tann 3013Profikünstler & Outsider stellen aus

Hanswerner Kruse

Tann/Rhön  (Weltexpresso) - Am letzten Wochenende begann im Naturmuseum zu Tann die 25. Gemeinschaftsschau „Gestatten, Kultur!“, von professionellen Kunstschaffenden und sogenannten Outsidern ohne berufliche Ausbildung.

In der Jubiläumsausstellung werden Armin Mueller-Stahls leicht abstrahierte Siebdrucke von John Lennon, David Bowie und weitere grafische Arbeiten von ihm gezeigt. Unweit davon sind großformatige farbenfrohe Aquarelle von Mustapha el Ayachi platziert, einem Bewohner der „Tanner Diakonie“. Die Bronzeskulptur „Deutungsspielraum“ (Foto oben) der freien Künstlerin Eva Skupin schaut auf die naive Malerei „Tiger im Dschungel“ des Outsiders Heinz Grass. Einander gegenüber hängen von beiden berührende Kaltnadelradierungen - ihr „Sündenbock“ und seine „Vögel der Nacht“.

Manchmal sind die Objekte der zwei Professionellen, die keine Berührungsängste zu den neun Menschen mit Beeinträchtigungen haben, und deren Werke kaum zu unterscheiden. Gleichberechtigt werden sie miteinander präsentiert. Wie einst die legendären „Künstler aus Gugging“ arbeiten auch kreative Menschen der „Tanner Diakonie“ mit künstlerischen Medien. Die gestalterische Assistenz und Inspiration wird durch den Künstler und Kunsttherapeuten Bernd Baldus geleistet, einmal wöchentlich auch durch Malerin Veronika Zyzik. Einige Ausstellende der Diakonie, wie el Ayachi, sind mittlerweile durch Preise sogar erfolgreich geworden.

tann 3042Baldus (Bild links, zwischen Siebdrucken von Armin Müller-Stahl) wurde 1999 zur ersten „Gestatten, Kultur“ eingeladen und kuratiert seit dem darauffolgenden Jahr alle Ausstellungen. „Wir sind von Anfang an inklusiv gewesen“, meinte er. Denn viele Bewohner „weisen trotz ihres Handicaps oftmals ganz besondere künstlerische Fähigkeiten auf und es ist mir eine besondere Freude, diese hohen Begabungen der allgemeinen Öffentlichkeit zu präsentieren.“ Als Kurator ist er stolz, dass es ihm wieder gelungen ist, zwei bedeutende Kunstschaffende als Teilnehmende zu gewinnen: 

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Künstlerin Eva Skupin aus Mehmels/Thüringen zeigt nicht nur ihre filigranen - teilweise recht fröhlichen - handkolorierten Radierungen wie „dickes Fell“ oder „HALTen“ (Foto rechts). Sondern sie präsentiert auch schwarze Basaltskulpturen, deren Herstellung enorme Kraft erfordert. Diese, im mehrfachen Sinne schweren Objekte, etwa das „Rhöner Paar“, wirken sehr sinnlich und strahlen mit ihrer Kraft große Ruhe aus. Skupins Grafiken und ihre Bildhauerei schaffen einen enormen Kontrast, man glaubt kaum, dass sie von der gleichen Kunstschaffenden stammen.
Dazu gesellen sich noch ihre weißen Gebilde aus Marmorsteinguss, die sie als „Tauben“ bezeichnet, möglicherweise weil sie erstaunlich leicht und flügge wirken.

Armin Mueller-Stahls grafische Arbeiten sind von gewohnt milder Abstraktion und Expressivität, Baldus nannte in der Laudatio den 93-Jährigen „einen modernen Expressionisten“, der sich Im letzten Kapitel seines Lebens nur noch der Bildenden Kunst widmen wolle und zitierte ihn: „Malerei berührt die Seele, nicht den Verstand.“

Nicht unerwähnt bleiben sollten das George-Wagner-Trio, das die Vernissage jazzig begleitete, die fantastische Bewirtung durch weitere Bewohner der Diakonie sowie die Grußworte von MdL Sebastian Müller (CDU) und dem 1. Stadtrat Jürgen Schlereth. Beate Hofmann, die bischöfliche Schirmherrin, verwies in ihrer Videobotschaft auf Josef Beuys und sein Konzept der „sozialen Plastik“, das diese gesamte Ausstellung selbst zu einem Kunstwerk mache. Moderiert wurde die Eröffnung von Stefan Burkard, Geschäftsführer der Tanner Diakonie.

tann 3032Das George-Wagner-Trio inmitten der Ausstellung

Foto: 
© Hanswerner Kruse

Service: 
„Gestatten Kultur!“ – Ausstellung im Naturmuseum zu Tann/Rhön noch bis zum 18. Juni 2023, geöffnet dienstags bis sonntags von 11 – 17 Uhr

Den hervorragenden Katalog mit 40 Seiten erhält man für eine Spende. Ein Teil des Verkaufserlöses der meist preiswerten Kunstobjekte kommt der Diakonie zugute.