INKA.KÖNIGE DER ANDEN im Linden-Museum-Stuttgart, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Stuttgart (Weltexpresso) – Große Landesausstellung Baden Württemberg nennt sich diese Ausstellung und auf der goldenen Herrscherfigur der Ankündigung steht „Europa Premiere“. Das sind keine zu großen Worte, denn die Inka-Schau ist durch die vielen Originale aus der eigenen Sammlung, die durch die wertvollen Leihgaben erst richtig wahrgenommen werden, wirklich etwas Außergewöhnliches.

 

Zudem kann man kann froh sein, daß die Ausstellung nach dem kommenden März bis zum 23. November nach Rosenheim weiterwandert. Eigentlich fragt man sich, warum nicht auch eines der Museen im Norden oder Osten Interesse zeigte, denn die indigenen Kulturen Mittel- und Südamerikas sind bei Besuchern auch deshalb beliebt, haben sich doch die seit der Entdeckung Amerikas als Wunderwelt beschriebenen Azteken- und Mayareiche in Mittelamerika und deren größtes Reich der Inkas mit dem Mittelpunkt Cusco in Peru als genauso sagenhaft erwiesen, wie ihr Untergang in der wirklichen Welt durch die Europäer, hier die Spanier, verursacht wurde. Das Ahnen von Unrecht steckt eigentlich in jedem europäischen Knochen. Auch heute noch.

 

Nun gibt es zum Thema natürlich viele Ungewißheiten und wenn man in Stuttgart erst einmal hört, daß die meisten der alten Theorien zu den INKAS ad acta gelegt werden können, ist es für diejenigen, die diese gar nicht kannten, gefundenes Fressen. Wer aber sich in der Vergangenheit ernsthaft damit beschäftigte, kam an William Prescott, Entdeckung und Eroberung von PERU gar nicht vorbei, auf Deutsch erschienen 1951im GYR-Verlag Baden, in 2 Bänden. Doch diese historischen Gesamtschauen, die sich einfach angesichts von fehlendem schriftlichen Material auf Phantasie stützen mußten, sind heute deshalb nicht mehr aktuell, weil die Forschung andere Wege geht. Sie setzt an den aufgefundenen Gegenständen an und will über diese, ihre Materialien, ihre Funktionen etwas über damaliges Leben rekonstruieren. Es verlagert sich also das geschichtliche Interesse von der Entdeckung und Eroberung stärker zur archäologischen Fragestellung, wie diese Gesellschaften intern strukturiert waren und wie die Menschen konkret lebten, so daß das damalige Leben zentraler Fragepunkt wird, den die Objekte beantworten sollen.

 

Die Frage nach den Inkas muß dennoch weiter eingeengt werden, will man in einer einzigen Ausstellung eine noch so vage Antwort erhalten. Das Linden Museum stellt dazu erst einmal fest, daß das Imperium der INKAS das größte indigene Reich war und sich mit dem Machtzentrum Cusco über annähernd 5 000 km entlang den Anden von Kolumbien bis nach Chile erstreckte. Zwar werden die Spuren des Reichen von den legendären vorspanischen INKAS, deren Anfänge man auf die Mitte des 11. Jahrhunderts festlegen kann, bis hin zur Kolonialzeit an Beispielen gezeigt, aber es heißt deutlich: „Der Fokus der Schau liegt auf der imperialen Phase.“ Das bedeutet, daß wir den Inka-Adligen folgen, mitten hinein nach Cusco, wo das Zentrum der Macht durch die genauso imperiale Religion festgezurrt wurde.

 

Dort erfahren wir am Beispiel von drei Inka-Herrschen, den berühmtesten mit Viracocha, Pachacutec Yupanqui und Tupac Inca Yupanqui, den Erbauern von Cusco und Machu Picchu, wie sie das 'handelten', in einer Zeit ohne moderne Kommunikationsmittel wie Telefon und Internet solch ein Riesenreich erfolgreich im Griff zu halten und nicht nur ihren Anteil an der Ernte und dem Volksvermögen erfolgreich einzutreiben, sondern auch zu gewährleisten, daß das Volk nicht hungerte.

 

Fassen wir den Kontext noch einmal zusammen: Es geht um die Frage, wie sich die Herrschaft in diesem ausufernden Reich halten konnte, wie Herrschaft konstituiert war, theokratisch, totalitär oder sozialistisch? Oder gar als Teilhabe der eroberten Provinzen an der Macht, wie es das Römische Reich für Europa vorgemacht hatte durch die Amalgamierung des Fremden ins bestehende System. Und wie war überhaupt das Kommunikationsnetz beschaffen, das auf jeden Fall Information nach oben geben mußte, was immer dazu führte, daß auch die da unten die Brocken auflesen und interpretieren konnten. Woher kommen die Ideen zu ihren Göttern und den riesigen Tempelanlagen und abgeschlossenen Götterbezirken. Interessant bleibt aber auch die Frage danach, was übrig blieb, nachdem die Spanier ihren Vernichtungsfeldzug erledigt hatten.

 

bis 16.3.2014

 

Katalog

 

INKA.KÖNIGE DER ANDEN, hrsg. von Doris Kurella und Inés de Castro, Lizenzausgabe für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 2013

 

Der 348 Seiten starke Katalog ist eine gute Mischung aus herrlichen, oft seitengroßen Abbildungen – sowohl der historischen Exponate wie auch von grandiosen Landschaftsfotografien – und Texten, die sowohl die Geschichte der Inkas wie auch ihr Fortleben in Peru in gesonderten Kapiteln nachvollziehen. Ab Seite 229 erschließen sich dann über den Katalogteil die Ausstellungsstücke noch einmal im Detail, denn neben der Benennung, dem Fundort und Besitzer wird auch die Funktion des Gegenstandes erklärt. So heißt es gleich über eine Kappe auf den ersten Seiten, wo links der Text und rechts die Abbildungen stehen,“Kappe. Auf dieser Kappe sieht man eine Gottheit, die ein Mischwesen ist. Sie hat den Körper eines Lamas und Flügel eines Kondors auf dem Rücken. Das Motiv wiederholt sich, aber immer in wechselnden Farbkombinationen.“ Darunter sind die Angaben: Alpkawolle, die Maße der Kappe, Peru, Huari-Kultur, 7. 12. Jh. n. Chr. Linden-Museum Inv.-Nr....

 

Über „Ein Paar von Tellern“ heißt es: „Dieses noch erhaltene Paar von Tellern belegt sehr schön das Weltbild der Hälftenteilung, der Dualität. Die typischen Inka-Keramiken waren meist mit stilisierten Maismotiven bemalt. Die Objektangaben sagen: Ton, Engobebemalung, Maße, Peru, Inka-Kultur, 15.-16. Jh. n. Chr. Museo de arte del Sur Andino, Cusco.

 

Der Katalog leistet also sowohl eine historische Aufarbeitung, woher die Inkas kamen, welche Höhepunkte dieses größte indigene Reich auf amerikanischem Boden erfuhr, welche Folgen die spanische Eroberung hatte, als auch eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Objekte.

 

www.lindenmuseum.de