1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK im Jüdischen Museum Frankfurt, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Groß angekündigt war dieser Besuch nicht, schließlich handelt es sich bei der Tätigkeit der neuen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nicht um eine der großen Worte und des großen Geldes, sondern um eine die Kultur der Bundesrepublik im Innersten zusammenhaltende und fördernde Tätigkeit. Dazu paßte gut, daß die neue Frau an der Spitze deutscher Kultur ihre erste Dienstreise ins Jüdische Museum Frankfurt antrat.

 

Gekommen war sie nicht des Museums wegen, sondern dessen wahrlich spektakulärer Ausstellung wegen, die noch bis zum 23. Februar im Jüdischen Museum in Frankfurt, dem alten Rothschildpalais, anläßlich des 75. Jahrestages der Pogromnacht zu sehen ist: 1938: KUNST – KÜNSTLER – POLITIK. Auf diese Ausstellung sei sie durch Presseartikel aufmerksam geworden und spontan nach Frankfurt geeilt sei. Andererseits hatte aber auch die Kulturstiftung der Länder aus gutem Grund diese Ausstellung finanziell unterstützt. Zur rechten Zeit kommt diese Ausstellung, wenn man an GURLITT UND DIE FOLGEN denkt, übrigens eine gleichnamige abendliche Podiumsdiskussion am 29. Januar im Jüdischen Museum zum Umgang mit ENTARTETER KUNST und NS-RAUBKUNST.

 

Wir stellen uns vor, die neue Kulturstaatsministerin hat auf den ersten Blick die Übereinstimmungen zwischen der heute in der Berlinischen Galerie zu Ende gehenden Ausstellung WIEN BERLIN – KUNST ZWEIER METROPOLEN. Von Schiele bis Grosz und der hiesigen Ausstellung gesehen. Beide Ausstellungen haben die Werke nach 1900 bis in die Dreißiger Jahre im Blick. Die Gemeinsamkeit kann man an der Künstlerin Lotte Laserstein festmachen. Und die Gemeinsamkeit endet auch hier. Die einen durften als Arier, vielleicht ob ihrer Frühwerke im Nazi-Deutschland verpönt, weiterarbeiten, die anderen wurden verfolgt und ermordet oder konnten sich ins Ausland retten. Um „die anderen“ geht es in Frankfurts Jüdischem Museum.

 

Fassungslos – weil man es nicht kannte und weil es so gut ist - konnte man in Berlin das große breite Gemälde ABEND ÜBER POTSDAM sehen, ein hervorragend gemaltes, eindrucksvolles Bild, zu dem nun hier im Jüdischen Museum ein Foto von Wanda von Debschitz-Kunowski hängt, daß die Künstlerin 1930 bei der Arbeit an diesem Gemälde zeigt. Sie, den Pinsel in der Rechten, die Palette in der Linken, schaut sehr ernsthaft im Profil nach links, als ob dort ein Modell sitze. Sie trägt die dunklen Haare zurückgesteckt und einen weißen eleganten Malerkittel. Und wir hatten von dieser Frau noch nie gehört!

 

Warum diese Unkenntnis, obwohl wir Kunst studiert hatten und uns gerade die Zwischenkriegszeit in Deutschland und Österreich ein besonders interessantes Kapitel ist, ob man nun viele der Bilder als Neue Sachlichkeit bezeichnet oder nicht? In Frankfurt erfährt man nun - und das tat auch Monika Grütters - mehr über die Künstlerin, die ihr Leben durch die Flucht nach Schweden retten konnte und im Nachkriegsdeutschland nicht wiederentdeckt wurde, weder in Ost noch West . Die Malerin selbst sagte zu ihrem erzwungenen Asyl: „Hätte ich nicht meine eigene Wirklichkeit im Malkasten gehabt, diesem kleinen Köfferchen, das mich von Skane über Stockholm bis nach Jämtland führte, so hätte ich die Jahre nicht durchstehen können, in denen mir alles genommen wurde: Familie, Freunde und Heimat. Einen Teil davon fand ich dank meiner einzigen Wirklichkeit zurück.“

 

In der Frankfurter Ausstellung, in der ein SELBSTPORTRÄT MIT KATZE von 1921, in den Maßen 120 x 220 Zentimeter, vom Selbstbewußtsein der Künstlerin und ihrem Anspruch kündet, an die Selbstporträts seit der Renaissance anzuknüpfen, hängt auch ein weiblicher Akt IN MEINEM ATELIER von 1928. In dieses hat sie sich wiederum bei der Arbeit am Akt, der breit vor uns lagert, vor einer weiten Stadtkulisse im Hintergrund hineingemalt. Hier hängen ebenfalls berührende und technisch perfekte Porträts der Familie Trolle, die von den Schweden künden, die Lotte Laserstein durch Aufträge und lange Aufenthalte in deren Haus in Südschweden den Lebensunterhalt in der Fremde sicherten.

 

Was man von Lotte Laserstein heute weiß, erkunden wir im nächsten Kapital. Die Besucherin aus der Berlin führte Museumsleiter Raphael Gross durch die Ausstellung, wobei das Thema von Raub und Restitution differenziert und vielschichtig bleibt. Gross sprach von LOST ART, also „Verlorener Kunst“, die sich nicht nur aus den geraubten, billig abgepressten oder enteigneten Werken zusammensetzt, sondern eben auch die Werke der Künstler einschließt, die nur noch im Geheimen arbeiten konnten, nie auf den Kunstmarkt kamen oder durch Flucht ins Ausland nie wieder eine Bekanntheit in Deutschland erreichten. Ein großes Gegenbild dazu wäre beispielsweise Max Beckmann, der es als einer der wenigen geschafft hatte, als Weltmaler zu reüssieren.

 

Diese Ausstellung behandelt genau das Thema, das uns derzeit so bewegt“, betonte Monika Grütters und hat dabei zwei Schwerpunkte. Sie will die Provenienzforschung, in der die Geschichte der Bilder rückverfolgt wird, stärken und sie will die Zuständigkeiten und Zusammenarbeit der Länder in dieser Frage neu ordnen und finanziell aufstocken. Fortsetzung folgt.