hausderkunst.deAusstellung im Haus der Kunst in München vom 10. Juni bis 23. Oktober

Redaktion

München (Weltexpresso) - „Fragments, or just Moments“ ist die erste institutionelle Einzelausstellung des US-amerikanischen Künstlers Tony Cokes (*1956 Richmond, Virginia, USA) in Deutschland und bildet zugleich die erste umfassende Zusammenarbeit des Haus der Kunst mit dem Kunstverein München.

„In diesem Jahr entfaltet sich das Programm im Haus der Kunst in Form von Dialogen. Dieser Austausch kann auch zwischen Institutionen stattfinden, und die Ausstellung mit Tony Cokes markiert die erste umfassende Zusammenarbeit zwischen dem Haus der Kunst und dem Kunstverein München“, so Andrea Lissoni, künstlerischer Direktor des Haus der Kunst. „Ausgehend von beiden Häusern und Archiven setzt Cokes‘ Auftragsarbeit „Some Munich Moments, 1937–1972“ das Engagement des Haus der Kunst fort, unsere Geschichte neu zu bewerten und die vielfältigen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Geschichte die Gegenwart definiert und gestaltet.“

Ausgehend von der historischen Verbindung zwischen den beiden in unmittelbarer Nähe gelegenen Ausstellungsorten präsentiert Tony Cokes die neue Werkreihe „Some Munich Moments 1937–1972“, die sowohl die Institutionen als auch den dazwischen liegenden öffentlichen Raum umfasst. Das audio-visuelle Werk untersucht auf Grundlage von Archivmaterial die eng miteinander verwobene Geschichte der beiden Orte während der NS-Zeit und darüber hinaus. „Some Munich Moments 1937–1972“ setzt die kulturellen Propagandastrategien des NS-Regimes in Beziehung zur visuellen Identität der Olympischen Spiele 1972 in München, die in direkter Opposition als „antifaschistisch“ und „weltoffen“ kodiert wurden.

Seit den frühen 1990er Jahren untersucht Tony Cokes in seinem Werk den Einfluss von Medien und Popkultur auf Gesellschaften. Ausgehend von einer grundsätzlichen Kritik an der Darstellung und visuellen Ausbeutung afroamerikanischer Gemeinschaften in Film, Fernsehen, Werbung und Musikvideos hat Cokes eine einzigartige Form des Videoessays entwickelt, die repräsentative Bilder ablehnt. Seine schnell geschnittenen Videos kombinieren gefundene Textfragmente mit Popmusik, die aus diversen kulturellen Quellen und Zeiten stammt. Durch die Kombination von Wort und Gesang verändert Cokes konventionelle Wahrnehmungsformen und ermöglicht ein verändertes Nachdenken über strukturellen Rassismus, Kapitalismus, Kriegsführung und Gentrifizierung. Er verwandelt so den Akt des Lesens und Hörens in eine körperliche und gemeinschaftliche Erfahrung.

„I’m interested in the resonances, the re-habitualizations, and the echoes of that historical moment in the contemporary.“ Tony Cokes

Mit „Fragments, or just Moments“ präsentiert das Haus der Kunst eine Überblicksausstellung, die ausgewählte audiovisuelle Werke aus Tony Cokes' drei Jahrzehnte umspannendem Œuvre zusammenführt. Situiert in der historisch verdichteten LSK-Galerie, dem ehemaligen Luftschutzkeller des Museums, skizziert die Ausstellung eine fragmentierte Chronologie des 20. und 21. Jahrhunderts, die sich von der Mitte der 1930er Jahre bis in die Gegenwart erstreckt. Die episodische Struktur entlang historischer Ereignisse entfaltet sich weniger als lineare Abfolge, sondern zeigt vielmehr die Verflechtungen und Verschiebungen der soziopolitischen Realitäten aus verschiedenen Zeiten auf, die unser kollektives Gedächtnis formen. Cokes thematisiert dabei die Rolle von Bild und Klang für ideologische Manipulation, Ausbeutung und Kriegsführung innerhalb eines kapitalistischen Systems, das grundlegend auf rassistischem Denken beruht. Die Ausstellung zeigt Cokes' Interesse an den Verbindungen historischer Momente sowohl untereinander als auch mit der Vergangenheit und ihrer Resonanz in unserer Gegenwart, und legt die Kontinuitäten struktureller Unterdrückung und sozialer Ungleichheit über Zeiten und Orte hinweg frei.

Die neue Werkreihe „Some Munich Moments 1937–1972“ wird sowohl im Haus der Kunst, im Kunstverein München als auch im öffentlichen Raum zu erleben sein. In der Fußgängerunterführung am Südende des Englischen Gartens und am Zaun der amerikanischen Botschaft werden Text und Tonauszüge der audiovisuellen Werke präsentiert.

Anlässlich der Ausstellung erscheint eine umfassende Publikation bei DISTANZ, die die neu produzierten Textcollagen von Tony Cokes in deutscher sowie englischer Sprache zugänglich macht und die Videoessays in Form von Stills in das Format des Buches überträgt. Durch Essays der Theoretiker*innen Tina Campt und Tom Holert, Autor und Leiter des Harun Farocki Instituts, wird „Some Munich Moments 1937–1972“ aus transnational-historischen als auch medientheoretischen Perspektiven beleuchtet. Diesen Beiträgen vorangestellt ist eine Einführung in das kollaborative Ausstellungsprojekt von Emma Enderby und Elena Setzer (Haus der Kunst) sowie Maurin Dietrich, Gloria Hasnay und Gina Merz (Kunstverein München).

Als Teil des öffentlichen Programms der Ausstellung werden in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum und dem Kurator Wolfgang Brauneis Stadtführungen angeboten, die die Kontinuitäten zwischen der Kunst des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit untersuchen. Ausgehend von Skulpturen im Münchner Stadtraum werden die Nachkriegskarrieren renommierter Künstler der NS-Zeit – die innerhalb des Regimes als „gottesbegnadet“ ausgezeichnet wurden – in den Blick genommen. Darüber hinaus wird Noah Barker Anfang September einen Vortrag im Rahmen der Ausstellung im Kunstverein München halten, der sich insbesondere mit den Designvorstellungen des Gestalters Otl Aicher für die Olympischen Spiele 1972 beschäftigen wird.

Foto:
©Haus der Kunst.de

Info:
Tony Cokes
Fragments, or just Moments
10. Juni − 23. Oktober 2022
Kuratiert von Emma Enderby und Elena Setzer
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, 80538 München
www.hausderkunst.de // @HausderKunst

Die Ausstellung ist ein gemeinsames Projekt des Haus der Kunst und des Kunstverein München und findet in beiden Institutionen sowie im öffentlichen Stadtraum statt. Der Kauf eines Tickets ermöglicht den Eintritt in der jeweils anderen Institution kostenfrei am selben Tag.