Serie: Die Frankfurter Schirn präsentiert „Niki de Saint Phalle“ bis 21. Mai, Teil 1
Eva Mittmann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Als „visionäre und politische Künstlerin“ stellt uns Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Frankfurt, Niki de Saint Phalle vor, die ihre Berühmtheit erlangte vor allem durch ihre überdimensionalen, „bunt-fröhlichen“ Frauenfiguren - die von ihr einst erschaffenen gewaltig großen, drallen und grellbunten sogenannten „Nanas“. „Ich zeige alles“ – wie Niki de Saint Phalle sagt – „mein Herz, meine Gefühle. Grün, blau, rot, gelb, alle Farben. Ich zeige Furcht, Wut, Lachen, Zärtlichkeit in meinem Werk“.
(Rechts im Bild: Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Frankfurt und Kuratorin Katharina Dohm)
Sie ist eine Getriebene, die durch ihre schicksalhafte Biografie tut, was sie tun muss. Schon früh hat sie sich deshalb – völlig frauenuntypisch für die damalige Zeit – als Frau „für die Kunst und gegen die Familie entschieden“.
Angefangen hatte es mit einer Art „kreativem Akt durch Dekonstruktion“. Und sicher blieb ihr künstlerisches Schaffen nicht unbeeinflusst von der damaligen gesamtgesellschaftlichen politischen Situation: In der Anfangsphase ihres Schaffens in den 1960er Jahren tobte nämlich damals der Algerienkrieg. So ist ihre frühe Phase in den 50er Jahren geprägt von Kunstwerken aus Scherben und Messerklingen und ihren „wild-aggressiven Schiessbildern“. In dieser Anfangsphase erreichte sie so eine enorme Popularität, indem sie Feminismus und weibliches Selbstbewusstsein in den Fokus rückte. Auch benutzte sie das Publikum bewusst für die autodidaktische Sensation ihrer Werke, die seit den 1950er Jahren bis heute nicht an Popularität eingebüßt haben. Der Kampf um Freiheit und ihre Pionierrolle in der Kunstgeschichte führten dazu, dass (zumindest zeitweilig) Rollenklischees abgelegt werden konnten und darüber hinaus möglich war, „Happenings“ und „Performances“ im öffentlichen Raum stattfindenzu lassen.
Katharina Dohm, die Kuratorin der Ausstellung, spricht im Anschluss all denen ihren großen Dank aus, die es durch Einsatz oder Ausleihe ermöglicht haben, Exponate aus allen Werkphasen der Künstlerin von 1950 bis 2002 zusammenzutragen, welche die gesellschaftlichen Institutionen oder das Thema der „Identität der Frau“ thematisch hinterfragen. Werke, die sie persönlich allerdings besonders beeindruckt haben, seien die „Schieß-Bilder“. Diese „Schieß-Bilder“ wertet sie als „ritualisierte Spektakel“, welche die Kunstwerke „zum Bluten bringen“. Damit sei es gelungen, die herrschende Vorstellung von Malerei explizit zu hinterfragen – ähnlich wie es der Künstler Jean Tinguely seinerzeit ermöglicht hat, die Trennung von Künstler und Betrachter als aufgehoben erscheinen zu lassen mit dem sogenannten „kreativen Akt einer Dekonstruktion“.
Niki de Saint Phalle hatte sich - stellvertretend für viele Frauen - bereits sehr früh gegen die Familie und für die Kunst entschieden. Sie wollte damit ein "Jubelfest für Frauen" inszenieren: Frauen, die weder von ihrem Mann noch vom Leben unterdrückt werden – wie beispielhaft die Figur der Kriegerin oder die der Tänzerin. Sie befand sich schon früh im Widerstand gegen weibliche Klischees und kann somit nicht nur als großartige Pionierin der bildenden Kunst auch als Wegbereiterin einer emanzipatorischen Frauenbewegung im künstlerischen Sektor angesehen werden. In diesem Sinne tragen ihre Kunstwerke Symbolcharakter und zeugen von Freiheit, Emanzipation und Feminismus.
Fotos:
©: Eva Mittmann
Info:
https://www.schirn.de/ausstellungen/2023/niki_de_saint_phalle