Hauptraum, in dem ein tieferes Eintauchen in die Welt der Ikonen ermöglicht wird. Dies geschieht zum einen über den Aspekt der Bedeutung und Funktion der Ikonen im kirchlichen wie auch im häuslichen Raum und zum anderen über die erzählerische Inszenierung der Darstellungen des Lebens und der Passion von Jesus und Maria. Während der Hauptraum vorwiegend dem Auftreten der Ikonen im kirchlichen Kontext gewidmet ist, wird die Empore von einer intimen Atmosphäre des Privaten beherrscht. Hier begegnen die Besucherinnen und Besucher einer Vielzahl an Heiligen, wie etwa dem besonders verehrten heiligen Nikolaus oder dem heiligen Georg.
Die 130 ausgewählten Ikonen und religiösen Objekte erscheinen nach umfassender Konservierung und Restaurierung in ganz neuem Glanz. Dabei wurden die besonders charakteristischen Spuren des Gebrauchs als Zeichen der Beziehung zwischen Menschen und ihren Ikonen behutsam erhalten. Die Ikonen werden weitestgehend glaslos und auf Augenhöhe präsentiert. Besonders wertvolle Ikonen, Metallikonen und kleinteilige Objekte sind durch Glas und Hauben geschützt.
„Mit dem neuen Museumskonzept möchten wir unseren Besucher:innen die Menschen hinter den Ikonen näherbringen und ein ganz neues Erleben der religiösen Kunstwerke ermöglichen. Die von Dr. Jörgen Schmidt-Voigt begründete und um zahlreiche, exzellente Leihgaben, wie insbesondere 84 post-byzantinische Ikonen aus der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst Berlin erweiterte Sammlung, gibt uns alle Möglichkeiten an die Hand, die beeindruckende Vielfalt und Faszination orthodoxer Bildwelten von Russland, Griechenland und Rumänien bis nach Ägypten und Äthiopien einem breit gefächerten wie internationalen Publikum zu erschließen. Die Zeitlosigkeit der Ikonen wird durch die moderne Architektur unterstrichen. Bei einem Besuch in unserem neugestalteten Museum können Sie sich davon überzeugen, dass Ikonen auch heute eine Menge zu erzählen haben und uns vor allem viel über die Menschen mitteilen, die sie fertigen, verehren oder sammeln“, erläutert die kuratorische Leitung Konstanze Runge ihr Konzept.
„Bilder waren nie allein Sache der Religion, sondern immer auch Sache der Gesellschaft, welche sich in und mit der Religion darstellte“, schrieb der Kunsthistoriker Hans Belting in seinem Buch „Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst“. „Die damit ausgelöste kontroverse Debatte über religiöse und ästhetische Erfahrungen erfährt mit der Neukonzeption des Ikonenmuseums in Frankfurt am Main eine aktuelle und gewichtige Auseinandersetzung“, sagt Prof. Matthias Wagner K. Und weiter: „Die von Konstanze Runge und ihrer Assistentin Simone Seyboldt entwickelte Konzeption ermöglicht ein Verständnis der Besucher:innen für die Stellung des religiösen Bildes im kunst- und kulturhistorischen Zusammenhang wie auch einen Zugang zu dessen Bedeutung und Anwendung im religiösen Leben von Menschen – was die Verbindung mit dem Museum Angewandte Kunst erklärt.“
Das neue Präsentations- und Raumkonzept
Die Ikonen und weiteren religiösen Objekte aus Russland, Griechenland, Rumänien oder Äthiopien können die Besucherinnen und Besucher in einer völlig neuen Ausstellungsarchitektur entdecken, die für das unmittelbare Erleben der sakralen Kunstwerke entwickelt wurde. Das auf die Belange der neuen Dauerausstellung abgestimmte Raum-in-Raum-Konzept greift die Quadraturen der postmodernen Architektur von Oswald Mathias Ungers aus dem Ende des 20. Jahrhunderts auf und verlängert sie in der Horizontalen und Vertikalen. Durch Aussparungen, unterschiedliche Höhenmaße, Neigungen und Vorsprünge bleibt eine Änderung dieser Architektur vorstellbar. Freistehend finden sich keine direkten Wandanschlüsse, sind sowohl die historische Architektur als auch die moderne von Ungers teilweise sicht-, immer aber spürbar. Die sich nicht zurücknehmende, im Gegenteil intensive monochrome Farbgestaltung der Ausstellungsarchitektur und der neu konzipierten glaslosen Vitrineneinschübe steht im deutlichen Kontrast zum Weiß der Gebäudearchitekturen. Höchstpigmentiert, bildet die Farbe eine bewusst glanzlose, dafür aber äußerst körperhafte Oberfläche, die die religiösen Kunstwerke in den Vordergrund rückt – sie nahezu schweben lässt – und mit dem eigens entworfenen Lichtkonzept und modernster LED-Technik eine ästhetische Grundlage für die Inszenierung der neuen, inhaltlichen Ausrichtung der Dauerausstellung bildet.
Baugeschichtlicher Hintergrund
Mit dem Ikonenmuseum im Barockbau des Deutschordenshauses fand das von Hilmar Hoffmann initiierte Museumsufer im März 1990 seinen östlichen Abschluss. „Der Bau dieses Museums“, so der damalige Stadtrat und Baudezernent Hanskarl Protzmann, „stand unter dem Generalthema der architektonischen Bewältigung historischer Bausubstanz durch neues Bauen.“ Mit dem Architekten Oswald Mathias Ungers fand sich ein Gestalter, dem mit Respekt vor dem historischen Baukörper und klarer Trennschärfe eine Synthese zwischen Modern und Alt gelang, um die umfangreiche Ikonensammlung der Stiftung von Jörgen Schmidt-Voigt aufzunehmen. Nach dem 30-jährigen Bestehen des Museums wurde dieses erstmalig einer umfassenden Sanierung und Renovierung unterzogen. Die Haus- und Klimatechnik sind nunmehr grundlegend erneuert, um den für klimatische Schwankungen anfälligen Ikonen ein optimales Präsentationsumfeld zu bieten. Die Sicherheitstechnik des Gebäudes erfuhr ebenso eine Erweiterung, wie auch die nutzbare Ausstellungsfläche.
„In einer Stadt mit mehr als 14 christlich-orthodoxen Gemeinden und geprägt von reicher kultureller Diversität möchte das Ikonenmuseum daher nicht nur ein Ort des Bewahrens kulturellen Erbes sein, sondern darüber hinaus einen Raum der Begegnung eröffnen, der alle einlädt und zu einem gelingenden Miteinander von Menschen mit verschiedenen kulturellen, religiösen wie auch nicht-religiösen Hintergründen beiträgt. Die Aufgaben eines Museums haben sich seit der Gründung des Frankfurter Museumsufers Ende des 20. Jahrhunderts stark verändert. Mit seinem rundum erneuerten Konzept reagiert das Ikonenmuseum auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen“, sagte Hartwig.
Fotos:
©Ikonenmuseum