MONUMENTS MEN und die Kunst, Teil 1
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Wir finden das eine spannende Frage, die sich aber kaum einer beim Betrachten des Filmes zur Weltpremiere in Berlin am 7. Februar 2014 fragt: Wir sehen am Anfang erst den Abbau des gewaltigen Genter Altars in den Maßen 3,75 m x bis zu 5,2 Meter m in geöffnetem Zustand, verfrachtet in Lastwagen. Dann sehen wir am Schluß, wie die einzelnen Altarteile im Salzstollen von Altaussee aus ihrer Verpackung gerissen werden, um sie zu identifizieren.
Nur ein Teil fehlt. Ein großer. Kein Suchen hilft. Bis dem einen Monuments Men etwas herunterfällt und der andere unter den Tisch krabbelt und von unten sieht, was die Rückwand verbarg, daß es sich genau um die fehlende Tafel handelt. Was wir uns fragen? Natürlich, was das für Gemälde sind, die im Film in der Kapelle von St. Bavo abgebaut, verpackt, verstaut, transportiert werden und am Schluß in Minen, Höhlen und Salzstöcken wiedergefunden werden. Denn die echten können es nicht sein, da würde die Kuratoren, da würden die Museumsdirektoren, da würde die Kunstwelt laut „Aua“ schreien. Zu Recht.
Denn ein Werk wie der Genter Altar der Gebrüder van Eyck - obwohl wir ihn immer dem Meister Jan van Eyck zugeschrieben hatten, einfach aus Intuition, worin uns inzwischen die van Eyckforschung folgt, um das mal witzig auszudrücken, denn tatsächlich war das bei uns reine Annahme - darf noch nicht einmal ausgeliehen werden, so kostbar und fragil zugleich ist diese Kunst, die bis 1432 zurückreicht und die vom Genter Kaufmann Jodocus Vijd und seiner Frau Elisabeth Borluut zu ihrem eigenen Heil gestiftet war. Beide kann man in den unteren äußeren Tafel im Bilde sehen, er in grünem Gewand, sie im roten Kleid mit verschleiertem Haar.
Der Altar selbst, den man Flügelalter oder Retabel nennt, weil beweglich, besteht aus zwölf Teilen, die sogenannten Paneele, von denen acht schwenkbar sind und auf beiden Seiten bemalt sind. Das Innere ist die Sonntag- oder Festtagesseite und bunt, das äußere als Werktagsseite wurde damals leicht metallisch Grau in Grau, als Grisaillearbeit gemalt. In geöffnetem Zustand kann man den Altar zweifach unterteilen. Der obere Mittelteil beherrscht durch Bedeutung und Farbigkeit die Sicht. Oben sitzt Gott als Pantokrator, so wird er genannt, wenn seine Funktion als thronender Weltenherrscher angesprochen ist. Zu seinen Seite rechts und links Maria und Johannes der Täufer, die in der Deesis dargestellt sind als diejenigen, die bei Gott um Fürsprache für die sündige Menschheit bitten.
Eine solche Deesisdarstellung bezieht sich immer auf das Jüngste Gericht, dem auch die anderen Altarteile folgen. Auf den Seitenflügeln sehen wir die Engelsschar und Adam und Eva. Der untere Teil ist die Hauptaussage des Altars. Im Mittelteil groß in einer paradiesischen Landschaft ein Brunnen als Quell des Lebens und die Anbetung des Lammes umrahmt von vier Tafeln mit christlichen Bezugspersonen, nämlich denen, die für den Bestand der Kirche stehen: die Heiligen Jungfrauen, die Hüter der Kirche, die Patriarchen, die Märtyrer, die einst Kleriker waren.
Der Altar galt immer schon als ein herausragendes europäisches Kunstwerk, das vor den Feinden gesichert werden mußte, wozu 1566 die Calvinisten zählten, vor denen als Bilderfeinde – weil man Gott nur mit dem Wort suchen soll – die Angst vor dem Verbrennen dazu führte, daß man den Altar abbaute und versteckte. Zuvor war es die Angst vor dem niederländischen Bildersturm gewesen, weshalb man den Altar im Kirchturm versteckt hatte, aber die Folgen der ersten Restaurierung waren viel schlimmer. Denn – so heißt es – 1550 reinigten zwei Maler die Altargemälde, wobei die Predella vernichtet worden sei? Tatsächlich demontierten die Calvinisten 1578 den Altar, aber vernichteten ihn nicht, sondern stellten ihn im Rathaus auf. 1598 durfte er in seine Kapelle in St. Bavo zurückkehren. Angeblich mußten 1781 die Tafeln mit Adam und Eva entfernt werden, weil Statthalter Kaiser Joseph II an den Nackten keine Freude hatte. In den Folgejahrhunderten kam es dann dicke: 1784 bis 1860 sind die zwei Nackten, Adam und Eva, verschwunden.
Der Hauptteil mit der „Anbetung des Lammes wurde 1774 von der französischen Armee nach Paris geraubt, kam aber zurück. 1816/17 hat Wilhelm von Preußen sechs Altarflügel gekauft, denn in Zeiten der Säkularisierung war es üblich, Kirchenwerke meistbietend zu verkaufen, wobei tatsächlich so ein Gesamtkunstwerk in alle Gegenden zerrissen wurde, was hier angesichts von vorhandenen Einzeltafeln leicht möglich war. Im Ersten Weltkrieg teilen sich Brüssel, Berlin und Gent den van Eyck Altar, aber 1914 haben die Deutschen die oberen Paneele mit Adam und Eva gestohlen. 1919 wird mit dem Friedensvertrag von Versailles die Rückgabe der Teile nach Gent gefordert, was erst 1923 dann geschieht und in der Diskussion blieb. Denn die wichtigsten Teil waren ja rechtmäßig gekaufte worden.
1935 werden zwei weitere Paneele gestohlen. Der „Gerechte Richter' und 'Johannes der Täufer'. Für diese wird Lösegeld gefordert, aber nicht gezahlt. Der weniger aufwendige Johannes wird zurückgegeben, der sehr kunstvolle Richter ist bis heute verschollen. Der belgische Restaurator Jan van der Veken malt nach dem zweiten Weltkrieg eine Kopie des fehlenden Flügels.
Hitlers Raubzug war ein grundsätzlicher, wie Buch und Film beispielhaft vorführen. Aber im Falle des Genter Altars fühlte er sich darüber hinaus auch noch im Recht, weil es auf das deutsche Besitztum vor dem Versailler Vertrag verwies. Schon interessant, daß dieser Vertrag auch die Kunst als Reparationsforderungen umfaßte. Aber die Frage bleibt, was sind das für Gemälde, die die Amerikaner als den Genter Altar im Salzbergewerk von Altaussee finden. Das soll die Fortsetzung zeigen...