Hanswerner Kruse
Kleinsassen (Weltexpresso) - Im Café der Kunststation stellte am letzten Sonntag die iranische Künstlerin Mojgan Razzaghi ihre fotografischen Arbeiten vor. Zur Vernissage der Gemeinschaftsausstellung „Blickwechsel“ konnte die seit 12 Jahren in Deutschland lebende Fotografin nicht mit dabei sein, weil sie zeitgleich eine Show in Japan eröffnete.
Zuvor schuf aber der im Iran geborene Musiker Omid Bahadorf akustisch einen „Hörwechsel“ mit seinen orientalischen und abendländischen Klängen auf diversen Instrumenten. Dadurch stimmte er das zahlreich erschienene Publikum auf das Motto der gesamten Ausstellung ein.
Razzaghis Fotos seien keine „Schnappschüsse“, betonte die Leiterin der Kunststation Monika Ebertowski, sondern „inszenierte Fotografie“, also bewusst gestaltete und mit Bedeutung aufgeladene Objekte. Seit ihrem Studium in Teheran setzt sich Razzaghi künstlerisch mit der Lage weltweit unterdrückter Frauen - nicht nur in Persien - auseinander.„Sie haben meine Sinne geweckt und sind eigentlich die Keime meiner Kunst“, sagte sie dazu. „Meine Fotos sind die Ergebnisse von Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen aus meinem Leben.“
Auf manchen Aufnahmen spielen die Models mit Schleiern, verbergen und befreien sich mit ihnen oder sie entwinden sich den Schleiern, lassen sie zu ihren Träumen werden. Vielleicht sind die Bilder deshalb ortlos, weil sie überall auf der Welt entstanden sein könnten. Die in ihnen festgehaltenen Emotionen der abgelichteten Frauen wirken immer authentisch.
Razzaghis Arbeiten sind keine eindeutige Politkunst, nicht plakativ, sondern sie bewahren einen unbestimmten geheimnisvollen Reiz: Der berührt das Publikum, das dadurch viel Raum für Assoziationen und eigene Interpretationen erhält.
Schon während des Studiums durfte sie alles ohne Zensur probieren, doch ausstellen konnte sie nur sehr, sehr selten einzelne Bilder. Im Iran muss alles Weibliche unsichtbar bleiben, den Frauen ist das Zeigen von Haut, Körpern und Haaren streng verboten. Jedoch durch die in Razzaghis Werken ausgedrückte, gleichsam symbolische Befreiung, bekommen alle Beteiligte auch Mut - behutsam aber hoffnungsvoll überschreiten sie Grenzen und rote Linien.
Bei einem Shooting auf einer Baustelle nutzte die Fotografin dort gefundene schmuddelige Plastikplanen mit Arbeitsspuren und Abdrücken von Männerfüßen, hinter denen sich Models für die Aufnahmen verbargen: sie erscheinen lediglich verschwommen und kaum sichtbar. Diese und die meisten anderen Arbeiten in ihrer Ausstellung heißen „Invisible“, also unsichtbar, wie viele Frauen es weltweit sind.
Wenn man die aktuellen Ereignisse im Iran verfolgt dann ahnt man, dass dort derzeit die Frauen deutlich sichtbar werden und dadurch dieWirklichkeit die Kunst einholt.
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Hanswerner Kruse
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"Blickwechsel" noch bis zum 26. Februar 2023
Kunststation Kleinsassen geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr
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