Über den Universal-Künstler Richard Müller
Hanswerner Kruse
Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Mit der Studioausstellung „KONKRET fundamental“ würdigt die Kunststation posthum den im letzten Jahr gestorbenen Richard Müller. Sein vielseitiges Oeuvre reicht von Konkreter Malerei über künstlerischen Buchdruck bis zu Konkreter Poesie. Doch mit bissigen oder derben Wortspielen in Rhöner Mundart wurde er eher in seiner alten Heimat bekannt:
„De Gügge
kännt bloß eins:
Hünnerärsch.“
Im Studio fallen zunächst einige große Gemälde mit strengen geometrischen Strukturen ins Auge. Diese Werke sind Konkrete Kunst, sie symbolisieren nichts, stellen nichts dar. Ganz „konkret“ treten einem diese Arbeiten, die der Maler nach dem Akademie-Studium in Köln schuf, mit ihren Farben und Formen entgegen. Weil es ihm in Fulda zu eng war, verließ der Künstler in den frühen 1970er-Jahren die Stadt, die noch abseits im tristen Zonenrandgebiet lag.
In Vitrinen werden Künstlerbücher bekannter Poeten präsentiert, von Wladimir Majakowski, Hugo Ball und mehrfach Pierre und Ilse Garnier. Müller gestaltete die Editionen in Köln, stellte sie im Handdruck her und band sie selbst ein. So versuchte der gelernte Schriftsetzer - aus pekuniären, aber ebenso aus ästhetischen Gründen - Kunst mit seinem Handwerk zu verbinden. Anfangs setzte er die Ideen, Texte und Skizzen anderer Kunstschaffender in typografische Gestaltungen um.
Auch hier wurde es „konkret“, denn die wollten mit ihren Texten keine Emotionen oder Sachverhalte (mehr) ausdrücken. Sondern in der Konkreten Poesie wurde mit den Worten gespielt, die Buchstaben, Satzzeichen und deren optische Kompositionen standen oft als Visuelle Poesie für sich selbst. Müllers Editionen, die Bilder, Sprache und Typografie verknüpften, erschienen für Liebhaber in kleinen Auflagen in seinem Kölner Verlag „edition fundamental.“ Sie machen heute deutlich, dass die im digitalen Zeitalter fast vergessene Buchdruckkunst vielschichtiger ist, als man gemeinhin annimmt. „Dichten ist Drucken. Drucken ist Dichten“, postulierte ein Künstlerbuch der Garniers.
„Met Gewalt
e Gedecht
dos werd nüscht“,
notierte Müller. Doch beim langwierigen Druck mit der Handpresse kreierte er häufig Verse, berichtet Benno Hilfenhaus, der Jugendfreund und Betreuer des künstlerischen Nachlasses. Sein Freund sei ein präziser Beobachter und großer Erzähler gewesen, der schon früh Prosatexte verfasste, manchmal mit eigenen Illustrationen. Zugleich experimentierte und spielte er mit Typografie und Gedichtformen:
„Korz Gedecht
säuschwer Sach,
aber schö.“
An der Stirnwand des Studios hängen einige Originalblätter seiner Publikationen mit eigenen Texten und Grafiken.
Der Fuldaer Buchhändler Manfred Borg vom „Ulenspiegel“ organisierte seit den 1990er-Jahren Lesungen in Mundart mit Müller, die nach seiner Rückkehr 2006 ins Fuldaer Land häufiger stattfanden. Seine Verse auf platt gelten als Nebenprodukte seines künstlerischen Schaffens, doch er verbindet darin meisterhaft nicht-verklärte Heimatgefühle mit ironischer Weltläufigkeit. Literaturwissenschaftler Rudolf Post meint, Müller zeige in seinen Texten und Gedichten, dass auch andere Formen und Inhalte der Mundart angemessen seien: „Nämlich knapp, lakonisch, sprachspielerisch, drastisch, hintergründig, subversiv, sarkastisch oder erotisch-obszön.“
Die Einflüsse der konkreten Poesie sind beim lauten Lesen hörbar. Hoffentlich kommt deshalb noch während der Ausstellung eine geplante Mundart-Lesung durch den „Ulenspiegel“ zustande. Einige Restauflagen von Müllers Editionen werden von der Buchhandlung in der Kunststation angeboten. Die Blätter der Bücher fühlen sich gut an und riechen nach Papier. Apropos Papier: der Künstler nutzte alles was sich bedrucken ließ, vom feinsten Bütten bis zum DDR-Butterbrotpapier. Und er ahnte:
„E bös Ziet?
Bloß kei Angst.
get schlemmer.“
Die hier im Text zitierten 3x3-silbigen Mundartgedichte entstammen Müllers kleiner Schrift „Sackzement“ (2006).
Fotos:
(c) Hanswerner Kruse / Foto von Müller (privat)
Info:
„KONKRET fundamental“ bis zum 4. März in der Kunststation, parallel zur großen Winterausstellung, die noch bis zum 27. Februar läuft. Öffnungszeiten: Donnerstags bis sonntags von 13 - 17 Uhr. Es gelten 2G- und Abstandsregeln, die Maskenpflicht ist einzuhalten.
www.kunststation-kleinsassen.de