Die wilhelminische Epoche im Spiegel des Simplicissimus von 1896 bis 1914

 

Hubertus von Bramnitz

 

Hannover (Weltexpresso) – Wir wähnen uns heute total informiert mit all dem digitalen Schnickschnack und der unaufhörlichen Nachrichtenbombadierung. Ein Blick in die Ausstellung ZWISCHEN KAISERWETTER UND DONNERGROLLEN im Museum Wilhelm Busch, das sich Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover nennt, zeigt, daß die Interpretation der Nachricht das ist, worauf es ankommt.

 

Das wissen wir eigentlich alle, sind aber nicht mehr so gewöhnt, über Karikaturen die Welt zu erschließen. Darum tut diese Ausstellung richtig gut, die seit dem 20. Oktober 2013 noch bis zum 19. Januar 2014 anhand von Karikaturen des Simplicissimus einen Blick aus zeitgenössischer Sicht auf die Politik und Gesellschaft um 1900 wirft, auf eine Zeit, die geprägt ist von gravierenden technischen, sozialen und kulturellen Umbrüchen sowie von bedrohlichen politischen Krisen.

 

Seit Gründung des Simplicissimus im Jahr 1896 hielt die satirische Wochenzeitschrift der deutschen Politik und Gesellschaft einen kritischen und oft unbequemen Spiegel vor. Gegründet war sie als illustrierte Literaturrevue gedacht, die sich den Namen des Oberschelmen aus DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS von Grimmelshausen, immerhin von 1668, zu Nutze machte, was übersetzt der Einfältigste heißt.

 

Schnell wurde die Zeitung zum kritischen Spiegel der Nation: Ob die Flottenpolitik des Kaiserreichs, der Wettstreit um Kolonien, die Balkankrisen, oder auch die gesellschaftlichen Veränderungen durch die erstarkende Frauenbewegung: die Karikaturen von führenden satirischen Künstlern ihrer Zeit nehmen unmittelbar die brisanten Themen der sogenannten »Belle Époque« ins Visier – und erweisen sich als aufschlussreiche Zeitzeugnisse und ergiebige Quelle für das Verständnis der wilhelminischen Gesellschaft. Zugleich unterstreichen die 120 präsentierten Arbeiten durch ihre schöpferische Vielfalt und Ausdrucksstärke das hohe künstlerische Niveau des Simplicissimus.

 

Die Karikaturen werden in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext gezeigt, im Dialog mit Beispielen höfischer Repräsentationskunst von der Malerei bis zur Fotografie, mit Tondokumenten, Gebrauchsgrafik, Kleidung bis hin zu Spielzeug und Erinnerungsstücken.

 

Die Ausstellung ist untergliedert in die zwölf Themengebiete (1) Adel und Monarchie, (2) Offizierskorps und Burschenschaften, (3) Wilhelm II.: Maritime Begeisterung und Flottenpolitik, (4) Majestätsbeleidigung und Skandalgeschichten, (5) Parteien und Institutionen, (6) Kultur und Unterhaltung, (7) Neue Zeiten kündigen sich an …, (8) Die soziale Frage, (9) Die Frauenbewegung, (10) Koloniales Machtstreben, (11) Krisenherd Russland sowie (12) Internationale Konflikte und die Balkankrisen.

 

Vertreten sind Arbeiten der elf Künstler Karl Arnold (1883–1953), Marcel (Marcello) Dudovich (1878–1962), Olaf Gulbransson (1873–1958), Thomas Theodor Heine (1867–1948), Bruno Paul (1874–1968), Ferdinand von Reznicek (1868–1909), Wilhelm Schulz (1865– 1952), Eduard Thöny (1866–1950), Brynolf Wennerberg (1866–1950), Rudolf Wilke (1873–1908) und Heinrich Zille (1858–1929).

 

Die Exponate stammen aus der bedeutenden Sammlung von Simplicissimus-Karikaturen des Hauses, die in der jüngeren Vergangenheit durch Dauerleihgaben der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Fördervereins des Museums »Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst « e. V. maßgeblich erweitert wurde.

 

Ergänzend kommen Leihgaben von der Staatlichen Graphischen Sammlung München, von der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, vom Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, vom Preußen-Museum Minden, von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover, vom Historischen Museum Hannover, von der Landeshauptstadt Hannover, der Oberbürgermeister, und von J. F. S. Parfums Berlin GmbH & Co. KG sowie von privaten Leihgebern.

 

 

Foto: Eduard Thöny, Zuchtwahl, 1902, Karikaturmuseum Wilhelm Busch.

 

 

Der Katalog

 

Zur Ausstellung ist ein 120 Seiten umfassender Katalog im Selbstverlag der Wilhelm-

Busch-Gesellschaft e. V., Hannover, erschienen. Der Hardcover-Band beinhaltet

114 farbige, teils großformatige Abbildungen und ist im Museum sowie im Buchhandel

(ISBN 978-3-921752-55-8) für 24,90 Euro erhältlich.

 

 

Das Begleitprogramm

 

Das Begleitprogramm bietet zwischen dem 31. Oktober und 12. Dezember 2013 jeweils donnerstags um 19.00 Uhr sechs wissenschaftliche Vorträge namhafter Historiker und Kunsthistoriker zu den brisanten gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im wilhelminischen Kaiserreich.

 

Zwischen dem 24. November 2013 und dem 19. Januar 2014 führt zudem jeweils sonntags um 11.30 Uhr Museumsdirektorin Dr. Gisela Vetter-Liebenow in Form eines Ausstellungsgesprächs mit einem prominenten Gast aus der hannoverschen

Kulturöffentlichkeit durch die Ausstellung.

 

Des Weiteren finden Modevorführungen, eine Präsentation historischer Duftnoten, ein Abend mit Unterhaltungsmusik der Jahrhundertwende, ein Poetry Jam sowie ein Papiertheater-Workshop, öffentliche Führungen und Kinderaktionen statt.

 

 

INFO:

 

So. 20.10.2013 – So. 19.01.2014

Die Ausstellung

Das Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für

Karikatur und Zeichenkunst in Hannover

 

www.karikaturmuseum.