Bildschirmfoto 2022 02 06 um 00.57.24Die erste Sammlung Karl Ströher aus dem Vermächtnis von Ulrike Crespo. Februar – 11. April 2022  im Deutschen Romantik-Museum

Katharina Klein

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aus dem Nachlass der Frankfurter Psychologin, Fotografin und Philanthropin Ulrike Crespo (1950 – 2019) erhielt das Freie Deutsche Hochstift 2021 ein Konvolut von 35 Zeichnungen des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich zusammengetragen wurden diese von ihrem Großvater Karl Ströher (1890 – 1977), dem bedeutenden Förderer und Sammler von Kunst der Nachkriegszeit und der Moderne.

Er sammelte Werke der klassischen Moderne und direkter Zeitgenossen und stand mit vielen internationalen Künstlern in enger Verbindung. Sein Nachlass prägt heute das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt und bereichert die Sammlung des Städel Museums. Das Freie Deutsche Hochstift würdigt die Schenkung Ulrike Crespos nun mit einer Schau im Handschriftenstudio des Deutschen Romantik-Museums. Unter dem Titel ‚Als wäre ich selbst dabei gewesen. Die erste Sammlung Karl Ströher aus dem Vermächtnis von Ulrike Crespo‘ werden vom 8. Februar bis 11. April 2022 18 ausgewählte Zeichnungen des Konvoluts gezeigt, darunter Arbeiten von Jakob Becker und Karl Peter Burnitz, Heinrich Crola, Wilhelm von Kobell, Thomas Ender sowie Johann Christoph Erhard.

Karl Ströher begann erst als 50-Jähriger, Kunst zu sammeln, angefangen mit Zeichnungen des 19. Jahrhunderts. In einem autobiographischen Bericht schilderte er 1976: „Ich liebte vor allem Blätter der Deutschen in Rom und der Romantiker“. Es sei eine persönliche Nähe gewesen, die er zu diesen Malern und Zeichnern aufbauen konnte. Die Lektüre von Lebensläufen, Berichten und Briefen der Künstler brachte ihm deren Arbeiten nah: „Die vielerlei Einzelheiten darüber habe ich ganz in mich aufgenommen, als wäre ich selbst dabei gewesen“. Bald umfasste diese erste „Romantiker-Sammlung“ viele hundert Blätter, darunter Arbeiten von Künstlern wie Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge, Johann Friedrich Overbeck oder Adrian Ludwig Richter.

Die 35 Handzeichnungen, die das Freie Deutsche Hochstift erhalten hat, zeigen skizzenhafte Arbeiten, die selten bildhaft ausgeführt wurden, umfassen versunkene Figuren, kleine Naturszenen, Blicke auf und in Gebäude oder in die Landschaft. Allen Blättern ist ein nahezu privater Blick zu eigen, etwas schnell Erfasstes, so als halte der Künstler eine Körperhaltung, eine unspektakuläre, ihm vertraute Szene oder auch eine Lichtstimmung fest. Die Zeichner dieser Sammlung entstammen der Spätromantik, dem Biedermeier manche bereits dem frühen Realismus. Einige gehören in das Umfeld Frankfurts, einige in den Dresdener Kontext mit seiner großen romantischen Tradition, oder in den süddeutschen Raum. Andere Zeichnungen entstanden auf den im 19. Jahrhundert so wichtigen Künstlerreisen nach Italien, von denen Karl Ströher fasziniert erzählte.

Im Frankfurter Historischen Museum läuft gegenwärtig die so wichtige Ausstellung, die erstmals breit die Stadt und ihre Bewohner zu Zeiten des Nationalsozialismus offenlegt, wobei die erschreckende Erkenntnis ist, wie früh und wie offen sich eine große Zahl der Frankfurter den Nazis anschlossen und sich in deren Sinn brutal und judenfeindlich verhielten. Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, daß auch nach 1945 keine Aufarbeitung der Nazizeit geschah, sondern außer den bekanntesten NS-Verbrechern die meisten einfach weitermachten. So ist über Karl Ströher auch nur bekannt, daß er als Erbe der Firma Wella, die damas weltführend im Bereich Haar etc. war, über hohe fiinanzielle Mittel verfügte, die er u.a. in die damalige Gegenwartskunst investierte. Ströher ist dann im hessischen Raum sehr bekannt geworden, weil es ein Hin und Her gab, welchem Museum er seine Sammlung anvertrauen werde. Das ist geradezu spannend, aber jetzt nicht unser Thema.

Das ist stattdessen, im Kontext der obigen Ausstelllung, ein Hiinweis auf die Verstrickung der Firma Ströher mit der NSDAP. Hier weiß kaum einer, daß Vater Franz, der Firmengründer aus dem Erzgebirge, dort die Firma errichtete, die im Bereich Haare schnell eine nationale und internationale Bedeutung errang, erst recht sehr rentabel, nachdem Zwangsarbeiter im Krieg die Zweigstelle in Apolda erfolgreich hochbrachte. Die Verstrickung galt nicht nur hinsichtlich der Beschäftigung von Zwangsarbeiter und der Errichtung von Lagerhallen, sondern auch durch massive Spenden der Firma an die NSDAP. Kein Wunder, daß sich die Ströhers nach 1945 schnell aus dem Bereich der dann SBZ genannten späteren DDR absetzten, flüchteten und im Westen mit dem Wissen der Firmeninhaber erneut eine Firma gründeten, die später als Wella in Darmstadt Weltmarktführer in Bereich Haare wurde. Ihr Werk in der SBZ wurde Volkseingentum. Die heutigen Erben sind nicht für die Taten der Väter verantwortlich, aber durchaus dafür, daß die Geschichte der Firma, die längst an die globalen Players verkauft wurde - leider - historisch aufgearbeitet und bekannt wird. 

Foto:
Eduard Leonhardi-Seeufer
©Veranstalter

Info:
Eintritt
Der Besuch der Ausstellung ist im Museumseintritt enthalten.
Öffnungszeiten
Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag, Sonntag 10 – 18 Uhr, Donnerstag 10 – 21 Uhr / Montag geschlossen
Besucherinformation

www.freies-deutsches-hochstift.de
www.deutsches-romantik-museum.de