Bildschirmfoto 2021 12 19 um 03.35.43GÖTTINNEN DES JUGENDSTIL. Eine kurzweilige Ausstellung im Schloß Karlsruhe bis 19. Juni 2022, Teil 2

Redaktion

Karlsruhe, (Weltexpresso) - Frauen erobern die Kunst! Um 1900 herrscht Aufbruchstimmung: Die Frau steht im Zentrum künstlerischer Darstellungen – verführerisch, floral-verspielt oder mystisch überhöht. Obgleich Kunst und Realität von Männern dominiert werden, machen sich Frauen zunehmend unabhängiger, ergreifen Berufe und treten als gefeierte und anerkannte Künstlerinnen in Erscheinung. Die Ausstellung „Göttinnen des Jugendstils“ im Badischen Landesmuseum zeichnet ab 18. Dezember das Porträt einer faszinierenden Zeit, schildert Kunst-, Konsum- und Lebenswelten der modernen Frau um 1900 – und bietet auch den Künstlerinnen selbst eine Bühne. Die Schau im Schloss Karlsruhe entsteht in Kooperation mit dem Allard Pierson in Amsterdam und dem Braunschweigischen Landesmuseum.

Der Jugendstil spiegelt die gesellschaftlichen Umbrüche um 1900. Die Industrialisierung wirkt sich massiv auf Gesellschaft und Umwelt der Menschen aus. In vielen Ländern erstarkt der Nationalismus und ein von europäischen Großmächten ausgehender Kolonialismus prägt die gesamte Welt. In den Städten etablieren sich neue Formen der Konsum- und Unterhaltungskultur. Wissenschaftliche Erkenntnisse sowie philosophische und neue religiöse Ansätze bringen das bisherige Menschenbild ins Wanken. Es entstehen neue radikale Lebensentwürfe, Fortschrittsglaube prallt auf Kulturpessimismus.

In dieser Zeit tiefgreifender Veränderungen wendet sich der Jugendstil gegen den traditionellen Historismus und entwickelt eine völlig neue Formensprache. Dabei verleihen viele Künstlerinnen und Künstler ihren Gefühlen und Haltungen durch weibliche Figuren Ausdruck. „Göttinnen des Jugendstils“ präsentiert den Besucherinnen und Besuchern das einzigartige Phänomen der vielfältigen Frauendarstellungen im Jugendstil: Junge Frauen mit Blumen im wallenden Haar symbolisieren die Reinheit der Natur – in Abgrenzung zum Schmutz und Lärm der Industrielandschaften und Großstädte. Als meisterhaftes Beispiel für die naturmystische Verklärung gilt die Büste La Nature, die von Alfons Mucha für die Pariser Weltausstellung 1900 erschaffen wurde – ein Highlight der Karlsruher Ausstellung! Aber auch sinnlich-düstere Frauenfiguren wie die männermordende Medusa oder solche, die zur Sünde verlocken und Verderben mit sich bringen, finden sich in der Sonderausstellung wieder. Sie stehen symbolhaft für den befürchteten kulturellen Verfall des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dekadenz und Natur faszinieren die Jugendstil-Künstlerinnen und -Künstler gleichermaßen.

Obwohl sich der Jugendstil intensiv mit den gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit auseinandersetzt, finden die von Repressionen geprägten Lebensumstände vieler Frauen in der Kunst kaum Widerhall. Doch markiert die Zeit um 1900 eine Kehrtwende, die auch den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung eindrücklich vor Augen geführt wird: Frauen organisieren sich erstmals in Vereinen und verlangen nach Bildung und Berufstätigkeit, gesellschaftlicher Teilhabe und politischer Mitsprache. In Karlsruhe wird 1893 das erste Mädchengymnasium Deutschlands eröffnet. Erste Studentinnen schreiben sich an den Universitäten von Freiburg und Heidelberg ein. Frauen wagen sich trotz schwieriger Voraussetzungen als freischaffende Künstlerinnen auf den Kunstmarkt. Sie befreien sich im wahrsten Sinne des Wortes von alten Korsetts, entwerfen Reformkleider, die mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen, und werden sportlich aktiv. Weltstars wie die Tänzerin Loïe Fuller oder die Schauspielerin Sarah Bernhardt stehen auf den großen Bühnen der Welt, verzaubern das Publikum und erhalten nicht zuletzt durch die allgegenwärtige Plakatkunst namhafter Jugendstil-Künstler wie Alfons Mucha den Status lebender Ikonen.

Fortsetzung folgt

Foto:
Franz von Lenbach, „Schlangenkönigin“ München, 1894 Öl auf Leinwand Privatsammlung
© Privatsammlungen, Ingo Bustorf

Info:
18.12.2021 –19.6.2022
„Göttinnen des Jugendstils“
Sonderausstellung, Schloss Karlsruhe
Di – So, Feiertage 10 – 18 Uhr,
25. und 31.12. geschlossen, 1.1. ab 13 Uhr geöffnet
12 Euro, erm. 9 Euro, Kinder 4 Euro
www.landesmuseum.de
Es gibt einen Katalog, den wir noch vorstellen

Quelle: Badisches Landesmuseum